Satire-Streit Erdogan legt Berufung wegen Böhmermann-Gedicht ein

Der türkische Staatschef Erdogan lässt in der Auseinandersetzung mit Satiriker Jan Böhmermann nicht locker. Zwar darf Böhmermann Teile seines Schmähgedichts nicht mehr verbreiten, doch Erdogan will ein komplettes Verbot.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Bildkombo zeigt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (links) und ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann. Erdogan will erreichen, dass das gesamte Werk verboten wird. Quelle: dpa

Düsseldorf Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will auch die letzten sechs Zeilen eines Gedichts des TV-Moderators Jan Böhmermann verbieten lassen. Das Landgericht Hamburg hatte bereits im Februar die meisten Passagen des Gedichts für unzulässig erklärt, doch Erdogans Kölner Anwalt Mustafa Kaplan legte nach einem Bericht von „Spiegel Online“ Berufung ein.

Böhmermann hatte das Gedicht im März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ veröffentlicht. Darin unterstellt Böhmermann dem türkischen Präsidenten sadistische und perverse Züge. Der TV-Moderator erklärte, es handele sich um Satire, die von der Kunstfreiheit gedeckt sei. Böhmermann hat gegen das Urteil des Landgerichts bereits beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Er will das komplette Gedicht weiter öffentlich verbreiten. Darauf reagierte Erdogans Anwalt nun mit einer sogenannten Anschlussberufung, wie „Spiegel Online“ schreibt.

Erdogans Anwalt werfe Böhmermann auf 18 Seiten Rassismus vor, der sich nicht nur gegen den Präsidenten richte, sondern gegen das türkische Volk. Anders sei nicht zu verstehen, dass während des Beitrags die türkische Fahne und türkische Untertitel eingeblendet worden seien.

Es handele sich um eine „Beleidigungsorgie mit Worten, die den Kläger genauso treffen sollten, wie in Deutschland lebende Türken seit Jahrzehnten rassistisch beleidigt werden – insbesondere durch rechtsextremistische Kreise.“ Beleidigungen mit sexistischem Inhalt würden in der türkischen Bevölkerung als „besonders schwerwiegend“ empfunden.

Das Landgericht Hamburg hatte das Gedicht zwar als Kunst eingestuft, sah aber Erdogans Persönlichkeitsrechte so schwer verletzt, dass sich Böhmermann weder auf die Freiheit der Kunst noch auf die der Meinung berufen könne.

Die sechs erlaubten Zeilen seien aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es handele sich um „zulässig überspitzte Kritik an Erdogans Politik“, begründeten die Richter ihren Urteilsspruch. Die erlaubten Zeilen lauten: „Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan, der Präsident. (...) Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt. (...) und Minderheiten unterdrücken (...) Kurden treten, Christen hauen.“

In dem Gerichtsverfahren ging es auch um den Vorwurf der Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten, der in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs unter Strafe gestellt war. Der Straftatbestand hieß „Majestätsbeleidigung“. Der Paragraf ist inzwischen Geschichte. Einen Monat nach dem Bundestag billigte am vergangenen Freitag auch der Bundesrat die Streichung des Paragrafen 103 aus dem Strafgesetzbuch. Immerhin drohten nach diesem Paragrafen bis zu drei Jahre Haft.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%