Facebook-Gesetz Bundesdatenschützerin rüffelt Maas

Die von Bundesjustizminister Heiko Maas beabsichtigte scharfe Regulierung sozialer Netzwerke stößt auf Vorbehalte der Bundesdatenschutzbeauftragten. Sie sieht ein wichtiges Grundrecht bedroht.

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Unter Beschuss: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Quelle: dpa

Berlin Wer hätte das gedacht: Heiko Maas wird wohl in der bald zu Ende gehenden Legislaturperiode ein bisschen Geschichte schreiben. Denn schon jetzt gilt er als der fleißigste Minister der schwarz-roten Bundesregierung – wenn man nach der Zahl seiner Gesetzentwürfe geht. Laut einer Regierungsstatistik ist das Justizministerium mit 95 Vorlagen für das Kabinett Spitzenreiter. Für manche Kritiker ist das allerdings wenig ehrenvoll. Sie meinen, dass bei Maas Masse nicht automatisch Klasse bedeutet.

Besonders umstritten sind in dieser Hinsicht Maas' Vorstellungen zum Umgang mit Hasskommentaren („Hate Speech“). Mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will er soziale Netzwerke zwingen, hasserfüllte und hetzerische Beiträge schnell zu entfernen.

Facebook und Co. bekommen Löschfristen aufgebrummt. Eindeutig strafbare Inhalte sollen binnen 24 Stunden aus dem Netz genommen werden, in komplizierteren Fällen bleiben sieben Tage. Bei dauerhaften Verstößen, sprich: bei einem nicht funktionierenden Beschwerdemanagement, drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro. Nicht nur Facebook wehrt sich.

Auch Wirtschaftsverbände, Juristen, Netzaktivisten, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen warnen Maas vor Gefahren für die Meinungsfreiheit und einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Zudem fürchten viele, dass aufgrund der knappen Fristen und hohen Strafen Inhalte überhastet entfernt werden. In diese Richtung argumentiert nun auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff.

In einer dem Handelsblatt vorliegenden Stellungnahme für eine Expertenanhörung des Bundestags-Rechtsausschusses am kommenden Montag in Berlin, sieht Voßhoff durch den Gesetzentwurf von Maas wichtige Grundrechte infrage gestellt. Beim Vorgehen gegen die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten im Internet müsse nicht nur eine „sorgfältige Abwägung“ mit dem Grundrecht der sich äußernden Person auf Meinungsfreiheit, sondern auch mit ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgen. Dem werde aber der Gesetzentwurf „nicht vollumfänglich gerecht“.

Voßhoff kritisiert etwa die erweiterten Befugnisse für die Plattformanbieter bei der Weitergabe von Bestandsdaten von Nutzern ihres Angebots an private Dritte, womit „eine Übermittlung bei sämtlichen Verletzungen absoluter Rechte möglich“ sei. Darunter fallen insbesondere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, beispielsweise durch Beleidigung oder die Behauptung falscher Tatsachen.

Der Gesetzentwurf sehe dabei aber keine „unabhängige Prüfinstanz vor, so dass der Telemedienanbieter die gespeicherten Bestandsdaten seiner Nutzer bei jeder behaupteten Rechtsverletzung übermitteln müsste“, bemängelt die Datenschützerin. Das stelle einen „unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Nutzer auf informationelle Selbstbestimmung“ dar, betont Voßhoff. Die Behördenchefin empfiehlt daher, die vorgesehene Übermittlungsbefugnis um eine „unabhängige Vorabprüfung, „wie zum Beispiel einen Richtervorbehalt, zu ergänzen.


Kauder drückt aufs Tempo

In dieser Frage gab es bereits Bewegung in der Koalition, jedoch nur auf Seite der Sozialdemokraten. Während die Experten der SPD-Fraktion, Johannes Fechner und Lars Klingbeil, jüngst erklärten, der Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten müsse „auf schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen beschränkt und mit einem Richtervorbehalt versehen werden“, begrüßte die Union die im Gesetzentwurf vorgesehene Rechtsgrundlage für Plattformbetreiber, Bestandsdaten der Urheber von Hass und Hetze an die Betroffenen herauszugeben. Wo die „weiten Grenzen unserer Meinungsfreiheit“ überschritten würden, müsse auch die Möglichkeit bestehen, die persönliche Verantwortung aufzuklären und durchzusetzen.

Um diesen Dissens in der Koalition noch aufzulösen, bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit. Eigentlich wäre Mitte Februar der letzte Termin gewesen, an dem die Bundesregierung – unter Wahrung aller Fristen – ganz regulär noch Gesetze auf den Weg bringen kann. Diesen hat Maas verstreichen lassen. Sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde erst Anfang April vom Bundeskabinett gebilligt.

Der Minister geht zwar davon aus, dass es der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode beschließt. Doch der enge Zeitplan und erhebliche Änderungswünsche der Koalitionsfraktionen könnten Maas‘ Plan durchkreuzen. Dann wäre die beabsichtigte Regulierung von Facebook & Co. de facto gescheitert – und die nächste Regierung müsste einen neuen Anlauf nehmen.

Was Maas allerdings entgegenkommt, ist der Umstand, dass die Große Koalition schon länger fordert, härter gegen Hassreden in sozialen Netzwerken wie Facebook vorzugehen. Zuletzt hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) gemahnt, „dass wir uns anstrengen sollten, das Gesetz noch bis Ende Juni zu verabschieden“.

Die Kritik an dem Gesetz werde den Problemen, vor denen man stehe, nicht gerecht, so Kauder. Nach geltender Gesetzeslage seien die Internet-Plattformen seit langem verpflichtet, rechtswidrige Inhalte unverzüglich zu entfernen, wenn sie davon Kenntnis hätten. Die bisherige Löschungspraxis der Unternehmen bezeichnet der CDU-Politiker jedoch als „absolut unbefriedigend“.

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