Die große Koalition hat sich auf ein Fracking-Gesetz geeinigt und überlässt den Bundesländern die Entscheidung über die umstrittene Methode zur Erdgasförderung. Der Kompromissvorschlag sehe vor, dass Probebohrungen nur mit Zustimmung der Landesregierungen erfolgen können, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag. Sogenanntes unkonventionelles Fracking, das Umweltschützer besonders kritisieren, soll unbefristet verboten werden. Die Fraktionen von Union und SPD stimmten beide mit großer Mehrheit zu.
Der Bundestag soll das Fracking-Gesetz bereits am Freitag verabschieden. Es lag nach einem Kabinettsbeschluss über ein Jahr auf Eis, da es Mitgliedern beider Regierungsfraktionen nicht streng genug war. „Dieses Gesetz schließt Fracking in Deutschland quasi aus“, sagte der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei Probebohrungen eine Expertenkommission einen Erfahrungsbericht erstellt, die Entscheidung soll aber am Ende beim Bundestag liegen. „Ich glaube, damit schaffen wir Sicherheit für die Unternehmen, vor allen Dingen aber Schutz für die Bürger“, sagte Oppermann.
Fracking
Fracking an sich war gar nicht verboten. Es gab nur ein Moratorium, also eine Art Stillhalteabkommen der Gasförderer mit der Politik. Sie stellten keine Anträge und warteten auf ein Gesetz. Fracking in Sandstein, sogenanntes konventionelles Fracking, gibt es in Deutschland seit den 60er Jahren. Meist ist mit Fracking aber die „unkonventionelle“ Förderung von Gas etwa in Schiefergestein gemeint. Das ist die Methode, die aus den USA bekannt ist. Unkonventionelles Fracking wird verboten – höchstens vier Probebohrungen in ganz Deutschland zu wissenschaftlichen Zwecken werden erlaubt.
Die Länder dürfen entscheiden, ob es bei ihnen Probebohrungen für die Wissenschaft geben soll. Keinem Bundesland kann Fracking „aufgezwungen“ werden. Das freut vor allem Nordrhein-Westfalen, wo Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gleich sagte, mit ihr werde es das nicht geben. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies ist ebenfalls zufrieden – er will der konventionellen Förderung in Niedersachsen „eine Zukunft geben“.
Es ist überall dort verboten, wo es ums Trinkwasser geht - in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten, an Talsperren und Seen wie dem Bodensee, die zur öffentlichen Wasserversorgung dienen. Nicht nur das Bergrecht, auch das Wasserrecht bestimmt künftig, wo Erdgas so gefördert werden darf. Die kommunale Wasserwirtschaft und die Wasserversorger finden das gut: „Es trägt zum Trinkwasserschutz bei. Die derzeit unklare Lage schadet dem Schutz unserer Wasserressourcen“, sagt Martin Weyand, der Hauptgeschäftsführer der Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Der ursprüngliche Gesetzentwurf, den das Kabinett im April 2015 verabschiedet hatte, war nicht so streng wie der jetzt gefundene Kompromiss. Fracking ist in vielen Wahlkreisen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ein gewaltiges Thema – sowohl in der Union als auch bei der SPD forderten daher Abgeordnete Nachbesserungen. In SPD-Kreisen hieß es zuletzt, der Entwurf liege bei den Fraktionschefs, aber die Union blockiere eine Einigung.
Grüne und Linke sind, jedenfalls auf Bundesebene, gegen Fracking mit Chemikalien. Erst im April hatten die Grünen mit einem Gesetzentwurf den Bundestag aufgescheucht. Sie wollten Fracking nach dem Bergrecht verbieten und darüber namentlich abstimmen lassen – keine einfache Sache für Abgeordnete, die in den heimatlichen Wahlkreisen nicht als Fracking-Freunde dastehen wollten. In Fraktionskreisen wurde geseufzt: „Bei dem Thema kann man nur verlieren.“
Weder SPD noch die Union haben Interesse daran, sich im Wahlkampf mit dem Aufreger-Thema Fracking herumzuschlagen. Eine Einigung vor der Sommerpause hilft allen. Den Ausschlag gab wohl Druck aus Niedersachsen, wo rund 95 Prozent der deutschen Erdgas-Vorkommen liegen. Förderunternehmen dort hatten angekündigt, wieder Anträge zu stellen, auf die sie freiwillig verzichtet hatten. Ein guter Anlass für die Bundes-Fraktionschefs Thomas Oppermann und Volker Kauder, die Sache zu klären.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nennt die Einigung „haarsträubend“. Die Gefahren, die die Methode für Gesundheit, Natur und Trinkwasser berge, seien nicht gebannt, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Umweltschützer befürchten vergiftetes Trinkwasser oder sogar Erdbeben durch Fracking. Zudem werde die Ära der fossilen Brennstoffe verlängert. „Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden, müssen Kohle-, Öl- und Gasvorräte im Boden bleiben“, fordern Umweltschützer.
Beim Fracking wird aus tiefen Gesteinsschichten unter hohem Druck und Chemikalien-Einsatz Gas gewonnen. Gegner befürchten unter anderem, dass das Grundwasser belastet wird und es zu Erdbeben kommt. Die grüne Energiepolitikerin Julia Verlinden kritisierte, die große Koalition wolle das Gesetz „im Windschatten von Brexit-Abstimmung und Fußball-EM“ beschließen, und sprach von einem „Fracking-Erlaubnis-Paket“. Erst im April hatten Grüne und Linke Anträge für ein Fracking-Verbot in den Bundestag eingebracht und damit die Debatte neu entfacht.
Die Koalition war unter Druck geraten, nachdem Unternehmen in Niedersachsen angekündigt hatten, Fracking-Anträge zu stellen. Sie hatten darauf über Jahre freiwillig verzichtet. Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hatte angekündigt, notfalls eine Regelung auf Länderebene zu treffen. „Damit hat sich der Druck, den ich in den letzten Tagen noch einmal aufgebaut habe, ausgezahlt“, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) begrüßte die Einigung. „Es macht keinen Sinn, diese Technologie in Nordrhein-Westfalen voranzubringen“, sagte sie den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Mittwoch). Entscheidend sei, dass das Gesetz des Bundes die Entscheidung der Landesregierung gegen Fracking nicht aushebeln könne.
Konventionelles Fracking in Sandstein gibt es in Deutschland schon lange. Künftig soll es nicht mehr wie bisher nur durch das Bergrecht, sondern auch durch das Wasserrecht reguliert werden. Unkonventionelles Fracking in anderen Gesteinsarten, etwa zur Förderung von Schiefergas, wird vor allem in den USA betrieben.