Görlachs Gedanken

Warum Deutschland der Kollaps droht

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Kollektive Zukunftsverneinung

In den drei Bundesländern, in denen der Wahlkampf tobt, führt die CDU einen erbitterten Anti-Ausländer-Wahlkampf. Die ansonsten so sympathische Julia Klöckner lässt nicht locker mit ihren immer weiter gehenden rhetorischen Forderungen gegenüber Ausländern. Davon wird kein einziger Flüchtling schneller registriert, oder gar das nach bleierner SPD-Vetternherrschaft geführte Rheinland-Pfalz in eine goldene Zukunft geführt. Aber diejenigen, die menschenfeindliche Ressentiments pflegen, werden in ihrer Haltung bestätigt. Selbstverständlich wollen Politiker wie Klöckner keine Gewalt gegen Flüchtlinge, keine brennenden Unterkünfte. Aber leider befeuern sie mit ihrer Rhetorik den Rechtsruck im Land, der am Ende zu weniger Freiheit für alle führen wird. Die Union, allen voran die hässliche Tante aus Bayern, waren schon immer gut darin, rechts von sich abzuschöpfen und in den demokratischen Diskurs zurück zu führen. Das muss man nicht mögen, hat aber verhindert, dass sich dauerhaft neben der Union etwas Rechtes im politischen Betrieb der Republik festgesetzt hätte.


Die Union hat sich aber in den vergangenen Jahren modernisiert, liberalisiert. Das ist alles unter Kanzlerin Angela Merkel geschehen: die Integrationsgipfel, die Islamkonferenz. Und ein Bundespräsident aus den Reihen der Konservativen erklärte, der Islam gehöre zu Deutschland. Die Union wirft sich nun selbst in diesen Landtagswahlkämpfen um dieses Jahrzehnt zurück - und sie hat ja keinen Erfolg damit: sie schmiert in den Umfragen ab. Nicht, weil Merkel abgestraft würde (ihre Beliebtheitswerte sind wieder gestiegen, die Deutschen trauen ihr zu, die Flüchtlingskrise zu gestalten), sondern umgekehrt, weil die Landesgrößen der CDU mit ihren Distanzierungsversuchen die Union insgesamt diskreditiert und als ernsthafte, gemeinsam agierende politische Kraft in Frage stellt.

Anders als in Italien (wo Berlusconi erster "neuer" Populist des Kontinents war), Frankreich (LePen), Niederlande (Wilders), England (Farage) oder den USA (Trump) gibt es in Deutschland noch nicht eine starke Person, die diese kollektive Zukunftsverneinung, diese Angst vor Veränderung politisch für sich zu nutzen versteht. Das kann sich aber schnell ändern.

Das Abendland davor zu bewahren heißt: weder die AfD noch Pegida als Besorgtheits-Indikatoren klein zu rechnen, sondern als die Gefahr zu brandmarken, die sie für unsere freiheitliche Grundordnung in Deutschland darstellen. Man soll in hundert Jahren nicht sagen müssen: mit einem Bahnhof in Stuttgart hat alles angefangen.

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