Nächstes Kapitel im Maut-Desaster Wer kann denn so blöd sein?

Nach Schadensersatzzahlungen von fast einer Viertelmilliarde Euro für die verpatzte Vergabe der Autobahnmaut, drohen dem Bund nun auch noch Rückerstattungen in dreistelliger Millionenhöhe. Quelle: dpa

Schon der Mautauftrag durch Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer war teuer genug. Jetzt hat sich der Bund auch noch bei der Berechnung der Gebühren blamiert. Ein Kommentar.

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Wer dachte, in der ebenso langen wie blamablen Historie der deutschen Autobahn-Maut schon an jeder denkbaren Peinlichkeit vorbei gekommen zu sein, hat sich getäuscht. Mit einem neuen Urteil (Az.: 14 K 6556/20) hat das Kölner Verwaltungsgericht dem Trauerspiel nun noch ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Und ein für den Bund potenziell überaus teures dazu.

Denn die Kölner Richter stellten darin fest, dass der Bund die zwischen Oktober 2015 und Oktober 2020 erhobenen Mautgebühren falsch berechnet hat. Tatsächlich hatte der Bund bei der Berechnung der Gebühren so tief in die kalkulatorische Trickkiste gegriffen, dass man sich ernsthaft fragen muss, wer so dreist und blöd zugleich sein kann.

Denn statt die Maut allein auf Basis der Infrastrukturkosten zu kalkulieren – also der Kosten, die für Bau, Betrieb, Erhalt und Erweiterung des betroffenen Verkehrsnetzes anfallen –, hatte der Bund zusätzlich die Kosten für die Verkehrspolizei in Rechnung gestellt. Und als reiche das nicht, sei sogar die Berechnung der Kosten für die Verkehrspolizei noch fehlerbehaftet gewesen, monierte das Gericht. Der Bund habe darin auch Ausgaben „für die Erledigung anderer Aufgaben“ einkalkuliert. Ganz so, als ließe sich die Erfüllung einer staatlichen Pflichtaufgabe, wie der Unterhalt der Polizei, über Straßenbenutzungsgebühren refinanzieren.

Die Absurdität des Vorhabens hatte schon der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2020 in einem Grundsatzurteil für die Jahre 2010 und 2011 gerügt (Rechtssache C-321/19). Nun haben die Kölner Richter den Bund mit seiner kreativen Kassenpflege endgültig und einschließlich der Folgejahre auflaufen lassen. Dem Kläger, einer polnischen Spedition, sprach das Gericht 20.200 Euro zuzüglich Zinsen zu, die das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) der Spedition nun zurückzahlen muss. 

Doch dabei dürfte es nicht bleiben, denn das Gericht urteilte in einem sogenannten Musterverfahren, stellvertretend für bald 40.000 ähnlich gelagerte Fälle. Insgesamt könnte sich das Erstattungsvolumen für Bund und Steuerzahler auf bis zu eine Milliarde Euro summieren, kalkuliert der Anwalt der Spedition. Noch ist offen, in wie vielen Fällen Ansprüche eventuell verjährt sind. Doch selbst wenn nur die Hälfte der Kläger Erfolg hat, wäre die Schadenssumme am Ende sogar gut doppelt so hoch wie der Schadensersatz, den der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Bund und Bürgern bereits mit seiner Voreiligkeit bei der Vergabe des Mautauftrages eingebrockt hatte.

Scheuer hatte den Auftrag 2018 vorzeitig an die vorgesehenen Betreiber CTS Eventim und Kapsch Trafficcom vergeben, obwohl der EuGH damals schon die Rechtmäßigkeit der Maut prüfte – und sie am Ende 2019 als rechtswidrig stoppte. Während das Verkehrsministerium daraufhin nicht zahlen wollte, forderten die Firmen rund 560 Millionen Euro Schadensersatz. Nach einem Schiedsverfahren musste der Bund 243 Millionen Euro überweisen.

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Und nun, das steht nach dem jüngsten Urteil zu befürchten, kommt die Maut die deutschen Steuerzahler noch einmal drastisch teurer.
 

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