Das Thema wurde zum Thema, als Franz Müntefering (SPD) Ende der Neunzigerjahre noch zuständig war für den Verkehr und das Wohnungswesen in Deutschland. Vor allem die Stadtplaner aus dem Osten rannten ihm damals die Ministeriumstüren ein und bettelten um Geld, bewaffnet mit Tabellen, roten Zahlen und ganz vielen Pfeilen, die südwärts zeigten: „Hilfe, wir schrumpfen!“ Und was tat Franz Müntefering, der große Meister des lakonischen Satzes? Er schüttelte den Kopf und sagte, fürs Schwinden und Schrumpeln sei er nicht zuständig: „Ich bin nicht Abbruchminister. Ich bin Bauminister.“
Natürlich gab es ein paar Jahre später trotzdem eine Kommission, einen Wettbewerb und ein Bund-Länder-Programm; man taufte es „Stadtumbau Ost“ und stattete es mit 2,5 Milliarden Euro aus; das war damals eine Menge Geld. Und natürlich erwies sich das Programm als „Erfolgsgeschichte“, jedenfalls dann, wenn man den evaluatorischen Fähigkeiten von Münteferings Nachfolger Wolfgang Tiefensee (SPD) Vertrauen schenkt: Die „Verknüpfung von Rückbau und Aufwertung“, so Tiefensee 2008, habe Ostdeutschland „attraktive Stadtbilder“ und eine „neue Lebendigkeit“ beschert.
Mehr Fairness
Gern geschehen, sagen nun westdeutsche Bürgermeister an Rhein und Ruhr – aber bitte: Jetzt sind wir an der Reihe. Der Osten sei heute so gut aufgestellt, dass man dort „gar nicht mehr wisse, wohin mit dem Geld“, ätzt der Dortmunder Stadtchef Ullrich Sierau (SPD) – und während CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen im fernen Berlin mehr Fairness anmahnte, spielte selbst die „Rheinische Post“, die tiefschwarze Stimme aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, die regionale Karte: „Wir brauchen einen Solidarpakt West“. Seither werden – zum wievielten Male eigentlich? – Löhne und Wachstumsraten in Ost und West, Kita-Plätze und Lebenshaltungskosten, Arbeitslose und Transferempfänger, Schwimmbäder, Straßenlöcher und Stadtbibliotheken gegeneinander aufgerechnet. Und – any news?
Vielleicht diese: Sieht man einmal vom Solidarpakt ab und schaut sich nur die 455 Millionen Euro an, die das Bauministerium in diesem Jahr den Kommunen für Stadtumbau und -entwicklung, Sanierung und Denkmalschutz überweist, so stellt man fest, dass ostdeutsche Kommunen – gemessen an der Zahl der Einwohner – fünfmal mehr Geld erhalten als westdeutsche. Warum eigentlich? Sind die Stadtbilder in Ostdeutschland immer noch nicht attraktiv genug? Und braucht das Ruhrgebiet etwa keine „neue Lebendigkeit“? Oder sind die Fragen falsch gestellt? Vielleicht hat der Osten ja nur zwei Jahrzehnte lang richtig gemacht, was im Westen seit 40 Jahren falsch läuft?
Vergleich hinkt
War es vorteilhaft für den Osten, dass er den Strukturwandel im Wege der Schocktherapie vollzogen hat, mit hochprozentiger Abwanderung und niedrigeren Löhnen, mit radikalem Wohnungsrückbau und unter Verzicht auf tarifgebundene Sicherheiten? Wenn Städte wie Dresden oder Magdeburg (Arbeitslosenquote 9,2 beziehungsweise 11,4 Prozent) heute besser dastehen als Dortmund oder Essen (12,7 und 12,6 Prozent), wenn die Innenstädte von Schwerin und Freiberg heute Puppenstuben gleichen und die in Wuppertal und Gelsenkirchen kaufkraftarmen Häuserhaufen – haben wir es dann mit Belegen für beispiellos gepäppelte Wohlstandsquartiere und rettungslos vernachlässigte Betonzonen zu tun? Ach was. Ein Vergleich der Situationen in Ost und West zeigt vor allem, dass er hinkt. Was im Westen nicht blüht, welkt im Osten und umgekehrt, wenn auch auf ganz verschiedene Weise, das ist die Wahrheit. Da kann die Politik mit der Geldgießkanne kommen, so viel sie will.
Die Hoffnung im Ruhrgebiet schwindet
Im Ruhrgebiet wollen sie vom Strukturwandel schon lange nichts mehr hören; zu oft schon wurden mit diesem Begriff Hoffnungen geweckt, die sich zerschlugen. Die Menschen schätzen hier das neue Wechselspiel von Natur und städtischem Raum, mögen sich und ihre Mentalität, hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) zuletzt in einer Umfrage herausgefunden, doch beim Wort „Strukturwandel“ stöhnen alle auf: An eine gute Zukunft mit gut bezahlter Arbeit, hohen Steuereinnahmen und schönen Schulen glaubt hier kaum noch einer.
Stark überzeichnet
Für Peter Greulich klingt das alles nach Verschwörung. Der schlanke Mittfünfziger ist seit über zehn Jahren Stadtdirektor in Duisburg und strahlt das lässige Selbstbewusstsein eines Chefarztes aus. Natürlich gebe es Probleme, sagt Greulich, im Ruhrgebiet und auch in Duisburg, aber in der aktuellen Diskussion werde doch alles stark überzeichnet: „Insgesamt sehe ich die Zukunft der Stadt sehr positiv.“ Dass Duisburg selbst im Ruhrgebiets-Vergleich eine der höchsten Arbeitslosenquoten aufweist? „Der Strukturwandel ist hier halt noch im vollem Gange.“ Die Leerstandsquote, die in manchen Vierteln bei über zehn Prozent liegt? „Es gibt in einzelnen Vierteln sicher noch einigen Nachholbedarf.“ Die anhaltende Abwanderung, obwohl die Stadt doch in den vergangenen 30 Jahren schon mehr als 100.000 Einwohner verloren hat? „Wir müssen mehr attraktiven Wohnraum für junge Familien schaffen.“
Rund ums Rathaus hat sich Duisburg bereits fein gemacht. Der Binnenhafen zählt architektonisch und wirtschaftlich zum Spannendsten, was die Gegend zu bieten hat. Die Einkaufsmeilen der Stadt füllen sich langsam wieder mit Menschen, seit der Neuigkeitswert einer Einkaufswelt im benachbarten Oberhausen sinkt. Und die unsägliche Autobahn A 59, die das Stadtzentrum in zwei Teile schneidet, wird gerade unter die Erde verbannt. Wenn jetzt noch das neue Outlet-Center und der Rheinpark im Problemviertel Hochfeld fertig werden, meint Greulich, dann stehe es um Duisburgs Zukunft gar nicht so schlecht.
Stolz und Heimat
Duisburgs Gegenwart abseits der Großprojekte liegt sechs Kilometer von Greulichs Büro entfernt, auf der nördlichen Seite der Ruhr, von der Innenstadt getrennt durch den Hafen, im Stadtteil Beeck, im Viertel von Ahmet Boztepe: eine bröckelnde Häuserreihe, an den Fassaden eine Reihe türkischsprachiger Schilder, dahinter ein Koloss aus Eisen, Backstein und Beton – das Stahlwerk Bruckhausen, Stolz und Heimat des Thyssen-Konzerns, bis heute das größte Stahlwerk im ThyssenKrupp-Verbund. Boztepe ist ein türkischstämmiger Duisburger; er berät Existenzgründer, die sich hier niederlassen wollen, aber so richtig begeistert ist er von seiner Heimat selbst nicht mehr.
„Stadtteile wie Hochfeld oder Laar“, sagt Boztepe, „werden von Jahr zu Jahr trostloser, ohne dass die Stadt mit ihren wirtschaftlichen Beschränkungen etwas tut.“ Denn Duisburg ist mindestens so pleite wie seine Nachbarn. Die Stadt steht unter Haushaltssicherung, jede Ausgabe muss von der Bezirksregierung in Düsseldorf genehmigt werden. Gerade scheitert die Einschulung von ein paar Dutzend Kindern zugewanderter Bulgaren und Rumänen daran, dass die Stadt das Bahnticket nicht bezuschussen kann. Es ist schon kurios: Boztepes Vorfahren sind nach Deutschland gekommen, weil die Wirtschaft hier brummte; heute brummt die Wirtschaft in der Türkei, und die Wanderungsbewegung dreht sich um: „In Istanbul“, sagt Boztepe, „ist es für gut ausgebildete Deutschtürken viel leichter, einen guten Job zu bekommen, als in Duisburg.“
Eine Region hinkt hinterher
Greulichs Oberflächenglanz und Boztepes Tiefenschwärze – das sind zwei widersprüchliche Ergebnisse eines einzigen 40-jährigen Umbau-Prozesses. Bereits Ende der Siebzigerjahre war die Zahl der Arbeitslosen im Revier mehr als doppelt so hoch wie im Bundesschnitt; trotzdem hat man noch jahrelang kräftig um Gastarbeiter geworben, als längst hätte klar sein können, das die bloß ein Ticket in die Langzeitarbeitslosigkeit buchen würden. Seither sind regalweise Pläne geschrieben und umgesetzt, Milliarden an Fördergeldern verbuddelt worden. Erst setzte man ganz industriepolitisch auf eine Renaissance der Kohle, später ganz innovationspolitisch auf eine Förderung der Kreativwirtschaft. Nur an der Bestandsaufnahme änderte sich in all den Jahrzehnten nichts: Die Region hinkt der bundesweiten Entwicklung verlässlich hinterher. Die Einkommen steigen langsamer, die Arbeitslosigkeit liegt höher, die Bevölkerung schrumpft schneller.
Angesichts dieser Diagnose stellt sich die Frage, ob Politiker und Wirtschaftsforscher ihren Blick nach Osten richten sollten. Dorthin, wo es scheinbar gelungen ist, einen fulminanten Neustart hinzulegen. Zwar liegt die ostdeutsche Wirtschaft in Sachen Produktivität, Arbeitslosigkeit und BIP weiter deutlich hinter den westdeutschen Bundesländern zurück, doch in einigen Städten ist der Anschluss geschafft: Leipzig, Dresden oder Jena haben sich zuletzt so schwungvoll entwickelt, dass ein Platz in der ersten Riege der deutschen Städte hier nicht mehr nur nostalgische Erinnerung, sondern reale Option ist. Taugt der Strukturwandel in Ostdeutschland als Vorbild für das Ruhrgebiet?
Geld für Forschung
Uwe Neumann, Leiter der Abteilung Regionalforschung am RWI, ist da skeptisch: „Der Osten steht nur deshalb verhältnismäßig gut da, weil er von weit unten kommt.“ Die industrielle Basis sei dort weitgehend vernichtet – weshalb die Situation nicht vergleichbar sei. „Im Ruhrgebiet hat es nach der Kohleära nie wieder einen Boom gegeben“, sagt Neumann, „aber dafür blieb die Industriestruktur erhalten.“ Zentrale Unternehmensbereiche – Zentralen, Forschungsabteilungen – seien im Ruhrgebiet verhältnismäßig häufig vertreten, während die Industrie in Ostdeutschland, wenn überhaupt, nur als verlängerte Werkbank fungiere. Duisburg zum Beispiel hat zwar eine Arbeitslosenquote von 13,4 Prozent. Aber Duisburg ist zugleich Heimat von Konzernen wie Haniel, Klöckner und Alltours; es gibt den Hafen, einen wichtigen Siemens-Standort oder die traditionsreichen Grillo-Werke.
Jutta Günther vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle sekundiert. Man habe gehofft, dass aus den Produktionsstandorten im Osten Entwicklungszentren würden, und viel Geld in die öffentliche Forschung (Fraunhofer- und Max-Planck-Institute) gesteckt. Doch diese Hoffnung habe getrogen, weshalb die Pro-Kopf-Produktivität seit rund einer Dekade beinahe konstant bleibt und bis heute weniger als 80 Prozent des Westniveaus erreicht hat. Was aber im Osten nicht funktioniert habe – durch öffentlich geförderte Forschung private Unternehmen anzulocken –, das „könnte im Ruhrgebiet durchaus eine Erfolg versprechende Strategie sein“, sagt Günther: „Schließlich sind hier privatwirtschaftliche Anknüpfungspunkte vorhanden.“
Sozialistischer Traum
Abgesehen davon, ist die Substanz von Duisburg besser, als es ihre Fassade vermuten lässt: Die Zahl der Arbeitsplätze zum Beispiel ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Warum die Stadt davon nicht wirklich profitiert, zeigt sich im Pendlersaldo: Viele Gutverdiener arbeiten in Duisburg; wohnen aber wollen sie im Düsseldorfer Norden oder im Mülheimer Westen. Auch als Ganzes hat das Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung genommen: Während das Bruttoinlandsprodukt hier pro Kopf um gut 13 Prozent stieg, waren es im Rest von NRW nur knapp sechs Prozent – und in den anderen Bundesländern nur zehn.
Die Rettung von Eisenhüttenstadt
Wachstum – daran ist in vielen Städten des Ostens seit 22 Jahren nicht zu denken. Eisenhüttenstadt zum Beispiel, das war einmal ein sozialistischer Traum, eine Planstadt und ein Stahlkombinat, 1950 erdacht, erbaut und stetig gewachsen. Im letzten Jahr der DDR-Geschichte lebten hier 53.000 Menschen in sieben Wohnkomplexen. Vier davon bilden bis heute das Zentrum südlich des Werkes, drei weitere fraßen sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren südlich und östlich ins Umland – und verbanden sich mit dem historischen Fürstenberg an der Oder.
Nach der Wende stellte sich in Eisenhüttenstadt die Existenz- und Zukunftsfrage. Das Kombinat beschäftigte damals 16.000 Menschen; es war nicht wettbewerbsfähig, ganz Eisenhüttenstadt wusste und bangte: Ohne Werk keine Stadt. Die Politik entschied sich, Eisenhüttenstadt zu retten – und ihre notfallmedizinischen Maßnahmen glückten: Die Treuhand verkaufte das Werk an einen belgischen Investor. Brüssel bezahlte einen großen Teil der 1,3 Milliarden Mark teuren Investitionen.
Seither befindet sich Eisenhüttenstadt auf der Intensivstation. Die Stadt schrumpft und schrumpft, weshalb die proportionalen Kosten zur Aufrechterhaltung ihrer Vitalfunktionen steigen und steigen – mit jedem Einwohner, den die Stadt verliert: die laufenden Kosten, also der Betrieb von Bücherei, Schwimmbad, Sporthalle und Kulturzentrum – Einrichtungen, die von zunehmend weniger Menschen genutzt werden. Aber natürlich auch die Kosten der Rettung von damals, als man noch meinte, mit der Rettung des Werkes 50.000 Menschen helfen zu können. Man muss wissen, um die Lage des Ostens wirklich zu verstehen: dass aus einem heute investierten Euro in Eisenhüttenstadt durch kein Wachstum der Welt morgen zwei werden können, sondern dass hier seit 20 Jahren jeder Euro, den man für Eisenhüttenstadt aufwendet, eigentlich mit zwei Euro zu Buche schlägt, weil die Hälfte der Leute, die man ursprünglich fördern wollte, längst woanders ist.
Sinkende Einwohnerzahl
Vor elf Jahren, kurz vor dem Start von „Stadtumbau Ost”, war Christiane Nowak noch optimistisch. Damals sah sie Eisenhüttenstadt im Jahre 2015 bei 35.150 Einwohnern stehen. Weitere 15 Prozent weniger in 15 Jahren, das war zwar keine erbauliche Perspektive, aber immerhin: eine Perspektive. Und mit so einer Perspektive lässt sich arbeiten, dachte Christiane Nowak – bis sie zwei Jahre später (2003) die nächste Prognose las: Danach landete Eisenhüttenstadt in 2015 bei 32.830 Einwohnern.
Seither regiert die Bereichsleiterin Stadtentwicklung und Stadtumbau im Zwei-Jahres-Rhythmus sinkenden Prognosen und Einwohnerzahlen hinterher. Im Moment sind es weniger als 30.000. In drei Jahren sollen es nur noch 26.350 sein. „Eisenhüttenstadt entwickeln, das bedeutet: Eisenhüttenstadt muss attraktiv werden durchs Kleinerwerden“, sagt Christiane Nowak – und wer mir ihr durch den Wohnkomplex II marschiert, eine frisch sanierte Sozialismus-Siedlung der schönsten Art – Flachdach-Häuser, blockhaft einander zugewandt, bekrönt mit hübschen Attiken, dazwischen viel Erholungsgrün –, der wird ihr sogleich gratulieren: Alles richtig gemacht!
Man kann es nicht jedem Recht machen
Nowak hat sich entschieden, das Zentrum auf Kosten der Ränder zu stärken; die jüngeren Plattenbau-Siedlungen an der Peripherie sind im Gegensatz zu den ersten vier Wohnkomplexen architektonisch ambitionslos. Und so hat die Stadt nicht nur mittlerweile 5.600 Wohneinheiten abgerissen, sondern Wohnkomplex VII gleich dem Erdboden gleichgemacht. Sicher, es gab Härtefälle: Familien und auch ein paar Alte, die umziehen mussten und sich stattdessen den Erhalt und schonungsvollen Rückbau ihrer Siedlung gewünscht hätten. „Aber wenn Sie es jedem recht machen wollen“, sagt Nowak, „dann machen Sie es keinem recht.“
Das sieht auch Karsten Münch ein. Und doch findet der 38-jährige Immobilienmakler, der mit seiner Frau und seinen drei Kindern gerade in eine frisch renovierte Wohnung im abgelegenen Wohnkomplex VI gezogen ist, dass es so nicht weitergehen kann: „Abriss, Renovierung, Umzug – wer soll das alles bezahlen?“ 700 Euro warm müssen die Münchs für 100 Quadratmeter aufbringen, rund 100 Euro mehr als vorher – „das ist hier im Osten ’ne ganze Stange Geld“. Tatsächlich sind die Preise für Wohnraum in Eisenhüttenstadt vergleichsweise hoch – was nicht zuletzt daran liegt, dass die 2.500 Beschäftigten im Stahlwerk, das heute zum Arcelor-Mittal-Konzern gehört, nach Tarif bezahlt werden.
Lieber ins Eigenheim
Das Problem ist, dass die 2.500 Arbeiter, die in kleineren Betrieben der Stahlbranche arbeiten, kaum mehr als die Hälfte ihrer Kollegen erhalten – und die Mieten für die schönen neuen Wohnungen im Stadtzentrum nicht aufbringen können. Christiane Nowak beteuert zwar, dass der Leerstand in den zentralen Komplexen bei unter 15 Prozent liegt, doch auch sie weiß: Viele Eisenhüttenstädter können sich die Wohnungen nicht leisten; wer sie sich aber leisten kann, der baut sich lieber ein Eigenheim.
Im Extremfall heißt das: Im subventionierten Wohnkomplex der Innenstadt wohnen zur Vermeidung von Leerstand Subventionsempfänger. Wer aber kein Subventionsempfänger ist, der arbeitet in einem Stahlwerk, dessen Existenz sich Subventionszahlungen verdankt – und in einem Unternehmen, dessen laufender Betrieb zum Dank dafür, dass es keine Subventionsempfänger beschäftigt, indirekt subventioniert wird, weil es so gut wie keine Gewerbesteuer zahlt.
Nachhaltigkeit funktioniert anders
Nahhaltig klingt das alles nicht. Und doch gibt Christiane Nowak nicht auf: „Wir brauchen noch etwas Geduld. Ich bin sicher, irgendwann, vielleicht mit 25.000, vielleicht mit 20.000 Einwohnern, wird die Stadt sich selbst tragen.“ Es sei denn, nicht die Politik, sondern Arcelor-Mittal käme auf die Idee, den Standort Eisenhüttenstadt irgendwann aufzugeben.
Aber das wäre dann eine andere Geschichte.