GroKo-Sondierungen Klimaziel ade

Bei den Sondierungsgesprächen am Montag ist noch vieles unklar geblieben. Eine erste Einigung erzielten die Verhandler von Union und SPD allerdings doch: Das Klimaziel für 2020 soll keine Rolle mehr spielen.

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Die GroKo-Sondierer haben sich von den Klimazielen für 2020 verabschiedet. Quelle: dpa

Berlin Die Sondierer von CDU, CSU und SPD wollen ein Thema möglichst schnell vom Tisch haben: die Energie- und Klimapolitik. Am Montag verständigten sie sich darauf, sich vom deutschen Klimaziel für 2020 zu verabschieden. In einem dem Handelsblatt vorliegenden Papier, das die Ergebnisse der Verhandlungen vom Montag für dem Komplex Klimaschutz, Energie und Umwelt zusammenfasst, heißt es zwar, Deutschland bekenne sich „zu den Klimaschutzzielen für 2020, 2030 sowie zum langfristigen Ziel einer weitgehenden Treibhausgasneutralität zur Mitte des Jahrhunderts“. Zwei Sätze weiter heißt es allerdings, das Ziel für 2020 werde „aus heutiger Sicht nicht erreicht werden“. Man werde daher ein Maßnahmenpaket vereinbaren, mit dem die Lücke bis zur Erreichung des Ziels „so weit wie möglich geschlossen und das Ziel am Anfang der 2020er-Jahre erreicht wird“, heißt es in dem Papier weiter.

„Wir müssen uns da ehrlich machen“, sagte einer Sondierer dem Handelsblatt. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken, sei „vor dem Kernenergieausstieg und ohne Berücksichtigung von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum festgelegt.“ Man wolle „teuren Aktionismus vermeiden“, hieß es weiter. Stattdessen wolle man dafür sorgen, dass das völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziel für 2030 erreicht werde.

Die Kritik von Klimaschützern ließ nicht lange auf sich warten. „Es wäre eine verheerende Entscheidung, wenn eine neue Große Koalition als Erstes vereinbart, das deutsche Klimaziel für 2020 zu widerrufen. Frau Merkel und Herr Schulz haben im Wahlkampf das Einhalten des 2020-Ziels versprochen, das müssen sie jetzt einlösen“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Massive Kritik kam auch von Annalena Baerbock, Klimapolitikerin der Grünen: „Die Aufgabe des 2020-Klimazieles ist Ausdruck des klimapolitischen Versagens der Großen Koalition über die letzten vier Jahre“, sagte Baerbock.

Das Klimaziel für 2020 galt jahrelang als sakrosankt. Versuche, es aufzuweichen, scheitern immer wieder am massiven Widerstand von Klimaschützern. Bei den Jamaika-Verhandlungen Ende vergangenen Jahres erwies sich das Thema als schwere Hypothek. Grünen-Politiker pochten auf die sofortige Abschaltung von Kohlekraftwerken, um das Ziel noch zu erreichen. Mit dieser Forderung stießen sie jedoch auf großen Widerstand insbesondere in der FDP.

„Gerade die Aufgabe des unerreichbaren nationalen Klimaziels war eine der Forderungen der FDP, die in den Jamaika-Sondierungen nicht nur von den Grünen, sondern vor allem von der Union abgelehnt wurde“, sagte FDP-Präsidiumsmitglied Hermann Otto Solms dem Handelsblatt. „Dagegen gestellt wurde ein kurzfristiger, drastischer Abbau der Kohleverstromung mit gravierenden Folgen für die Versorgungssicherheit und für die Mitarbeiter in den betroffenen Regionen.“ Sollte es sich bewahrheiten, dass die CDU der SPD zugestehe, das nationale Klimaziel 2020 aufzugeben, „dann zeigt dies, welch doppeltes Spiel die CDU spielt“, sagte Solms.

Außerdem bekannten sich die Sondierer am Montag dazu, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zu erhöhen. Sie versahen diese Zusage allerdings mit einer wichtigen Bedingung: „Voraussetzung ist die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze“, heißt es in dem Papier. Es seien „intensive Anstrengungen zum Ausbau und zur Modernisierung der Energienetze geboten“.

Darüber hinaus werde man „die Finanzierung der Energiewende überprüfen und neu justieren“. Vornehmlich gehe es „um eine Reduzierung des Staatsanteils an den Stromkosten“.

Bereits am Sonntag hatte sich die Arbeitsgruppe Finanzen auf einen gemeinsamen Finanzrahmen geeinigt, der von einem zusätzlichen Spielraum von 45 Milliarden Euro bis 2021 ausgeht. Die Einigung auf die finanziellen Spielräume gilt als Grundlage für die Beratungen, weil danach klar wird, welche Projekte finanziert werden können. „Wir wissen um die begrenzten Finanzspielräume“, sagte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner.

Zudem einigte man sich darauf, die Eingangsgrenze für den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Er hatte 2016 noch 53.700 Euro betragen und steigt 2018 auf 54.950 Euro. Künftig soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab 60.000 Euro greifen. Die Erhöhung ist seit Jahren im Gespräch, weil mehr und mehr Arbeitnehmer und Personengesellschaften davon betroffen sind. Die Erhöhung der Grenze auf 60.000 Euro würde zumindest einen Teil derjenigen entlasten, bei denen in den vergangenen Jahren der Spitzensteuersatz gegriffen hat.

Einig seien sich CDU, CSU und SPD zudem, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, hieß es in Verhandlungskreisen. Unklar blieb zunächst der Umfang. Strittig ist die SPD-Forderung, zur Gegenfinanzierung höhere Einkommen stärker zu belasten. Dies lehnt die Union bisher ab. Im Prinzip gebe es zudem Einigkeit, den Solidaritätszuschlag schrittweise abzubauen. Auch hier sei der Weg aber unklar. Der DIHK warnte vor einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes. „Wer in diesen Zeiten über Steuererhöhungen auch nur nachdenkt, betreibt ein gefährliches Spiel“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer.

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