Nur wer sie bis dahin für völlig unterbelastet ansah, kann glauben, dass das nicht auf Kosten der Arbeitskraft der Lehrer also letztlich der Qualität der Unterrichtsvorbereitung geht. In den Kultusministerien weiß man das natürlich durchaus. Aber was schert den Politiker die Realität, wenn die Wähler eine ganz andere Sicht der Dinge haben. Nicht nur in "bildungsfernen" Milieus, sondern leider auch bei manchem Kaufmann, Anwalt oder Zahnarzt ist noch immer das alte Pauker-Ressentiment lebendig, wonach die faulen Lehrer "vormittags recht und nachmittags frei" hätten. Solch einer schlecht beleumundeten Berufsgruppe – dazu noch größtenteils verbeamtet, kann ein Ministerium problemlos mehr Arbeit aufladen.
Immer noch ist vielen Menschen nicht klar, dass Lehrer nach Unterrichtsschluss nicht ein Nachmittag voller Müßiggang erwartet, sondern noch einige Stunden Arbeit. Vor eine Klasse von 30 pubertierenden Schülern zu treten, erfordert nicht nur äußerste Konzentration und pädagogische Fähigkeiten, sondern nicht zuletzt auch eine fachliche Vorbereitung jeder einzelnen Unterrichtsstunde. Und nach jedem schriftlichen Test harrt ein Stapel Klausuren der Korrektur. Ein Lehrer einer weiterführenden Schule mit zwei Fremdsprachen als Unterrichtsfach korrigiert bei angenommenen sechs Sprachklassen, also rund 180 Schülern, mit jeweils rund 12 zu korrigierenden Übungs- und Prüfungsarbeiten also mehr als 2000 Arbeiten jährlich. Dazu kommen Besprechungen mit Kollegen, Eltern, Schülern, außerdem Zeugniskonferenzen und Schülerexkursionen, die oft auch die Wochenenden und Ferien einbeziehen.
Vor der Klasse wie ein Lehrer, Bezahlung wie ein Lehrling
Manch einer, der über faule Lehrer schimpft, arbeitet selbst sicher weniger: Im Durchschnitt rund 56 Stunden pro Woche sind es für Lehrer zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wie eine Studie der Projektgruppe "Qualität, Arbeit und Gesundheit in Schulen" 2007 festgestellt hat. Nach Ansicht der Frankfurter Bildungsforscherin Mareike Kunter arbeiten Vollzeitlehrer je nach Fächerkombination, Schulform und Erfahrung zwischen 30 und 70 Stunden wöchentlich.
Die krasseste Mehrbelastung erfahren aber junge Nachwuchslehrer: Die meisten Bundesländer haben nämlich die Ausbildungszeiten der Referendare verkürzt und setzen sie schon früh wie vollwertige Lehrer ein. Seit 2011 dauert ein Referendariat in Nordrhein-Westfalen nur noch eineinhalb statt zwei Jahre. Wenn die neuen Referendare jetzt im November ihren Dienst an nordrhein-westfälischen Schulen beginnen, müssen sie schon nach 30 Schultagen zum ersten Mal alleine vor einer Klasse stehen. Von da an werden sie fast wie vollwertige Lehrer "bedarfsdeckend" eingesetzt – aber wie Lehrlinge bezahlt. Im Klartext: Die Schulpolitik spart an der Ausbildung der zukünftigen Lehrer, natürlich auch auf Kosten des Lernerfolgs der Schüler, die von weitgehend unerfahrenen Referendaren unterrichtet werden. Doch auch diese Maßnahme führte zu keinem öffentlichen Aufschrei, noch nicht einmal zu vernehmbarer Kritik der Opposition.