Klaus-Peter Willsch Ein Euro-Rebell rechnet mit Merkels Rettungspolitik ab

Seit fünf Jahren stimmt CDU-Mann Klaus-Peter Willsch gegen die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung. Nun hat er ein Buch geschrieben, in dem er mit Angela Merkel und der Partei abrechnet. Eine Rezension.

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Euro-Rettungspolitik von Merkel und Draghi Quelle: dpa, Montage

Ohne Rettungsschirm geht der Euro unter. Davon sind die führenden Politiker in der EU überzeugt. Bei der entscheidenden Sitzung in Brüssel sind die wichtigsten deutschen Politiker aber nicht anwesend – Kanzlerin Angela Merkel weilt in Moskau und Finanzminister Wolfgang Schäuble liegt im Krankenhaus. Innenminister Thomas de Maizière springt ein und lässt sich über den Tisch ziehen. Am Ende steht der erste europäische Rettungsschirm mit einem Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro. Deutschland hat all seine Regeln und Grundsätze, nicht für die Schulden anderer Staaten einzustehen, über Bord geworfen.

So erinnert sich der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch an die Ereignisse im Mai 2010. Die Griechenlandkrise nahm seit einigen Wochen ihren Lauf. Willsch lehnte Finanzhilfen für Athen von Beginn ab, was ihn später den Spitznamen „Euro-Rebell“ einbringen sollte. Einen Begriff, den er stets ablehnte und der zu einer gewissen Verbitterung führte.

An Griechenland hängt mehr als nur der Euro

Willsch hat nun ein Buch veröffentlicht, in dem er mit der Rettungspolitik der Bundesregierung abrechnet. Es ist die Rettungspolitik seiner eigenen Kanzlerin, seiner eigenen Partei. In „Von Rettern und Rebellen“ zeichnet Willsch gemeinsam mit seinem Co-Autor und Büroleiter Christian Raap die vielen Einzelentscheidungen nach, die heute unter dem Schlagwort Euro-Rettung subsumiert werden: von Berlins einstiger Haltung, Griechenland keine Finanzhilfen gewähren zu wollen, über das erste und zweite Hilfspaket, Finanzspritzen für Portugal, Spanien, Irland und Zypern bis hin zu den temporären und permanenten Rettungsschirmen.

"Stabilitätsarchitektur der Währungsunion hinweggefegt"

Willschs Buch ist eine akribische Chronologie der letzten fünf Jahre. Er zitiert aus Interviews, Reden und öffentlichen Wortmeldungen, will transparent machen, wann und wie sich die Bundesregierung zu welcher Entscheidung durchgerungen hat.

Über die eingangs geschilderte Entscheidung für einen temporären Rettungsschirm schreibt er: „Jetzt waren die Hilfen, für die es noch gar keinen konkreten Adressaten gab, nicht mehr freiwillig und bilateral, sondern gemeinschaftlich und verpflichtend. Die alten Scheinargumente hatten übers Wochenende ausgedient. Drei entschlossene Franzosen in Schlüsselpositionen – Trichet, Strauss-Kahn und Sarkozy – hatten im Handstreich die Stabilitätsarchitektur der Währungsunion hinweggefegt.“

Der Euro-Rebell macht keinen Hehl aus seiner Meinung. Genau das macht das Buch lesenswert. Es liest sich wie das Tagebuch eines Mannes, der zwar nicht in der vordersten Politikreihe dabei war, aber trotzdem nah genug dran, um die entscheidenden Weichenstellungen genau nachvollziehen zu können.

Er ist enttäuscht, weil seine Partei einst versprach, der Euro werde nie dazu führen, dass Deutschland für andere EU-Länder zahlt. Da er an diesem Versprechen festhalten wollte, gilt er heute als isoliert.

Seine Schwäche: Willsch wird persönlich

An wenigen Stellen wird Willsch persönlich und für die Betroffenen wohl auch verletzend: So schildert er beispielsweise, dass das Verhältnis zu Fraktionschef Volker Kauder mittlerweile zerrüttet sei – ebenso zu Finanzminister Schäuble. Steffen Kampeter, früherer Finanzstaatssekretär, bezeichnet er im Buch ironisch als „Koryphäe“ und stellt damit offen dessen Kompetenz in Frage.

Und Norbert Barthle, der ab 2009 den Haushaltsausschuss leitete, stellt er als treudoofen Erfüllungsgehilfen dar.

Kleine Anekdoten, wie die über Peter Tauber, machen das Buch für all jene zur Pflichtlektüre, die an den Details des Berliner Politikbetriebs interessiert sind. Tauber ist seit 2013 Generalsekretär der CDU und damit eine Vertrauenspersonen für die Bundeskanzlerin.

Die größten Pleitestaaten der Welt
Norwegische Insel Quelle: dpa
Reichstag Quelle: dpa
Gracht in Amsterdam Quelle: AP
Akropolis Quelle: AP
Brunnen am österreichischen Parlamentsgebäude Quelle: dpa
Schweizer Flagge Quelle: dpa
Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

Im Juni 2011 war Tauber aber noch einfacher Bundestagsabgeordneter, der sich als Netzpolitiker einen Namen machte. Über ihn schreibt Willsch: „Er rechnete in sieben Punkten mit der Bailout-Politik der Bundesregierung ab. Er zitierte Thomas Mayer, den damaligen Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der den Umgang mit der griechischen Schuldenkrise mit einer unterlassenen Blinddarmoperation verglichen hatte. Nur Schmerzmittel – also neue Kredite – halfen nicht. Wer sich einer Operation verweigere, sterbe wahrscheinlich. Mein hessischer Kollege warf der Bundesregierung Konzeptlosigkeit vor.“

Willsch hat zu oft widersprochen

Aus Bundestagsprotokollen zitiert Willsch Tauber schließlich mit den Worten. „Der vorliegende Entschließungsantrag trägt den von mir vorgetragenen Punkten nicht Rechnung. Eine Zustimmung hierzu ist mir aus vorgenannten Gründen nicht möglich.“

Heute hat Tauber eine exponierte Stellung in der CDU inne. Bauchschmerzen artikuliert er weiterhin, wenn es um neue Milliardengelder für Griechenland geht. Er trägt die Eurorettungspolitik der Kanzlerin aber im Wesentlichen mit.

Während Tauber in die Führungsriege der CDU aufrückte, wurde Willsch degradiert. Der Hesse war zweiter Mann der Union im Haushaltsausschuss – bis zur Bundestagswahl 2013. Danach entfernte ihn die Fraktionsführung von dem wichtigen Posten, weil er der Regierungslinie zu oft widersprochen hatte. „Ich wäre heute wohl haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aber ich trauere dem nicht nach“, schreibt Willsch.

Es fällt schwer, dies zu glauben.

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