Sinkende Immobilienpreise treffen auf gestiegene Finanzierungskosten. Die Folge: Die Steuereinnahmen aus dem Grunderwerb brechen dramatisch ein. Im ersten Halbjahr 2023 nahm der Fiskus 33,5 Prozent weniger ein als im Vorjahreszeitraum.
Insgesamt generierten die Bundesländer Einnahmen von 6,3 Milliarden Euro aus der Grunderwerbsteuer. Der tiefste Stand seit dem zweiten Halbjahr 2016 – damals spülte die Grunderwerbsteuer rund 6,2 Milliarden Euro in die Kassen.
Gründe für den Sturz gibt es viele. Ein Beispiel: die gestiegenen Bauzinsen. Ab Januar 2022 stiegen die anfallenden Bauzinsen stark an. Zwischen September 2022 und November 2023 lag der Zins bei über drei Prozent. Zum Jahresbeginn sanken die bestmöglichen Zinsen für eine zehnjährige Baufinanzierung auf rund 2,9 Prozent.
Der Grund für den starken Anstieg der Zinsen liegt im Kampf der Europäischen Zentralbank gegen die Inflation. Nach und nach hob sie die Zinsen an, um die Teuerungen abzufangen. Mit Blick auf eine nahende Zinssenkung pries der Immobilienmarkt diese bereits ein. Seitdem sinken die Bauzinsen wieder. Zwar beeinflusst der Leitzins der EZB nur indirekt die Bauzinsen selbst, jedoch besitzt er Einfluss auf die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen.
Auch das Statistische Bundesamt sieht in den gestiegenen Finanzierungskosten den Grund für die gedämpfte Kaufnachfrage. Der durchschnittliche Kaufwert für Bauland lag im ersten Halbjahr 2023 bei 122,13 Euro pro Quadratmeter – im Vorjahreszeitraum waren es noch 141,58 Euro. Insgesamt lag die Kaufsumme bei rund vier Milliarden Euro, im ersten Halbjahr 2022 fiel sie mehr als doppelt so hoch aus.
Den Einbruch der Transaktionen sieht Michael Voigtländer, Immobilienökonom vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, schwerwiegender an als den Zinsanstieg. „In vielen Großstädten ist die Zahl der Transaktionen um 50 Prozent gesunken“, erläutert er und führt fort, „auch aktuell ist das Transaktionsgeschehen noch sehr überschaubar, es könnte aber etwas aufwärts gehen, ebenso wie die Preise. Für 2024 gehe ich aber eher von einem nur leichten Anstieg der Steuereinnahmen aus.“
Ein weiterer signifikanter Faktor für den Rückgang der Grunderwerbsteuer-Einnahmen ist der Rückgang der Kaufpreise für Wohnungen und Häuser. Der Häuserpreisindex sank in den ersten sechs Monaten 2023 um 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut Destatis setzt sich dieser Trend weiter fort. Im dritten Quartal 2023 verzeichnete der Häuserpreisindex einen Rekordrückgang von 10,2 Prozent.
Der Kaufpreis ist dabei entscheidend für die Steuereinnahmen vom Grunderwerb. Denn die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist die Gegenleistung für den Erwerb des Grundstückes – also vor allem der notarielle Kaufpreis. Mit dem Einbruch der Immobilienpreise sanken somit auch die Einnahmen, die die Bundesländer generieren konnten.
Auffällig dabei: Berlin und Hamburg konnten die höchsten Einnahmen pro Kopf erzielen. Unter den Flächenländern verzeichnete Brandenburg mit 103,38 Euro die höchsten Pro-Kopf-Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. In Sachsen und Thüringen hingegen fielen sie nicht einmal halb so hoch aus. Und auch in Bayern lagen die Einnahmen mit 56,42 Euro pro Einwohner unter dem Bundesdurchschnitt (74,56 Euro).
Neben den unterschiedlichen Immobilienpreisen in den verschiedenen Regionen spielt auch die Höhe der Grunderwerbsteuer eine Rolle für die Einnahmen. Die Bundesländer können die Höhe des Steuersatzes selbst bestimmen. Dieser lag im vergangenen Jahr zwischen 3,5 Prozent des Kaufpreises in Bayern und 6,5 Prozent in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein.
Schon seit längerer Zeit gilt die Steuer als umstritten. Im vergangenen Jahr forderte Finanzminister Christian Lindner (FDP): „Wenn es nach mir geht, sollte die Grunderwerbsteuer in den Ländern auf null gesenkt werden.“ Seitdem ist allerdings nicht viel passiert. Bis auf Thüringen hielten alle Länder an den bisherigen Steuersätzen fest. Das ostdeutsche Bundesland senkte hingegen zum Jahresbeginn die Steuer auf fünf Prozent des Kaufpreises – vorher waren es 6,5 Prozent. „Eine Senkung der Grunderwerbsteuer wäre insbesondere für private Haushalte wichtig, die Wohneigentum erwerben möchten. Denn selbst wenn die Kreditraten leistbar sind, scheitern viele Familien beim Kauf am fehlenden Eigenkapital – unter anderem weil schon viele Ersparnisse für die Grunderwerbsteuer verwendet werden“, ordnet Voigtländer ein. Die Senkung könne so den Markt stabilisieren. Durch die Steuersenkung wären erste Transaktionen wieder möglich und die Senkung würde sich teilweise selbst finanzieren.
Zuletzt forderte der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) in seinem Frühjahrsgutachten die Länder auf, „temporär“ auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten. Denn Deutschland müsse zunächst die Wohnkrise angehen. Das verheerende Resümee der Experten: Die Zahl neu gebauter Wohnungen wird bis 2026 auf 150.000 Einheiten pro Jahr schrumpfen. Der Wert liegt weit unter dem Neubauziel der Bundesregierung von 4000.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Durch die vorübergehende Abschaffung der Grunderwerbsteuer könnten Immobilienkäufer und Bauherren einen hohen Teil der Kosten einsparen.
Voigtländer sieht noch einen weiteren Punkt als Lösungsansatz: Nachrangdarlehen, also Eigenkapital-ersetzende Darlehen. „Auch damit könnten Haushalte leichter Wohneigentum erwerben. Die aktuelle Förderung von Familien, ist in jedem fall unzureichend“, erklärt er. Denn derzeit gäbe es nur günstige Darlehen, wenn das Einkommen bei drei Personen unter 90.000 Euro liege. Außerdem müsse ein besonders energieeffizientes Haus gekauft werden.
Während die Liberalen um Christian Lindner weiter auf die steuerliche Entlastung pochen, beurteilt Bauministerin Klara Geywitz (SPD) die Situation nicht so dramatisch wie die Experten. Die Auftragslage am Bau habe sich bereits verbessert, auch dank massiver Investitionen des Staates in Straßen und Schienen. Ob sich die streitenden Ampel-Parteien einigen können? Wahrscheinlich eher nicht, denn Geywitz hält trotz Zinsschock und Insolvenzwellen im Baugewerbe weiter an den ambitionierten Neubauzielen fest.
Mit Material von Reuters
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