Maßnahmen gegen Fake-News Facebook soll für Falschmeldungen haften

Mögliche Medien-Manipulationen vor der Bundestagswahl alarmieren die Politik. Im Fokus steht insbesondere das soziale Netzwerk Facebook als Verbreiter von Falschmeldungen. Das soll nicht ohne Konsequenzen bleiben.

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Die Politik erwägt wegen der Verbreitung von Falschmeldungen strengere Vorschriften für soziale Netzwerke.

Berlin Der US-Internetkonzern Facebook steht nach Vorwürfen der Desinformation im US-Wahlkampf unter erheblichem Druck. Nun will der US-Internetkonzern mit einer Reihe von Maßnahmen den Kampf gegen erfundene Nachrichten aufnehmen. Die Politik in Deutschland hat jedoch bisher keine guten Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen des Plattformbetreibers gemacht, wie das Thema Hasskommentare zeigt. Daher wird hierzulande längst ein härteres Vorgehen gegen soziale Netzwerke diskutiert.

So wird in der Union erwogen, Facebook & Co. unter das Presserecht zu stellen, um die Netzkonzerne für Falschmeldungen haftbar machen zu können. Der medienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz (CDU), zeigte sich offen für einen Vorstoß seines Parteifreundes Ruprecht Polenz, Facebook bei der Haftung für Inhalte wie Presseverlage zu behandeln. „Der Vorschlag, das Presserecht auf soziale Medien auszudehnen, bedarf ebenso gründlicher Prüfung wie anderweitige Regulierungsansätze und gegebenenfalls Ansätze im Strafrecht“, sagte Wanderwitz dem Handelsblatt. Der Handlungsbedarf sei in den letzten Monaten „offensichtlich“ geworden. Medien- und Rechtspolitik sollten daher gemeinsam Lösungen finden.

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Polenz hatte zuvor entsprechende Konsequenzen aus den Falschmeldungen oder Geheimdienstkampagnen in den sozialen Medien zur Beeinflussung von Wahlkämpfen gefordert. „Längst nutzen Anbieter die sozialen Medien wie eine Zeitung oder einen Rundfunksender zur Verbreitung ihrer Meinung und Nachrichten - ohne den Bestimmungen des allgemeinen Presserechts zu unterliegen. Das sollte rasch geändert werden“, schrieb der frühere Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats auf seiner Facebook-Seite. „Es geht nicht darum, Fake News zu verbieten“, fügte Polenz hinzu. „Sondern es geht darum, die Haftungsfrage so zu regeln, wie das im Presserecht üblich ist.“

Der CDU-Politiker Wanderwitz warnte aber auch vor Schnellschüssen bei dem Thema. Klar sei aber, dass soziale Netzwerke wie Facebook, sobald sie auf Falschmeldungen aufmerksam gemacht würden, diese schneller als bislang löschen müssten. Dafür seien bereits jetzt die Plattformbetreiber aufgerufen, „zeitnah ihre Algorithmen fit zu machen“. „Selbstregulierung“, so Wanderwitz, „ist immer das beste Mittel, auch das beste gegen Regulierung.“

Die SPD hatte die anderen Parteien bereits am Montag zum Schulterschluss gegen sogenannte „Fake News“ aufgerufen. Bei Zweifeln an der Echtheit von Informationen solle auf Attacken gegen den politischen Gegner verzichtet werden. Die Sozialdemokraten streben dazu eine gemeinsame Selbstverpflichtung der Parteien an. Parteichef Sigmar Gabriel schrieb im Kurzmitteilungsdienst Twitter: „Wir @spdde fordern Schulterschluss der Demokraten gegen Mittel wie manipulative „Social Bots“ und den gemeinsamen Kampf gegen „Fake News“!“

Tatsächlich sieht Facebook in der Anpassung von Algorithmen eine Möglichkeit, gegen Fake News vorzugehen. Der Konzern will es seinen Nutzern künftig erleichtern, gefälschte Artikel zu kennzeichnen. Zusätzlich sollen externe Stellen Berichte auf ihre Richtigkeit hin überprüfen, wie Facebook am Donnerstag mitteilte. Dafür sei eine Zusammenarbeit vereinbart mit den Medien ABC News und Associated Press sowie mit der Website Snopes, die auf die Fakten-Kontrolle spezialisiert sei. Als gefälscht identifizierte Berichte würden als "umstritten" gekennzeichnet und rutschten im Nachrichtenangebot nach unten.

Eine Flut gefälschter Nachrichten im Vorfeld der US-Präsidentenwahl Anfang November hatte Facebook herbe Kritik eingebracht. In dem sozialen Netz wurde unter anderem fälschlich berichtet, Papst Franziskus befürworte die Wahl des schließlich siegreichen Immobilien-Milliardärs Donald Trump. Bisher hat sich das Unternehmen von Mark Zuckerberg bei der Überprüfung von Beiträgen im Wesentlichen auf Hinweise der eigenen Nutzer verlassen. Auf diese Weise kritisierte Artikel wurden von Facebook-Angestellten daraufhin überprüft, ob sie den Mitgliedsbestimmungen des Netzwerks entsprechen.


Grüne bringen Gegendarstellungspflicht für Facebook ins Spiel

Der CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling verdächtigt überdies Moskau, die Meinungslage in Deutschland vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 beeinflussen zu wollen. „Russland hat ein Interesse daran, unsere Gesellschaft zu spalten und zu verunsichern“, sagte der CDU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“). „Die Gefahr ist groß.“

Am vergangenen Wochenende hatten Medien über die Einschätzung des US-Geheimdienstes CIA berichtet, dass russische Hacker im Präsidentschaftswahlkampf gezielt Informationen von Computern der Demokratischen Partei gestohlen hätten, um dem Republikaner Trump zum Sieg zu verhelfen. Die russische Regierung hatte dies zurückgewiesen.

Der CSU-Politiker Stephan Mayer sieht auch Parteien und politische Organisationen durch zunehmende Hackerangriffe bedroht. Auch Desinformationen seien ein Problem. Den Tätern gehe es darum, mit falschen Informationen eine bestimmte Wirkung zu erzielen und etwa das Surfverhalten zu beeinflussen, sagte Mayer zu Reuters.

Zusätzlich Brisanz erhält die Debatte durch die Grünen-Politikerin Renate Künast, die gegen eine Falschnachricht auf Facebook vorgeht. Von der früheren Agrarministerin war ein erfundenes Zitat veröffentlicht worden. Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zufolge stellte sie Strafanzeige gegen die Macher der Seite sowie gegen Unbekannt. In dem Magazin kritisierte sie, dass es trotz der eindeutigen Sachlage gut drei Tage gedauert habe, bis der Eintrag von Facebook gelöscht worden sei.

Der SPD-Digitalexperte Gerold Reichenbach brachte ebenfalls das Pressrecht gegen Facebook in Stellung. Im Radiosender SWRInfo beklagte er, dass soziale Medien „fast wie Publikationsorgane wirken, aber nicht unter die Gesetzgebung fallen“. Facebook oder Twitter verträten die Auffassung, nur die Internetplattform zur Verfügung zur Verfügung zu stellen und nicht für die Inhalte verantwortlich zu sein. „An der Stelle müssen wir ran“, sagte Reichenbach und forderte, die Netzwerkbetreiber unter das Presserecht zu stellen. Dann ließen sich etwa prominent platzierte Gegendarstellungen durchsetzen.

Ähnlich argumentiert die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner. „Absichtlich getätigte Falschmeldungen in sozialen Medien sind tatsächlich ein Problem, was dringend angegangen werden muss“, sagte Rößner dem Handelsblatt. Dazu gehöre aber vor allem, dass das Verfahren der Löschung verbessert werden müsse.

Eine Ausweitung der presserechtlichen Verantwortlichkeit sieht Rößner skeptisch. „Soziale Plattformen sind zunächst keine Presseunternehmen mit redaktioneller Verantwortung“, sagte die Grünen-Politikerin. Allerdings hätten sie mittlerweile einen „entscheidenden Anteil am Meinungsbildungsprozess“. „Deshalb ist genau zu prüfen, wie man diese Verantwortlichkeit adressiert, etwa indem an geeigneter Stelle auch auf den sozialen Plattformen eine Gegendarstellung oder Kenntlichmachung einer Falschmeldung erfolgen könnte“, schlug Rößner vor.


Datenschützer gegen Straftatbestand zu Falschmeldungen

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sieht indes keine Chance, Facebook & Co. mit presserechtlichen Maßnahmen zu regulieren. „Ganz klar ist: Facebook, Twitter und andere Plattformen im Digitalen sind keine Medien. Deshalb kann für sie nicht das Presserecht gelten“, sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall dem Handelsblatt. „Aber es gibt längst die sogenannte Verbreiterhaftung, nach der der Betreiber eines Forums zu belangen ist, wenn strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet werden.“ Nötig seien daher „keine neuen Gesetze, sondern eine konsequente Anwendung der bestehenden“.

Auf wenig Zuspruch stößt auch die Forderung des CSU-Innenexperten Mayer nach einem Straftatbestand für Desinformationskampagnen. Das Strafgesetzbuch schütze Opfer von Falschmeldungen schon durch die Tatbestände der üblen Nachrede und der Verleumdung, sagte Caspar der Nachrichtenagentur Reuters. „Zum anderen würde eine strafrechtliche Erfassung des Verbreitens von falschen Nachrichten ohne Bezug zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erhebliche negative Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsäußerung haben“, fügte er hinzu. „Offene Gesellschaften müssen die Unwahrheit aushalten.“

Auch der CDU-Politiker Polenz hält nichts von dem CSU-Vorstoß. Er sieht mehr Vorteile durch ein presserechtliches Vorgehen. Bei den Printmedien und den klassischen elektronischen Medien sorge das Presserecht vor allem für Transparenz und biete „Möglichkeiten zur Gegenwehr“, etwa eine Verantwortlichkeit im Sinne des Presserechts oder einen Gegendarstellungs-Anspruch. „Außerdem verpflichten die Landesgesetze die Presse auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung und schreiben Sorgfaltspflichten vor“, so Polenz. Er gab zudem zu bedenken, dass nach dem Medienrecht der Autor beziehungsweise der Verantwortliche im Sinne des Presserechts und der Verlag haftet. „Facebook würde wie ein Verlag haften.“

Caspar, der unter den Datenschützern bundesweit die Aufgabe hat, sich um soziale Netzwerke wie Facebook zu kümmern, plädiert auch dafür, gegen die systematische Verbreitung von Falschmeldungen durch politische Parteien im Wahlkampf vorzugehen. Denn diese unterminierten das Vertrauen der Bürger. „Vorschriften zur Plattformhaftung können zur Eindämmung von rechtlich unzulässigen Inhalten beitragen“, sagte er zu Forderungen aus der Union, Bußgelder für Facebook oder Google einzuführen, wenn diese strafbare Inhalte nicht umgehend löschen.

Caspar warnte vor den Folgen der Manipulation. „Der Einsatz von Falschmeldungen auf der Basis zusammengefasster Massendaten kann den Wählerwillen deformieren und der Demokratie schweren Schaden zufügen“, sagte er in Anspielung auf die im US-Wahlkampf erstellten Persönlichkeitsprofile von Wählern. Besonders das Lager des künftigen US-Präsidenten Donald Trump soll dies benutzt haben, um Wähler individuell anzusprechen.

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