Fachleute als Abgeordnete Wirtschaftsexperten für den Bundestag

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Jan Mönikes, SPD, 38, kandidiert im Wahlkreis Ludwigsburg. Der Wirtschaftsjurist ist Partner in einer großen Kanzlei und berät vor allem Telekommunikationsunternehmen. Er wandert zwischen den Welten, war Büroleiter im Bundestag und Lobbyist für IBM Quelle: Max Lautenschläger für WirtschaftsWoche

Mönikes ist auch Geschäfts- führer der Initiative Euro- päischer Netzbetreiber – und hat aus dem Fall gleich ein Stück Politik gemacht. Im aktuellen „Vorwärts“, der SPD-Zeitung, hat er eine Anzeige geschaltet, um die eigene Partei zu warnen: „Ausufernde Telekommunikations- überwachung geht zulasten von Unternehmen und Bürgern.“

Bei den Sozialdemokraten wird Mönikes geschätzt; der Managerkreis der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung empfiehlt ihn als klugen Wirtschaftspolitiker. Aber viele Unternehmer, mit denen Jan Mönikes über Politik spricht, würden wohl nicht unbedingt SPD wählen. Und schon gar nicht könnten sie sich vorstellen, selbst in den Bundestag zu wechseln. „Hinter Politik und Wirtschaft steckt einfach eine andere Denkweise“, erklärt Mönikes. Politiker müssten Menschen mögen. Führungskräfte aus der Wirtschaft seien allerdings oft nicht bereit, ihre knapp bemessene Freizeit auch mit Menschen zu verbringen, „die man nicht unbedingt zu seinen Freunden zählt“. Und noch etwas sei in der Politik ganz anders als in der Wirtschaft: „Man muss akzeptieren können, dass man auch einmal nicht gewählt wird.“

In die Friedrich-Merz-Lücke der CDU

Bundesweit leiden die Wirtschaftspolitiker der SPD unter dem Problem, dass Parteitage oft vom linken Flügel der Sozialdemokratie dominiert werden. So kommt es etwa, dass die Mitglieder des wirtschaftsnahen Seeheimer Kreises meistens weit unten auf den Landeslisten landen. Sie können nur über Direktmandate in den Bundestag einziehen. Wahlforscher prophezeien aber schon jetzt, dass die SPD viele Erststimmen verlieren könnte. Andere Wirtschaftsexperten kehren der Politik ganz freiwillig den Rücken. Rainer Wend etwa, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, wechselt im April zur Deutschen Post. Alte Schröderianer wie Hans Eichel oder Gerd Andres wollen bei der Wahl im September erst gar nicht mehr antreten.

Auch die CDU weiß immer noch nicht recht, wie sie die Lücke schließen soll, die Friedrich Merz hinterlässt, wenn er im September aus dem Bundestag ausscheidet. Ihren Wirtschaftsexperten ergeht es nicht besser als denen der SPD. So muss Laurenz Meyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, um seinen Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Seine nordrhein-westfälischen Parteifreunde haben ihn auf einem aussichtslosen Listenplatz geparkt.

Deutsche Bank aus dem Lebenslauf streichen

Carsten Linnemann immerhin tritt für einen todsicheren Wahlkreis an. In Paderborn holt die CDU regelmäßig um die 50 Prozent der Erststimmen. Doch in diesen Tagen ist es nicht immer von Vorteil, als Mann der Wirtschaft zu gelten. Schon gar nicht, wenn man von Beruf Banker ist. Da war dieser Abend, als Carsten Linnemann in einer Kneipe für seine Nominierung warb. Aus der letzten Reihe brüllte einer der Gäste. „Die Deutsche Bank, die sollten Sie mal besser aus Ihrem Lebenslauf streichen.“ Und als Linnemanns Nominierung schließlich feststand, schrieb die örtliche Linke einen empörten Leserbrief. „Rette sich wer kann“, stand darüber.

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