Populismus im Vergleich Was Trump, Le Pen und AfD verbindet - und trennt

Sie wollen nationale Souveränität und weniger Einwanderung – da sind sich Donald Trump, Marine Le Pen und die AfD einig. Doch wenn es um Wirtschaft und Umwelt geht, sind die Unterschiede groß.

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Petry-, LePen-, Trump-Populismus Quelle: Marcel Stahn

In den USA kommt bald einer an die Macht, in Frankreich möglicherweise demnächst auch - und in Deutschland und anderen europäischen Ländern machen sie den regierenden Parteien zumindest immer mehr Wähler abspenstig. Klar, es ist von den so genannten „Populisten“ die Rede.

Doch haben Trump in den USA, Marine Le Pens Front National und die Alternative für Deutschland überhaupt grundlegende programmatische oder gar weltanschauliche Gemeinsamkeiten jenseits ihres Widerspruchs gegen die etablierten Eliten und deren einwanderungsfreundlicher Politik? Wie steht es mit deren ökonomisch-ökologischem Weltbild? Gibt es ein populistisches Denken über Sinn und Zweck und Grundlagen des Wirtschaftens in einer begrenzten Welt?

Die Kritik, die Trump, Le Pen und die AfD an den gegenwärtigen ökonomischen Zuständen äußern und ihre Änderungsvorschläge sind letztlich eher oberflächlich. Man findet in Reden und Programmen wenig bis nichts, das auf einen Wunsch nach einer grundsätzlichen Bremsung oder Bändigung ökonomischer Dynamik zu Gunsten von gesellschaftlicher oder ökologischer Stabilität schließen ließe. Grundlegende Zweifel an der Notwendigkeit und absoluten Priorität wirtschaftlichen Wachstums finden sich nicht. Dennoch: Die weitgehende Blindheit Trumps vor ökologischen Problemen teilen weder der Front National noch die AfD.  

Darum hat Trump gewonnen

Schauen wir uns zunächst Trump an, den demnächst zweifellos mächtigsten Politiker der Welt. Im Auftreten mag er sämtliche hergebrachten Sprachregelungen gebrochen und Grenzen des Sagbaren überschritten haben, doch was er den Wählern verspricht, steht ganz in der Tradition der Wahlkämpfe 20. Jahrhunderts: Jobs. Was denen im Weg steht, ist zu beseitigen – ob es fremde Staaten oder Auflagen zum Schutz der Natur sein mögen. Trumps Zielsetzung ist, sofern man das aus seinen erratischen Wahlkampfauftritten und wenigen schriftlich fixierten Positionen folgern kann, ganz auf eine „dynamic booming economy“ ausgerichtet.

„Ob Stahlproduktion, Autobau oder Krankheitsbekämpfung, ich will, dass die nächste Generation der Produktion und Innovation genau hier stattfindet, in unserer großartigen Heimat: Amerika – um Wohlstand und Arbeitsplätze für amerikanische Arbeiter zu schaffen.“ Das war die Botschaft in seiner jüngsten Youtube-Ankündigung der zentralen Vorhaben seiner ersten 100 Tage im Amt: „to bring back jobs“.

Ökologische Gesichtspunkte spielen dabei überhaupt keine Rolle. Ebenso wie in seinem Wahlkampf kommt auf seiner website www.donaldjtrump.com unter den 16 „positions“ Natur- oder Umweltschutz nicht vor. Er kündigte an, Beschränkungen der Produktion „amerikanischer Energie” zu beseitigen, da sie Arbeitsplätze vernichteten. Auf der Website verspricht Trump, die noch unangezapften Schiefer-, Öl- und Gasvorkommen Amerikas im Wert von angeblich 50 Billionen Dollar zur Ausbeutung freizugeben, „plus saubere Kohlevorräte für mehrere Jahrhunderte“. Bedenken wegen der ökologischen Folgen der Erschließung und des Abbaus sind ihm keine Erwähnung wert.

Das ist Marine Le Pen

Der „Western Energy Alliance”, eine Interessenvereinigung von rund 300 Öl- und Gasunternehmen hat bereits verkündet, man sei „überglücklich“ wegen Trumps Wahlsieg. Schließlich wird erwartet, dass Trump grünes Licht für die „Dakota Acces Pipeline“ geben wird, die die Ölvorkommen in Nord-Dakota bis zu den industriellen Abnehmern in Ohio pumpen soll. Umweltschützer protestieren seit vielen Monaten dagegen.  

Aufsehen und Empörung erregte während des Wahlkampfes nicht zuletzt seine Ansichten über den Klimawandel, den er als „Bullshit“ und irreale Erfindung Chinas zur Schwächung der USA bezeichnete. Aus der internationalen Klimaschutzpolitik wollte er aussteigen. Das hat er allerdings in einem aktuellen Interview mit der „New York Times“ – wie so manche andere Ankündigung aus dem Wahlkampf – etwas revidiert: es gebe eine gewisse Verbindung zwischen menschlichem Tun und der Erderwärmung. „Es kommt darauf an, wie viel“, fügte er hinzu. Im Bezug auf den Klimavertrag wollte er sich nicht festlegen.

Le Pen gegen "Umweltdumping"

Wenn sich Trump selbst als „sehr konservativ“ bezeichnet, so scheinen er und seine Anhänger dabei das urkonservative Anliegen des Bewahrens (lat. „conservare“) der Natur oder der „Schöpfung“, das bei den meisten konservativen Vordenkern in den USA und Europa hohen Stellenwert hatte, zu ignorieren.

Die ökologische Gleichgültigkeit unterscheidet Trump sowohl von der AfD, als auch vom französischen Front National. Besondere Priorität genießen ökologische Fragen allerdings auch dort nicht. „Für den FN beschränkt sich die Ökologie darauf, die Pudel der alten Damen zu streicheln“, sagte kürzlich Stéphane Francois, Historiker und Spezialist für die ökologische Ideengeschichte, in einem Interview.  Marine Le Pen persönlich streichelt vor allem gerne ihre Katzen, deren Bilder sie auch schon mal twittert. Ihre politische Tierliebe fixiert dabei vor allem Vorschläge zum Verbot des betäubungslosen Schlachtens nach islamischem Ritus – das sogenannte „Schächten“.

Umweltschutz galt für Jean-Marie Le Pen, Vater von Marine und Gründer des FN zwar als eine Domäne der „Bobos“, der „bourgeois bohémiens“. So nennt man in Frankreich mit verächtlichem Unterton die neue Klasse linksliberaler, alternativ angehauchter Wohlstandsbürger, also in etwa diejenigen, die man in Deutschland vor allem mit dem Berliner Wohnviertel Prenzlauer Berg verbindet. Aber: im Wahlprogramm des FN hat die Ökologie seit vielen Jahren einen festen Platz. Dafür sorgte Bruno Mégret, in den 1990er Jahren Generalsekretär der Partei. Sein Wunsch nach einem stärker ökologisch-konservativen Profil des FN war einer der Gründe für seinen Abgang 1998.

Der FN unterstützt wie Trump sowohl die Kernenergie als auch die Förderung von Schiefergas durch das sogenannte Fracking. Der Schutz vor der „wilden Globalisierung“, den Le Pens FN bieten will, betrifft die ökonomische und kulturellen Bedrohungen der Franzosen weit mehr als seine natürlichen Lebensgrundlagen. Ähnlich wie Trump beklagte Le Pen in einem Fernseh-Interview kürzlich die „Invasion von Produkten“ aus dem Ausland und stellt dagegen den „ökonomischen Patriotismus“, also die offene Bevorzugung heimischer Unternehmen und den offenen Bruch mit der Europäischen Union – zumindest der Wirtschafts- und Währungsunion.

Sie sei eine Anhängerin der Marktwirtschaft, weil nur erfolgreiche Unternehmen Beschäftigung schaffen könnten. Aber sie ist, so Le Pen, auch Anhängerin eines „strategischen Staats“, der die „industriellen Champions“ durch öffentliche Aufträge und staatliche Forschung ebenso stützen wie er die französischen Bauern vor internationaler Konkurrenz bewahren müsse. Sie sei also „gegen soziales Dumping, gegen Umweltdumping und gegen monetäres Dumping“. Im Gegensatz zu Trump begründet Le Pen ihre Abneigung gegen den Freihandel allerdings auch mit den geringen Umweltschutzstandards in anderen Ländern.

Die deutsche AfD gibt sich grundsätzlich fortschritts- und wirtschaftsfreundlich. Im Grundsatzprogramm heißt es: „Die AfD will auf breiter Front deregulieren … unternehmerischen Geist neu entfachen … den Standort Deutschland durch eine innovations- und technologiefördernde Politik weiter voranbringen.“ Verglichen mit Trump und FN ist die AfD nicht protektionistisch. Von „ökonomischem Patriotismus“ oder dem Staat als Strategen ist im Programm nichts zu lesen. Stattdessen: „Subventionen reduzieren“, und: „ Internationaler Handel ist die Grundlage unseres Wohlstandes und des friedlichen Miteinanders“. Handelsabkommen werden grundsätzlich begrüßt. TTIP und CETA werden allerdings abgelehnt, weil sie die Übertragung von Souveränitäts- und Hoheitsrechten auf Schiedsgerichte vorsehen.  

Konservative Ökologen in der AfD

       

In der AfD ist allerdings auch ein kleines Häuflein ökologisch Engagierter um den Parteimitgründer Konrad Adam und den Breisgauer Kreisvorsitzenden Volker Kempf aktiv. Beide stehen den Überzeugungen des verstorbenen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl nahe, der mit seinem Bestseller „Ein Planet wird geplündert“ in den späten 1970er Jahren eine der wichtigsten Stimmen der ökologischen Bewegung war – und dafür von Helmut Kohl aus der Partei getrieben wurde. Gruhl war Mitgründer der „Grünen“, bevor dort frühere 68er und Ex-Mitglieder der kommunistischen K-Gruppen den Ton angaben – und ihn aus der Partei drängten. Kempf ist Vorsitzender der Herbert-Gruhl-Gesellschaft, in der sich Anhänger der einst bedeutenden konservativen Naturschutzbewegung sammeln.

Die Schwäche der Ökologen innerhalb der AfD zeigte sich darin, dass die Zuständigkeit für Klimaschutzfragen vom parteiinternen Fachausschuss für Umwelt an den für Energiepolitik übertragen wurde. In letzterem dominieren Leute, die Klimaschutzpolitik für einen „Irrweg“ halten, da sie den Klimaeinfluss von CO2 bezweifeln und außerdem die „zwangsweise Senkung der CO2-Emissionen … den Wirtschaftsstandort schwächen und den Lebensstandard senken“ würden. Im Programm steht daher: „Die AfD sagt … ‚Ja zum Umweltschutz!‘, macht aber Schluss mit der ‚Klimaschutzpolitik‘ … Klimaschutzorganisationen werden nicht mehr unterstützt.“

Auf kaum einem Feld jenseits der Migrationspolitik zeigt sich der Anti-Establishment-Reflex der AfD so deutlich wie bei der Ablehnung der Klimaschutzpolitik. Hier zeigen sich die Mechanismen der Filter-Blase, in der sich viele AfD-Anhänger und -Politiker offenbar informieren und ihre Meinung bilden: Die Lust gegen einen vermeintlichen Irrweg der Etablierten anzukämpfen. Und dafür die Bereitschaft zum Dialog und die Offenheit für wissenschaftliche Erkenntnis zu Gunsten eines geschlossenen Weltbildes zu opfern.

Nationale Wirtschaftstraditionen

Was Trump, den FN und die AfD jenseits ihrer zur Schau getragenen Rebellion gegen die Arroganz der globalisierten Eliten und des politischen Establishments gemeinsam haben, wird immer weniger, je näher man die politischen Inhalte betrachtet. Auffällig ist dabei allerdings – und das könnte durchaus auch öfter zur Beruhigung der Gemüter betont werden, dass weder Trump noch Le Pen, noch die AfD eine Revolution anstreben. Niemand von ihnen stellt die freiheitliche Wirtschaftsordnung grundsätzlich in Frage - zumindest nicht in öffentlich zugänglichen Programmen.

Trump unterscheidet sich von europäischen Anti-Establishment-Parteien vor allem durch die fast völlige Verweigerung gegen jegliche Berücksichtigung ökologischer Aspekte. Allein die Abneigung gegen den schnellen Ausstieg aus fossilen Energien und Kernkraft vereint die „Populisten“ über den Atlantik hinweg.

Der Front National wird mit seinem Ruf nach einem „État stratege“ bei der Mehrheit der AfD-Anhänger sicher ebenso wenig Sympathien hervorrufen wie beim Präsident gewordenen Unternehmer Trump. Hier zeigen sich bei den Gegnern der Globalisierung die verschiedenen nationalen Wirtschaftstraditionen der Nationen: Mehr Staatsinterventionsfreude in Frankreich, sehr viel weniger in Deutschland und erst recht in den USA. Doch in der von souveränen Nationalstaaten geprägten Wirtschaftswelt, die sich diese Kräfte wünschen, sind unterschiedliche Wirtschaftskulturen schließlich weit weniger problematisch als in einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion oder interkontinentalen Freihandelszonen.

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