Nach der Hamburg-Wahl Personen entscheiden die Wahl, nicht Politik und Programme

Nach der Hamburg-Wahl können sich mal wieder alle als Sieger fühlen. Alle? Nun ja: bis auf die CDU. Für die Christdemokraten gibt es nichts zu beschönigen.

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Die 16 Prozent sind ein historischer Tiefststand – und ein Alarmsignal für die Berliner Regierungspartei. Denn sie zeigen klar: Die blendenden Umfrageergebnisse auf Bundesebene sind zum größten Teil der Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verdanken. Solange sie da ist, ist für die Bundes-CDU alles gut. Aber wehe, wenn eines Tages nicht mehr. Während früher Bundesregierungen nach einem Wahlerfolg erst einmal in ein demoskopisches Loch fielen, liegt die Union wie festgetackert bei gut 40 Prozent. Aber auf die Hamburg-Wahl strahlte das Merkelsche Dauerhoch nicht ab. Der Kandidat Dietrich Wersich – respektabel, aber auch sehr ruhig – konnte der dominanten Figur des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz nichts entgegensetzen. Und wenn Merkel nicht zu Wahl steht, muss die Union schon mit einem starken eigenen Bewerber auftreten, um zu punkten. Die Bindungskraft der Volkspartei ist offensichtlich stark geschwächt.

So steht die Wirtschaft in Hamburg da

Dasselbe erlebt die SPD auf Bundesebene – und den gegenteiligen Effekt an der Alster. Mit Gabriel kommt sie einfach nicht gegen die Kanzlerin an – aber in Hamburg kann Olaf Scholz satt abräumen. Allerdings nicht ganz so durchschlagend wie beim letzten Mal – weil immer weniger Stimmen nicht in Mandate umgesetzt werden. Nun hat auch Hamburg ein Sechs-Parteien-Parlament. Der Leidtragende ist hier kurzfristig Scholz – langfristig trifft es andere.

Denn was für die CDU genauso beunruhigend ist wie die Merkel-Fixierung: Das bürgerliche Lager spaltet sich ebenso auf wie einst das linke. Mit der Zersplitterungspartei Alternative für Deutschland und den wieder Überlebenssignale sendenden Freidemokraten hat die Union nun für die nächste Zeit gleich zwei Konkurrenten, die ihr Stimmen am national-konservativen beziehungsweise wirtschaftsliberalen Rand streitig machen. Noch ist nicht erkennbar, in welche inhaltliche Richtung die AfD am Ende gehen wird – ihr Programmfindungsprozess läuft mindestens bis zum November. In Hamburg fand die neue Partei ein günstiges Umfeld vor, schließlich hatten hier mit der Schill- und der Stattpartei bereits in der Vergangenheit zwei bürgerliche Abspaltungen – wenn auch nur kurzfristig – reüssiert.

So hat die FDP die Stimmen bekommen

Bei den Freidemokraten war der Druck nach etlichen Monaten der Verunsicherung so groß, dass er sich schnellstmöglich entladen musste. In der Rekordzeit von sieben Minuten nach Schließung der Wahllokale erschien das FDP-Präsidium bereits im Berliner Thomas-Dehler-Haus vor den begeistert jubelnden Anhängern. Über sieben Prozent sind in jeder Hinsicht mehr, als die gebeutelte Partei seit dem Rauswurf aus dem Bundestag erhoffen durfte. Das Wiedererstarken der FDP speiste sich ganz offensichtlich fast ausschließlich aus dem Spektrum der CDU. Stand diese kurz vor Weihnachten in den Umfragen noch über 20 Prozent – und die FDP bei zwei -, so legten die Freidemokraten nach dem Stuttgarter Dreikönigstreffen fast im Wochentakt zu, während die Schwarzen immer weiter abmagerten.

Am Ende dürfte es eine Mischung aus verschiedenen Stimmungen und Argumenten gewesen sein, die der FDP auf den letzten Drücker die Stimmen zufließen ließen:

•Die FDP bot sich als mögliches Korrektiv und eventueller Koalitionspartner für den als Sieger bereits feststehenden SPD-Matador Olaf Scholz an. Auch wenn der sich von Anfang an für die Grünen als bevorzugten Partner entschieden hatte, so kann er nun mit dem steten Verweis auf die blaugelbe Alternative deren Preis drücken.

•Die CDU hatte keinerlei Machtperspektive und keinen zugkräftigen Spitzenmann, während mit der quirligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Katja Suding („Unser Mann für Hamburg“) eine in der Öffentlichkeit sichtbare Bewerberin präsentiert wurde.

•Mancher (vielleicht nicht nur bürgerliche) Wähler könnte nach fast eineinhalbjähriger Abstinenz zu der Erkenntnis gekommen sein, dass dem deutschen Parteienspektrum eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Partei ganz gut täte (auch wenn die FDP in der Bundestags- und Regierungsperiode von 2009 bis 2013 diesen Platz auch schon weitgehend frei gelassen hatte).

Die CDU-Vorsitzende muss das alles für ihre eigene bundespolitische Zukunft nicht beunruhigen, im Gegenteil. Die Bäume der SPD wachsen nicht in den Himmel, weil selbst der beliebte Scholz nun einen Partner braucht und ein paar Pünktchen verloren hat. Angela Merkels mögliche Koalitionspartner für die Zeit nach der Bundestagswahl 2017 sind alle noch oder wieder da. Während in der Hansestadt noch ausgezählt wurde, hatte sich Angela Merkel längst wieder mit den wichtigen Themen befasst. Sie telefonierte zusammen mit ihrem bewährten Friedensmitkämpfer, dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande, mit den ukrainisch-russischen Kriegsherren Petro Poroschenko und Wladimir Putin.

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