EZB-Staatsanleihenkäufe „Merkel lässt die Bundesbank im Regen stehen“

In der Debatte um die von der EZB anvisierten Staatsanleihenkäufe erheben Politiker von CDU und CSU schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Sie beklagen, dass die Bundesbank im Regen stehen gelassen werde.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Kaum kritische Worte Richtung EZB. Quelle: dpa

Berlin Unions-Politiker haben die Rolle der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit der EZB-Entscheidung zum Kauf von Staatsanleihen scharf kritisiert. „Es ist verheerend, dass die Bundesregierung die Bundesbank im Regen stehen lässt“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Dabei denke eine ganze Reihe von Mitgliedern im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Der estnische Notenbankchef Ardo Hansson habe sich ebenfalls gegen Staatsanleihenkäufe ausgesprochen. „Alle Notenbankchefs von stabilitätsorientierten Ländern sind dagegen“, so Willsch.

Ähnlich äußerte sich Bayerns Finanzminister Markus Söder. Der CSU-Politiker forderte die Bundesregierung auf, den kritischen Stimmen im EZB-Rat den Rücken zu stärken. „Jens Weidmann braucht mehr Unterstützung aus Berlin“, sagte Söder dem Handelsblatt. Die CSU sieht die Zentralbank auf einem grundsätzlich falschen Kurs. „Die EZB ist auf leider keinem guten Weg“, so Söder. Die Zentralbank solle zwar nicht von Deutschland dominiert werden, aber sie müsse auf die deutsche Stabilitätskultur Rücksicht nehmen. „Sie war als europäische Bundesbank angelegt und nicht als Federal Reserve auf deutschem Boden."

Auch Willsch, der dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages angehört, erinnerte daran, dass die EZB nach dem Vorbild der Bundesbank konzipiert worden sei. Die D-Mark sei Vorbild für den Euro gewesen. „Unsere starke Währung war der Garant für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Nachbarländer haben sich an der Geldpolitik der Bundesbank orientiert“, sagte er. In dieser Tradition stehe Bundesbankpräsident Weidmann. „Heute wird sich über den Bundesbankpräsident und seine Positionen lustig gemacht“, kritisierte Willsch. „Die EZB verhält sich heute mehr wie die Banca d'Italia.“

Der massive Ankauf von Staatsanleihen (Quantitative Easing; kurz: QE) ist unter Politikern und Ökonomen sehr umstritten - besonders in Deutschland. So sprachen sich die deutschen EZB-Ratsmitglieder, Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger immer wieder gegen ein solches Programm aus. Weidmann hatte kürzlich erklärt, der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) habe klargestellt, dass es rechtliche Grenzen gebe für die europäische Notenbank. Das bedeute, dass die EZB keine monetäre Staatsfinanzierung und auch keine Wirtschaftspolitik betreiben dürfe.


„Draghis Wahnsinn hat Methode“

Scharfe Kritik kam auch von der Linkspartei. „Draghis Wahnsinn hat Methode“, sagte die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Das EZB-Programm helfe nicht den Krisenstaaten, sondern sei ein „großangelegtes Bankensanierungsprogramm“ und mache die Reichsten noch reicher. „Denn die Anleihekäufe sind ein Dopingmittel für die Finanzmärkte, sie treiben Aktienkurse und andere Vermögenspreise noch weiter nach oben“, kritisierte die Linkspartei-Politikerin.

Aus Wagenknechts Sicht schafft die Zentralbank mit ihrem Programm außerdem einen Rahmen, um die falsche Euro-Krisenpolitik weiter fortzusetzen. „Denn die katastrophalen Kürzungsprogramme haben zwar die Wirtschaft in den betroffenen Ländern in eine tiefe Rezession getrieben, die Staatsschulden sind jedoch höher denn je“, sagte sie. „Ohne den Flankenschutz der EZB wäre längst offenkundig, dass das aktuelle Verschuldungsniveau nicht tragfähig ist.“ Die Zeche für dieses Spiel zahle die Mittelschicht, deren Sparguthaben und Pensionsansprüche entwertet würden, weil ihre Zinsen weit unter den Preissteigerungen für Mieten und Lebenshaltungskosten liegen.

Nach Wagenknechts Überzeugung wäre eine Alternative möglich, wenn es um Deflationsbekämpfung gehen soll. „Dann müsste mit dem Geld der EZB ein dringend notwendiges europäisches Investitionsprogramm finanziert werden“, sagte sie. „So würde das Geld in der realen Wirtschaft anstatt auf den Finanzmärkten ankommen.“

Willsch sprach mit Blick auf die EZB von einem weiteren Schritt in die falsche Richtung. „Die EZB betreibt Staatsfinanzierung, das ist illegal“, betonte der CDU-Politiker. „Die Märkte wurden bereits mit Geld geflutet, es gibt keinen Mangel an Liquidität, sondern an Strukturreformen in den überschuldeten Staaten.“


„Der Euro droht zur Weichwährung zu werden"

Mit der expansiven Geldpolitik der EZB würden nun die alten Unterschiede zwischen Ländern mit einer Weichwährungs- und einer Hartwährungstradition wieder aufbrechen. „Das ist natürlich schlecht, weil es zeigt, dass die Euro-Zone alles andere als ein optimaler Währungsraum ist“, sagte Willsch. Daher müsse sich die EZB endlich an ihr geldpolitisches Mandat halten. „Die EZB macht Wirtschafts- und Finanzpolitik und verstößt damit erkennbar gegen ihr Mandat.“

Auch für Söder ist das diskutierte Programm, über das die EZB heute entscheiden will, der „grundlegend falsche Schritt“. „Die Auswirkungen sind gefährlich“, warnte der CSU-Politiker. Die Maßnahme der Zentralbank sei für Staaten wie Frankreich und Italien, die sich reformieren müssten, das falsche Signal. „Sie werden sich dank der EZB zurücklehnen.“ Zudem werde die Aktion „eine weitere Flucht aus dem Euro auslösen“. Söder: „Der Euro droht zur Weichwährung zu werden. Das kann nicht im Interesse der Währungsunion sein." Allerdings ist auch Söder klar, dass die EZB sich durch die Kritik nicht abhalten lassen wird.

Die Signale von EZB-Präsident Mario Draghi waren zuletzt eindeutig. Deshalb fordert Söder nun zumindest die Einhaltung von Bedingungen. Das Programm brauche „eine Sperrfrist“. „Nach einem Jahr muss es automatisch auslaufen.“ Zudem dürfte sich die deutsche Haftung keinesfalls erhöhen.

An den Finanzmärkten gilt es längst als ausgemachte Sache, dass die EZB ein milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed auf den Weg bringt. Dabei wird über ein Volumen von 500 Milliarden bis zu einer Billion Euro spekuliert. Banken könnten dann ihre Bonds abstoßen und die verfügbaren Mittel stärker für neue Darlehen verwenden.

Die Nachfrage nach Krediten von Seiten der Unternehmen im Euro-Raum legte im Schlussquartal 2014 spürbar zu und zog so stark an wie zuletzt zu Jahresbeginn 2011, wie aus der Umfrage der EZB vom Dezember unter 137 Geldhäusern hervorgeht. Auch in Deutschland lockerten die Banken ihre Kreditstandards.


Gauweiler: Bundesregierung muss Farbe bekennen

EZB-Chef Draghi hatte jüngst darauf verwiesen, dass die seit längerem lockere Geldpolitik die Kreditvergabe an Firmen bereits positiv beeinflusst habe. Die EZB sieht sich auch als Hüterin stabiler Preise gefordert, die Gefahr einer Deflation im Keim zu ersticken. Eine solche Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, schwachem Konsum und nachlassenden Investitionen kann eine Wirtschaft auf Jahre lähmen. Da die Preise zuletzt um 0,2 Prozent gefallen sind, schrillen bei der EZB die Alarmsirenen.

Der Wirtschaftsweise Lars Feld warnt sie jedoch davor, massenweise Schuldtitel von Staaten aufzukaufen und es Krisenländern so zu erleichtern, billiger an Geld zu kommen. Damit würde die EZB den Druck von Italien und Frankreich nehmen, im Kampf gegen die Schuldenkrise endlich Reformen anzupacken und zu sparen, mahnte der Regierungsberater in der „Bild“.

In den Regierungsfraktionen ist das Ankaufprogramm umstritten, vor allem bei der CSU. „Donnerstag ist die Stunde der Wahrheit“, sagte der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler zu Reuters. Der CSU-Politiker, der Klagen gegen die Euro-Rettungsschirme in Karlsruhe unterstützt hatte, richtete vorige Woche eine Anfrage an die Bundesregierung. Diese solle endlich ihre Position zu Anleihekäufen klären. Am Donnerstag müsse die Regierung Farbe bekennen, ob sie darin eine Überschreitung des EZB-Mandats sehe oder nicht. Kritiker warnen, dass die EZB mit dem Kauf von Anleihen aus Krisenländern Risiken auf ihre Bücher nimmt, für die notfalls der deutsche Steuerzahler geradestehen muss.

Die absehbare Geldflut in der Euro-Zone hat bereits dazu geführt, dass der Euro zum Dollar deutlich an Wert eingebüßt hat. Dies steigert die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporteure. Gemeinsam mit dem Ölpreissturz, der Kosten für Firmen und Verbraucher drückt, sorgt dies für Optimismus unter Börsianern. Das Barometer für die ZEW-Konjunkturerwartungen stieg im Januar überraschend deutlich auf 48,4 Punkte - den höchsten Stand seit Februar 2014.

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