Familienunternehmer „Rekapitulieren wir, in welcher Zeit wir leben“: Reinhold Würth schreibt Brandbrief

Reinhold Würth, Gründer des Konzerns Würth Quelle: dpa

Am Montag meldete sich der Unternehmer Reinhold Würth mit einer „außergewöhnlichen Nachricht“ bei der Belegschaft. In einem Schreiben äußerte er sich zur AfD und positionierte sich gegen sie.

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„Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig“, schreibt Familienunternehmer Reinhold Würth in einer fünfseitigen Mitteilung an seine Angestellten. Damit bezieht er Stellung gegen die AfD und appelliert an seine Belegschaft, wählen zu gehen.

Die rund 25.000 Mitarbeitenden in Deutschland erhielten am Montagabend das Schreiben ihres Chefs, das auch der WirtschaftsWoche vorliegt. Bereits in der Vergangenheit äußerte sich Würth kritisch zum politischen Geschehen. Mit dem Schreiben gibt er nun erstmals auch eine Wahlempfehlung ab.

Seit dem Bekanntwerden eines Geheimtreffens, bei dem sich Mitglieder der AfD und der Union mit hochrangigen Unternehmern über Deportationspläne beraten haben sollen, ziehen mehrere Tausend Menschen Woche für Woche gegen Rechtspopulismus auf die Straßen. Der 88-jährige Würth schließe sich diesen Protesten an und schreibt etwa: „Viele Millionen Bürger [sind] protestierend auf die Straße gegangen [-] mit dem Ziel, klarzumachen, dass sie am grundsätzlichen Politiksystem in Deutschland keine Veränderung wollen.“

Zugleich erteilt Würth in dem Schreiben Vergleichen zwischen dem Aufstieg der AfD und dem Ende der Weimarer Republik und der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Absage. Das sei „absoluter Unsinn“. „Rekapitulieren wir einfach einmal, in welcher Zeit wir leben: Im Gegensatz zur Weimarer Zeit muss in unserer heutigen Bundesrepublik Deutschland kein Mensch hungern oder frieren. Die Sozialeinrichtungen des Bundes und der Länder überschütten geradezu die Bedürftigen mit Hilfsangeboten“, schreibt der Unternehmer.

Der Zulauf zu Adolf Hitler sei „Folge einer bittertiefen Notsituation“ aller Deutschen gewesen. Denn das Volk habe „bitter unter den Forderungen des Versailler Vertrags, einer Hyperinflation und riesengroßen Arbeitslosigkeit gelitten“.

Heutzutage sehe es anders aus. Die meisten Bürger in Deutschland hätten laut Würth einen „guten oder mindestens angemessenen Arbeitsplatz“. Und teilt dabei eine Spitze gegen die Wähler der AfD aus: „Ich wette, dass der durchschnittliche AfD Wähler über ein eigenes Auto verfügt und mindestens einmal im Jahr in den Urlaub fährt.“

Auch auf den Vorwurf, dass in Deutschland keine freie Meinungsäußerung herrsche nimmt Würth Bezug. „Jeder kann sagen ‚Bundeskanzler Scholz ist ein Dummkopf‘ und wandert dafür nicht für zwei Wochen oder ein halbes Jahr in das Gefängnis“, heißt es in dem Schreiben. Der 88-Jährige empfiehlt deshalb, im Rahmen des Grundgesetzes mit den „unterschiedlichen Meinungen, Vorstellungen und Ideen weiter zusammenleben“.

Bereits bei der Gründung eines Betriebsrats 2019 sorgte die AfD für interne Diskussionen. Denn die Initiative für die Gründung des Gremiums ging wohl von einem Mitarbeiter aus, der offenbar der Partei AfD nahestand. „Wir haben uns nicht eingemischt“, sagte Bettina Würth, Würths Tochter und Vorsitzende des Beirats, damals im WiWo-Podcast „Chefgespräch“. „Sorgen“ habe es ihr dennoch bereitet. Seit 2022 besitzt die Gewerkschaft IG Metall die Mehrheit im Betriebsrat.

Würth stellt sich hinter die Ampelregierung

Auch auf die Bundesregierung nimmt der Unternehmer in dem Schreiben Bezug. So beschreibt er zwar, dass die Politiker manchmal „wie ein Hühnerhaufen durcheinanderlaufen“, aber dennoch gute Gesetze auf den Weg gebracht hätten. Und er lobt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für seine klare Haltung gegen die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper.

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In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Kritik an Unternehmern und Wirtschaftsentscheidern, dass sie sich nicht deutlich gegen die AfD positionieren. Nach und nach äußerten sich immer mehr Manager. Nach beispielsweise Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, Evonik-Chef Christian Kullmann und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing folgte mit dem Schreiben nun auch Traditionsunternehmer Reinhold Würth.

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