Spitzenforschung Deutsche Elite-Unis brauchen mehr Zeit und Geld

Der Staat fördert mit der „Exzellenzinitiative“ die Top-Hochschulen. Das Programm läuft aus, soll aber verlängert werden. Gutachter warnen nun vor Einschnitten – und fordern mehr Zeit und Freiheiten für die Unis.

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Der Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden (l-r), die Bremer Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) und Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU): Plädoyer für eine weitere Förderung der Spitzenforschung an deutschen Hochschulen. Quelle: dpa

Berlin Zehn Jahre lang haben die deutschen Universitäten mit den besten Forschungsleistungen insgesamt fast fünf Milliarden Euro erhalten, damit sie noch besser und international sichtbarer werden. Nun ist unklar, wie es weitergehen soll, da das Programm 2017 ausläuft. Deshalb hatten die Bildungspolitiker von Bund und Ländern eine zehnköpfige Wissenschaftler-Kommission gebeten, den bisherigen Erfolg zu bewerten und vor allem Empfehlungen für die Zukunft abzugeben.

Kommissionschef Dieter Imboden – Schweizer Wissenschaftsmanager und Umweltphysik-Professor der ETH Zürich – hat nun in Berlin ein prägnantes 50-seitiges Gutachten vorgelegt. Seine Kernbotschaft: Gebt den Top-Universitäten auf jeden Fall genauso viel Geld wie jetzt, also rund 500 Millionen Euro pro Jahr. Die große Koalition hatte erwogen, das Budget auf 400 Millionen zu kürzen.

Der Rat der Wissenschaftler an die in Legislaturperioden denkenden Politiker lautet: Habt Geduld! „Die deutschen Universitäten haben sich auf den Weg gemacht, aber das Ziel ist noch weit“, sagte Imboden bei der Präsentation des Gutachtens in Berlin. Statt überstürzt ein neues Konzept für die neue Exzellenzinitiative zu stricken, sollten sie lieber das bisherige Programm um zwei Jahre verlängern.

Das Grundgerüst des Anschlussprogramms will Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit ihren Länderkollegen dennoch bis April entwerfen - damit es Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten im Juni absegnen können. Der Bund kommt bisher für drei Viertel der Mittel auf.

Imboden machte der Politik sehr deutlich, warum selbst die besten deutschen Unis noch nicht an der Weltspitze mitspielen können: „Selbst wenn man das gesamte Jahresbudget der Exzellenzinitiative von rund 500 Millionen Euro nur einer einzigen Elite-Uni gäbe – beispielsweise der RWTH Aachen – hätte diese auch nur das Budget der ETH Zürich oder von Oxford in Großbritannien – aber immer noch doppelt so viele Studenten“. Die RWTH hat heute rund 800 Millionen jährlich zur Verfügung, die ETH rund 1,3 Milliarden. Top-Unis der USA spielen in einer ganz anderen Liga: So beträgt das Budget des MIT rund 2,4, das von Stanford fast vier Milliarden Euro.


Misstrauen gegenüber „Schaufensterversprechungen“

Mit Blick auf diese Zahlen warnte Imboden die deutsche Politik auch, einen Teil des Geldes künftig dafür auszugeben, Projekte oder ganze Unis, die wieder aus dem Wettbewerb ausscheiden, zu unterstützen, damit die jahrelang geförderte Forschung dort nicht wegbreche. Das müssten die Länder oder die Unis selbst stemmen. Denn das Budget der Exzellenzinitiative II werde - grade weil es im internationalen Vergleich nicht viel ist - dringend für die Spitzenforschung gebraucht.
Für die Zukunft empfiehlt die Kommission nun, zehn Elite-Unis auszuwählen ( aktuell sind es elf) und ihnen insgesamt rund 150 Millionen Euro jährlich zu zahlen. Sie sollen dann aber nicht nur fünf Jahre wie bisher sondern acht Jahre Zeit bekommen, um sich zu entwickeln, bevor sie sich der Überprüfung stellen müssen.

Bisher erhalten die Eliteunis ihre Förderung für ein Konzept, in dem sie darlegen, was sie planen. Falsch, meint die Kommission: Besser sei es, die bisher erbrachte Leistung als Kriterium zu verwenden als auf „Schaufensterversprechungen“ zu vertrauen. Deshalb sollen die Unis auch keine Anträge mehr stellen dürfen, sondern einzig nach ihrer Leistung bewertet werden.

Als Kriterien empfiehlt Imboden die üblichen Instrumente wie erworbene Drittmittel und Publikationen aber auch die Anzahl der preisgekrönten Forscher. Das alles müsse jedoch ins Verhältnis zurr Größe der Uni gesetzt werden, so dass auch kleine Hochschulen eine Chance haben.
Mehr Flexibilität fordert die Kommission für die bisher rund 40 Exzellenzcluster: An diese Forschungsverbünde zu speziellen Themen mit je rund 25 Wissenschaftlern in diversen Institutionen fließt der größte Teil der Gelder. Sie sollen mehr Freiheit bekommen, wozu und mit wem sie arbeiten, fordert die Kommission. Bisher sei es de facto auf regionale Netze hinausgelaufen, das verhindere aber den Zusammenschluss mit weiter entfernt arbeitenden Forschern. Es mache auch keinen Sinn, jedes Cluster mit rund 6,5 Millionen jährlich zu fördern, die einen bräuchten mehr, andere viel weniger.


Kommission verweigert klage Aussagen über bisherigen Erfolg

Wegfallen soll schließlich die Förderung der ’Graduiertenschulen’ – also die systematische, institutionalisierte Doktorandenausbildung. Das gehöre heute ohnehin zu jeder guten Universität.
Zu guter Letzt hat die Kommission auch eine Forderung an die Uni-Rektoren selbst: Sie müssten viel mehr als bisher richtig führen, also „nicht nur Prioritäten sondern auch Posterioritäten setzen“, so Imboden. Wenn die Uni-Leitung sich auf bestimmte Forschungsfelder konzentrieren wolle, müsse sie eben andere, weniger wichtige auch konsequent abbauen. An den internationalen Top-Unis sei das selbstverständlich - in Deutschland aber noch viel zu selten.

Teilweise gäben die Landesgesetze den Rektoren nicht die nötige Macht – das größere Probleme sei aber, dass diese ihre durchaus vorhandenen Spielräume nicht nutzten: „Hier gibt es noch immer erhebliches ungenutztes Potenzial und substanziellen Nachholbedarf“, heißt es im Gutachten. Um die Hochschulleitung zu stärken schlägt die Kommission zudem vor, dass sie zusätzlich zu den Excellenzcluster-Geldern eine Prämie von 20 Prozent bekommen, mit dem sie frei schalten können.

Ein detailliertes Urteil über den Erfolg der bisherigen zehnjährigen Exzellenzinitiative liefert die Kommission nicht, und schon gar kein quantitatives. Die Exzellenzcluster hätten zwar beeindruckende Qualität abgeliefert - „es ist allerdings unklar, ob diese Qualität neu geschaffen wurde oder durch die Bündelung sichtbar wurde“. Daneben sei die stärkere Integration der Universitäten in die nationale Forschung - also vor allem durch die Zusammenarbeit mit Max Planck-, Helmholtz- oder Fraunhofer-Instituten - „tendenziell positiv“, ebenso wie die gestiegene Internationalisierung. Eher geschadet habe die Exzellenzinitiative dem Nachwuchs: Zwar gebe es nun wesentlich mehr Stellen, die Entscheidung für oder gegen eine Forscherkarriere sei aber noch weiter nach hinten verlagert worden. Dieses Problem müsse aber außerhalb der Exzellenzinitiative gelöst werden.

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