Herr Edenhofer, die EU-Staaten haben sich gerade auf die Reform des 2005 gestarteten Handels mit Verschmutzungsrechten verständigt. Demnach soll die Menge an Treibhausgasen, die Unternehmen ausstoßen dürfen, zwischen 2021 und 2030 jährlich um 2,2 Prozent sinken und damit stärker als bisher. Zusätzlich werden Verschmutzungsrechte vom Markt genommen, um das Angebot zu verknappen. Wie beurteilen Sie das?
Ab 2024 werden die heute bestehenden Überschüsse in großem Maßstab reduziert. Darüber hinaus erhalten die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Zertfikate dauerhaft zu löschen, wenn sie nationale Zusatzanstrengungen unternehmen. Trotz dieser Reformschritte bleibt die Unsicherheit für die Investoren, ob und in welchem Umfang der Preis steigen wird. Diese Unsicherheit hätte durch einen Mindestpreis beseitigt werden können. Für diesen entscheidenden Reformschritt fehlte offenbar noch der politische Wille.
Die derzeit in Bonn stattfindende Weltklimakonferenz eher von schlechten Nachrichten für den Klimaschutz begleitet zu sein. Die FDP stellt die deutschen Klimaziele in Frage, Donald Trump ignoriert das Pariser Abkommen und weltweit wird wieder kräftig in Kohlekraftwerke investiert.
Ja, das muss man leider so sagen. Vor allem die Kohlekraftwerke sind ein großes Problem. China und Indien verbrennen zwar weniger Kohle, dafür wird in Ländern wie Japan, Indonesien oder der Türkei kräftig in neue Kohlekraftwerke investiert. So kann man die 2-Grad-Grenze nie einhalten. Wir müssen jetzt den Ausstieg aus der Kohleenergie hinbekommen.
In Teilen der FDP stoßen solche Forderungen auf wenig Gegenliebe. Alexander Graf Lambsdorff warnte zuletzt, es sei industriepolitischer Selbstmord, die nationalen Klimaziele bis 2020 durchzusetzen.
Solche Aussagen sind leider unsinnig. Womöglich war das eher Verhandlungstaktik – oder aber ein Anzeichen, dass der FDP der nötige Sachverstand fehlt. Dabei sieht die FDP sich doch als Modernisierungspartei, und im Energiesystem böte sich hier beim Umstieg auf Erneuerbare eine echte Chance, mit Digitalisierung von der Stromerzeugung über smarte Netze bis hin zu den Haushalten. Die Bundesrepublik wird jedenfalls nicht untergehen, wenn wir zügig aus der Kohlekraft aussteigen. Im Gegenteil: Deutschland wird davon langfristig profitieren.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium warnt in einem internen Papier vor einer möglichen De-Industrialisierung, falls Deutschland an seinen Klimazielen für 2020 und 2030 festhält.
Ich sehe solche Probleme nicht. Deutschland ist ein wirtschaftlich robustes Land. Wir haben hocheffiziente Gaskraftwerke, die aber nicht laufen, weil sie von der günstigen Kohle vom Markt gedrängt werden. Kohle mag auf den ersten Blick wenig kosten, hat aber einen extrem hohen gesellschaftlichen Preis, etwa die Luftverschmutzung. Bei einem Ausstieg aus der Kohle wird der Strompreis steigen, dafür wird aber die EEG-Umlage sinken. Außerdem bietet die Digitalisierung die Chance, dass die Konsumenten bei steigendem Strompreis vermehrt Strom einsparen können.
Wie könnte aus Ihrer Sicht ein vernünftiger Klimakompromiss für die Jamaika-Koalition aussehen?
Wir brauchen einen funktionierenden europäischen Emissionshandel. Aktuell sind die Preise dort viel zu niedrig. Wenn wir aber einen Preis von 30 bis 40 Euro pro Tonne CO2 durchsetzen könnten, kämen wir mit einem marktwirtschaftlichen Instrument auf einen Pfad, der Kohlestrom unrentabel werden ließe. Die deutschen Braunkohlekraftwerke würden nach einiger Zeit vom Markt verschwinden, weil sie schlicht zu teuer würden. Durch einen höheren CO2-Preis würden die erneuerbaren Energien auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig.
Warum sollten die Preise plötzlich steigen? Es gibt doch aktuell ein riesiges Überangebot an Zertifikaten.
Das stimmt. Mein Vorschlag ist deshalb eine Preis-Untergrenze. Unterhalb dieser Grenze werden dann keine Zertifikate mehr versteigert. So würden schrittweise die Überschussmengen aus dem Markt abgesaugt. Die Investoren können sich darauf verlassen, dass der Preis nicht unter diese Grenze fällt. Das könnte auch eine kleinere Koalition von Ländern beschließen, etwa Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Skandinavien. Da bei einem Mindestpreis auch zusätzliche Erlöse entstehen, könnten Länder wie Polen mitmachen, wenn man sie verstärkt an diese Erlösen beteiligt.
Für energieintensive Unternehmen könnten solche Preise das Aus im internationalen Wettbewerb bedeuten.
Solche Unternehmen müsste man natürlich entlasten, indem man ihnen vergünstigte oder kostenlose Zertifikate gibt. Genau das passiert ja schon längst. Die Stahlindustrie hat dadurch sogar Gewinne gemacht.
Streitpunkt Strom – was, wenn die Kohle wegfällt?
"Das Gesamtbild zeigt Licht und Schatten"
Die aktuelle Einigung in Brüssel zeigt, dass offenbar der politische Wille für eine solche Preis-Untergrenze fehlt. Was wäre eine Alternative?
Dann müssen die einzelnen Länder über nationale CO2-Steuern nachdenken – oder darüber, die dreckigsten Kraftwerke mit regulatorischen Maßnahmen vom Netz zu nehmen. Das wäre aus meiner Sicht aber nur eine Notlösung.
Fünf Gründe, warum Klimaschutz in Jamaika-Gesprächen so heikel ist
Im Wahlkampf hat die Ökopartei stark auf ihren Markenkern gesetzt. Nun muss sie liefern, sonst droht das Veto der Basis - oder die Quittung bei der nächsten Bundestagswahl. Das wissen die anderen Verhandlungspartner auch. Sie könnten es nutzen und den Preis etwa für einen Kohleausstieg möglichst hoch treiben, so dass die Grünen an anderer Stelle Zugeständnisse machen müssen. Klimaschutz werde „ganz besonders schwierig“, nahm Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schon als ein Resultat aus der ersten großen Sondierungsrunde mit.
Damit sie mit ihren Forderungen nicht gegen eine Wand laufen, haben die Grünen sich eine Strategie ausgedacht: „Es kann keine Arbeitsteilung geben, die so aussieht: Die Grünen machen Vorschläge und die anderen arbeiten sich daran ab, aber machen keine eigenen Vorschläge“, hat Parteichef Cem Özdemir erklärt. Von allen müsse was kommen. Wer die besseren Ideen habe, darüber könne man dann streiten.
Angela Merkel hat - oder hatte - den Beinamen Klimakanzlerin. Sie hat das Pariser Klimaabkommen und einen Klimaschutzplan mit verabschiedet. Der sieht vor, dass Deutschland bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um 55 Prozent mindert im Vergleich zu 1990. Dann ist da noch das 2020-Ziel - das fällt in diese Legislaturperiode. Bis dahin soll der Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent runter. Das Ziel ist von 2007, damals regierte Merkel mit der SPD. Schwarz-Gelb bekräftigte es im Koalitionsvertrag 2009. Aber erst vor zwei Wochen belegte das Umweltministerium (mal wieder), dass das Nahziel nur mit umfassenden zusätzlichen Maßnahmen noch zu halten ist.
International ist Klimaschutz ein großes Thema. 2015 bejubelten Klimaschützer weltweit das Abkommen von Paris, 2017 gingen sie mit US-Präsident Donald Trump ins Gericht, weil er es aufkündigen will. Von 6. November an werden in Bonn bis zu 25 000 Teilnehmer der nächsten Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen erwartet. Die Präsidentschaft hat Fidschi, aber Deutschland ist Gastgeberland - und damit noch stärker als sonst im Fokus der internationalen Klima-Diplomatie.
Zwar ist die Zahl derjenigen, die in der Braunkohleindustrie arbeiten, stark zurückgegangen. Nach Angaben der Bundesverbands Braunkohle und einem neuen Gutachten im Auftrag der Grünen-Fraktion sind es aber noch rund 20 000. Vor allem das Rheinland und die Lausitz trifft es, wenn die Jobs wegfallen.
Beim Klimaschutz geht es nicht nur um Kohle - allerdings ist schon das extrem kompliziert. Ökostrom-Ausbau, Stromnetze, EEG-Umlage, Einspeisevorrang für Erneuerbare, europäischer Emissionshandel sind nur ein paar Stichworte. Dazu kommen Gebäudesanierung, Heizungen, Benzin- und Dieselmotoren und die Kraftstoffsteuern, Industriesubventionen und die Landwirtschaft. Aus alldem ein Gesamtpaket zu schnüren, ist eine echte Mammut-Aufgabe.
Wäre es nicht viel wichtiger, die E-Mobilität zu fördern?
Gerade nicht. Das darf nicht der erste Schritt sein, die Elektroautos würden dann ja auch nur mit dreckigem Kohlestrom angetrieben. Erst wenn unser Strom CO2-frei ist, tun wir dem Klima mit den Elektroautos wirklich etwas Gutes. Da ich aber daran glaube, dass wir unseren Strom auf mittlere Frist CO2-frei bekommen werden, sollte man natürlich jetzt auch schon die Infrastruktur für E-Mobilität ausbauen, damit dann der Übergang möglichst glatt gelingt.
Das sind alles Maßnahmen, die nicht billig sein werden. Europa verursacht zeitgleich aber nur einen vergleichsweise geringen Teil des weltweiten CO2-Ausstoßes. Lohnt sich die Anstrengung überhaupt?
Die Anstrengung lohnt sich, weil Europa beim Klimaschutz nicht allein bleiben wird. China will seine Emissionen reduzieren, Kalifornien treibt die Energiewende massiv voran. Das Klimaproblem kann nur global gelöst werden und darum muss Europa die Kooperation vorantreiben. Andere Länder werden nur mitziehen, wenn Europa eine glaubwürdige Politik betreibt.
Allzu ehrgeizig sind viele Länder bislang aber nicht…
Das Gesamtbild zeigt Licht und Schatten. Auf der einen Seite stehen Länder wie China oder Indien, die bei der Kohle auf die Bremse treten. China investiert zudem kräftig in die erneuerbaren Energien und hat begonnen, ein Emissionshandelssystem einzuführen. Gleichzeitig geht es in vielen anderen Ländern viel zu langsam voran. Und Donald Trump ist natürlich auch keine große Hilfe, wobei US-Bundesstaaten wie Kalifornien ihm ja durchaus die Stirn bieten und beim Klimaschutz eigenen Wege gehen.
Und was kann nun die aktuelle Weltklimakonferenz zu all dem beitragen?
Bei dieser Konferenz geht es vor allem um die Festlegung der Ausführungsbestimmungen. Es ist zu hoffen, dass der Weg für ein koordiniertes CO2-Bepreisungssystem geebnet wird. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber wir machen Fortschritte: Immerhin wollen schon 81 Länder CO2-Preise einführen. Weitere Länder werden sich dem anschließen, denn die Staaten müssen ohnehin ihre nationalen Anstrengungen vergleichbar machen. Da CO2-Preise die Anstrengung der einzelnen Länder messen, können sie als gemeinsamer Vergleichsmaßstab dienen. Irgendwann sollten die Staaten auf solchen Konferenzen dann direkt über ihre CO2-Preise verhandeln. Aber so weit sind wir noch nicht.
Wie optimistisch sind Sie, dass es mit so einem System auf absehbare Zeit klappt?
Naja, von heute auf morgen wird das nicht funktionieren. Die aktuelle Weltklimakonferenz ist eine Art Arbeitsgruppentreffen.Die Bis wir auf globaler Ebene wirklich vergleichbare CO2-Preise haben werden, wird es noch eine Weile dauern. Aber wir müssen uns jetzt sofort auf den Weg machen. Warten wir zu lang ab, das zeigt die Forschung sehr klar, wird es teuer. Handeln wir rasch, wird es für Unternehmen und Steuerzahler sehr viel billiger.
Darum geht es beim Weltklimagipfel in Bonn
Neben Klimapolitikern, Wissenschaftlern und Aktivisten kommen auch Staats- und Regierungschefs - und einige Promis. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich angekündigt, Kanzlerin Angela Merkel ebenfalls. Schauspieler Leonardo DiCaprio, der sich schon lange für Klimaschutz stark macht, soll ebenso vorbei schauen wie der US-Politiker und Friedensnobelpreisträger Al Gore. Der Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, wird auch erwartet. Klimaschützer sehen ihn als wichtigen Gegenspieler von US-Präsident Donald Trump im Kampf gegen die Erderwärmung. Auch Browns Vorgänger wird dabei sein, der in Deutschland noch viel bekannter ist: Arnold Schwarzenegger.
Normalerweise treffen die Klimadiplomaten sich in dem Land, das auch den Vorsitz hat. Einem Rotationsprinzip zufolge war diesmal ein Land aus Asien dran. Fidschi übernimmt die Präsidentschaft - erstmals eine Inselgruppe im Pazifik, die vom Klimawandel bedroht ist, das gilt als wichtiges Signal. Allerdings wäre es schwierig für Fidschi geworden, die Konferenz auch auszurichten. Daher springt Deutschland als „technischer Gastgeber“ ein. Das Sekretariat der Klimarahmenkonvention sitzt nämlich in Bonn. 2001 wurde schon mal in Bonn getagt. Und die erste Weltklimakonferenz 1995 fand in Berlin statt. Gastgeberin war die Bundesumweltministerin - die hieß damals Angela Merkel.
Die Einigung auf das Abkommen war 2015 in Paris ein riesiger Durchbruch, inzwischen haben 169 Parteien es ratifiziert. Deutschland ist dabei, die EU auch. Aber das Entscheidende ist die Umsetzung. Und wie die im Detail laufen soll, ist noch nicht klar. Grundsätzlich haben die Staaten eigene Ziele zur Treibhausgas-Minderung zugesagt. In einem Zyklus von fünf Jahren sollen deren Klimaschutzwirkungen überprüft und die Zusagen immer ehrgeiziger werden. Wichtig ist aber auch die Anpassung an den Klimawandel und der Umgang mit Schäden, die etwa steigende Meeresspiegel und Extremwetter anrichten.
Nein. Das Ziel das Pariser Abkommens ist, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad einzudämmen. Schon diese begrenzte Erwärmung wird Experten zufolge deutlich spürbar sein - Dürren und Starkregen häufen sich, die Meeresspiegel steigen, das „ewige“ Eis schmilzt ab. Aber: Selbst bei Einhaltung aller bisher von den Ländern vorgelegten Klimaschutzzusagen wird sich die Erdtemperatur laut UN-Umweltprogramm um mindestens drei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erhöhen. Da muss also noch viel passieren.
Die Politiker müssen sich auf ein Regelwerk einigen, das die nationalen Klimaziele vergleichbar und überprüfbar macht. Ein Erfolg wäre aus Sicht von Klimaschützern, wenn nach der Konferenz ein Entwurf vorliegt - auch wenn es von umstrittenen Passagen noch mehrere Versionen geben dürfte. Ein Problem wäre laut Experte Jan Kowalzig von Oxfam dagegen, wenn es gar nichts Schriftliches gibt, da der Zeitdruck dann zunähme. Denn 2018 beginnt der erste „Überprüfungsdialog“, um zu sehen, ob die Staaten auf dem richtigen Weg sind. Umstritten ist zum Beispiel, welche Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gemacht werden.
Offiziell nicht - aber das Timing ist natürlich bemerkenswert. Zwischen Union, FDP und Grünen, die über eine Jamaika-Koalition reden, gehört der Klimaschutz zu den umstrittensten Themen. Steigt Deutschland aus der Kohle aus, wie und bis wann? Gehören Benzin- und Dieselmotoren bald der Geschichte an? Die Grünen hoffen auf Rückenwind aus Bonn für die Verhandlungen. Die scheidende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kann nochmal richtig Politik machen, fast schon von der Oppositionsbank aus - und Kanzlerin Merkel dürfte daran gelegen sein, auf dem Bonner Parkett gut dazustehen.
COP steht für Conference of the Parties und meint die Zusammenkunft der Staaten, die die UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) unterzeichnet und ratifiziert haben.