Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum zweiten Mal binnen zwei Wochen vor CSU-Politikern in Wildbad Kreuth ihre Strategie verteidigt, die Flüchtlingskrise in einer gesamteuropäischen Anstrengung zu lösen. Gleichzeitig nannte sie erstmals ein Datum, um notfalls von ihrem so genannten „Plan A“ abzulassen. Frühestens in der zweiten Februarhälfte wolle sie eine „Zwischenbilanz“ ziehen, sagte Merkel beim Besuch der CSU-Landtagsfraktion am Mittwochabend.
Bis dahin will die Kanzlerin zunächst noch einmal mit der Türkei verhandeln, die beim Flüchtlingsstrom eine „Schlüsselrolle“ spielen. Daran schließen sich eine Geberkonferenz Anfang Februar in London und Mitte Februar ein EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise an. Bis dahin dürfte sich abzeichnen, ob Merkel doch noch die ablehnende Phalanx der meisten EU-Mitgliedsstaaten durchbrechen kann, die weder Flüchtlinge aufnehmen noch sich an der Finanzierung beteiligen wollen.
Reaktionen zu möglichen Grenzschließungen
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverband BGA, warnt im "Tagesspiegel" vor Grenzschließungen. Rund 70 Prozent des deutschen Außenhandels würden innerhalb Europas abgewickelt. "Vor diesem Hintergrund werden sich die Kosten alleine für die internationalen Straßentransporte um circa drei Milliarden Euro verteuern."
"Durch Staus und Wartezeiten, zusätzliche Bürokratie oder zum Beispiel die Umstellung von Just-in-time-Lieferung auf deutlich teurere Lagerhaltung können sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren", mahnt DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben.
Der Vize-Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte der "Rheinischen Post": „Die Schließung der deutschen Grenzen wäre ein Debakel für die Flüchtlinge, für die Wirtschaft, aber auch für Millionen Pendler und Urlauber.“
"Verstärkte Kontrollen ist was anderes, aber eine komplette Schließung ist absolut illusorisch. Und man sollte den Leuten da keine Scheinlösungen anbieten“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Deutschlandfunk.
"Wenn die Grenzen geschlossen würden, ist Schengen gefährdet. Das hat ebenfalls große Auswirkungen auf Deutschland, auf Arbeitsplätze in Deutschland", sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet.
In vier Wochen spätestens müsste sich Merkel dann entscheiden, ob sie dem Drängen der CSU und vieler CDU-Mitglieder folgt, auf „Plan B“ umzuschwenken. Dieser sieht nationale Maßnahmen vor, angefangen von einer Grenzsicherung bis hin zu Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Genau dies fordert die CSU in Wildbad Kreuth erneut. Parteichef Horst Seehofer hatte Anfang Januar bereits eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen benannt, die Deutschland jährlich bewältigen könne. Merkel befürchtet bei nationalen Abschottungsmaßnahmen jedoch einen massiven Schaden für die EU-Einheit, abgesehen von der praktischen Frage, ob Deutschland seine Grenzen wirklich lückenlos kontrollieren kann.
Den Druck auf Merkel hat unterdessen der Beschluss der österreichischen Regierung erhöht, in diesem Jahr nur noch 37.500 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen; im vorigen Jahr stellten rund 90.000 Menschen in der Alpenrepublik einen Asylantrag. Außerdem verstärkt Österreich seine Grenzkontrollen und errichtet einen mehr als drei Kilometer langen Grenzzaun am Übergang Spielfeld zu Slowenien. Im Gespräch ist auch eine Verstärkung durch deutsche Polizisten.