Mindestlohn Handwerk und Gewerkschaften wehren sich gegen Unionspläne

Am Abend treffen sich die Koalitionsspitzen. Die Union will die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn aufweichen. Die Gewerkschaften appellieren an die Arbeitsministerin – und erhalten Unterstützung aus dem Handwerk.

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Die Koalitionsspitzen arbeiten am Mindestlohn. Quelle: dpa

Berlin Führende Vertreter des Handwerks haben den Mindestlohn gegen Kritik verteidigt. Von einem „Bürokratiemonster“ könne keine Rede sein, heißt es in einem Schreiben des Vizepräsidenten des Deutschen Handwerkskammertages, Klaus Feuler, an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

„Wer seine Beschäftigten ehrlich bezahlen und nicht bewusst um Lohn prellen will, muss ohnehin die Arbeitszeit genau erfassen“, unterstreicht Feuler, der die Arbeitnehmerseite vertritt. Die Arbeitnehmervertreter in den Handwerkskammern hatten am Samstag über die Auswirkungen des Mindestlohns beraten.

Die Frage der Bürokratielasten ist Thema des Koalitionsgipfels am Sonntagabend. Die Partei- und Fraktionschefs möchten am Mindestlohn von 8,50 Euro zwar nicht rütteln. Aber nach zahlreichen Beschwerden der Wirtschaft will die Union erreichen, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit der Mitarbeiter nur noch bis 1900 Euro statt derzeit 2958 Euro Gehalt aufschreiben müssen. Dabei geht es um Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit. Das Treffen im Kanzleramt soll um 20 Uhr beginnen und ist auf mehrere Stunden angesetzt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich zuversichtlich gezeigt, dass das Mindestlohngesetz im Kern unverändert bleibt. „Ich gehe davon aus, dass im Koalitionsausschuss heute Abend dazu keine Änderungen vorgenommen werden“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am Sonntag im „Deutschlandfunk“ laut Vorabmeldung. Man werde feststellen, dass der Mindestlohn ein Erfolg sei. In Bereichen wie der gemeinnützigen Arbeit könne es klarere Definitionen geben. Das sei möglich und auch sinnvoll.

Er gehe aber davon aus, dass bei den von Union und Wirtschaft kritisierten Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nichts geändert werde. Dass der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde Arbeitsplätze vernichte, sei seit Inkrafttreten vor vier Monaten nicht zu beobachten gewesen, sagte Hoffmann.

Auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) aufgefordert, alle Änderungswünsche am Mindestlohn abzuwehren. Besonders bei der Frage der Dokumentationspflicht müsse die Ministerin „stabil und hart bleiben“, sagte IG-BAU-Chef Robert Feiger. Er zeigte sich andererseits fest davon überzeugt, „dass die Arbeitsministerin und die SPD am Gesetz nichts ändern wird“.


Soli und Kohle-Pläne auf der Tagesordnung

Die Dokumentationspflicht gilt für neun Branchen, die für Schwarzarbeit anfällig sind. Die SPD will an der 2958-Euro-Schwelle festhalten. CSU-Chef Horst Seehofer hatte im Vorfeld substanzielle Verbesserungen bei der Reduzierung des Verwaltungsaufwandes durch den Mindestlohn gefordert. Nahles soll am Abend einen umfassenden Bericht über mögliche Probleme und Korrekturen vorlegen. An dem Treffen im Kanzleramt nehmen neben CDU-Chefin Merkel und CSU-Chef Seehofer SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt teil.

Ein wichtiges Thema ist auch die Zukunft des Solidaritätsbeitrags. Die Union will eine stufenweise Abschaffung des „Soli“ bis 2029, die SPD sperrt sich bisher dagegen und will durch eine Eingliederung des „Soli“ in die Einkommensteuer Länder und Kommunen an den Einnahmen beteiligen. Seehofer spricht bei einer „Soli“-Abschaffung von der „größten Steuersenkung aller Zeiten“ mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro.

Ein weiteres Thema des Treffens soll auch der Umgang mit den steigenden Flüchtlingszahlen sein und die Verteilung der Kosten - hierzu ist aber ein eigenes Bund-Länder-Treffen am 8. Mai geplant. Ebenfalls Thema wird die von Wirtschaftsminister Gabriel geplante Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke sei, mit der das Ziel von 40 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 noch geschafft werden soll. Hier ist aber noch nicht mit einer Einigung zu rechnen.

Wenn alte Kraftwerke ein Kohlendioxid-Limit überschreiten, sollen 18 bis 20 Euro pro weiterer ausgestoßener Tonne CO2 fällig werden. Energiebranche und Gewerkschaften warnen vor dem Wegfall Tausender Jobs. Das Wirtschaftsministerium kündigte bereits Nachbesserungen an. Gabriel zeigte sich im Vorfeld verärgert über Merkel und die Union, weil man sich gemeinsam verständigt hatte, am 40-Prozent-Klimaziel nicht zu rütteln, er nun aber von der Union scharf attackiert wird.

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