Standort Warum es viele Unternehmen zurück nach Deutschland zieht

Einst zogen Stihl, Solarworld und Steiff aus, um im Ausland Produktionskosten zu sparen. Jetzt kehren sie zurück. Warum eigentlich kommen viele deutsche Unternehmen aus dem Ausland wieder nach Hause?

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Trautes Heim, Glück allein Quelle: Fraunhofer ISI

Die deutsche Belegschaft des Kettensägenherstellers Stihl darf sich über ein besonderes Weihnachtsgeschenk freuen: Pünktlich zum Fest kündigte das schwäbische Familienunternehmen an, bald große Teile der Produktion seiner weltbekannten Motorsägen zu verlegen – und zwar nicht ins Ausland, sondern zurück nach Deutschland, an den Stammsitz in Waiblingen bei Stuttgart.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Weltmarktführer die Produktion von Sägemotoren aus Nord- und Südamerika nach Deutschland abgezogen. Jetzt will Stihl weitere Kapazitäten von Brasilien zurück nach Hause holen. Dadurch stabilisiert das Unternehmen die Auslastung des heimischen Personals. Doch es gibt noch weitere Gründe: Brasiliens Währung Real hat im vergangenen Jahr deutlich an Wert gewonnen, sodass die dort gebauten Sägen für internationale Kunden teurer werden – und die Löhne brasilianischer Arbeiter, in Euro gerechnet, mehr kosten. Außerdem entfallen mit der Rückverlagerung Transportgebühren und Zölle.

Stihl ist nicht der einzige Hersteller, der einen solchen Sinneswandel durchlebt. Auch andere bekannte deutsche Namen wie Solarworld oder die Stofftiermarke Steiff kommen heim. Verabschiedet sich die deutsche Industrie etwa nun vom Paradigma der Neunzigerjahre, durch Globalisierung der Wertschöpfungskette Produktionskosten zu sparen? Zwar ziehen immer noch große Konzerne mit ihren Fabriken ins Ausland. Wer etwa die Autobauer Daimler, VW oder BMW vor einem starken Euro nach Amerika fliehen sieht, könnte fast meinen, deutsche Produzenten kehrten immer noch in Scharen der Heimat den Rücken. Doch so ist es nicht. Tatsächlich haben Verlagerungen ins Ausland deutlich abgenommen und sind auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gesunken.

Während zwischen 2004 und 2006 noch 16 Prozent der Industriebetriebe Teile ihrer Produktion verlegten, zogen zwischen 2007 und 2009 nur noch neun Prozent ins Ausland. Die Verlagerungsquote ist damit um 40 Prozent gefallen. Und erstmals überhaupt gingen die Verlagerungen während einer Wirtschaftskrise zurück. Das zeigt eine jüngst veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI).

Lohnsteigerungen und Qualitätsmängel im Ausland

Dagegen ist der Anteil der Unternehmen, die in die Heimat zurückkehren, leicht gestiegen. Mittlerweile kommt auf einen Verlagerer ein Rückkehrer. Diese beklagen etwa Lieferprobleme der ausländischen Fabriken, hohe Transportkosten oder schlechte Qualifikation des internationalen Personals bei relativ hohen Löhnen, die mittlerweile auch an einstigen Billigstandorten gezahlt werden müssen. Vor allem in Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei sind Arbeitskräfte in den vergangenen Jahren immer teurer geworden. Gleiches gilt für die aufstrebenden Küstenregionen Chinas. Dort haben auch neue Sozialgesetze die Arbeitskosten steigen lassen.

Hauptmotiv für die Flucht in die Heimat sind jedoch Qualitätsmängel der im Ausland hergestellten Produkte. Die mit Abstand meisten Rückverlagerer nennen die bessere Qualität als Grund für die Wiederansiedlung ihrer Produktion in Deutschland. Wegen Qualitätsproblemen kehrt zum Beispiel die Kuschelmarke Steiff dem Ausland den Rücken. Das Traditionsunternehmen näht seine Tierchen bald nur noch in eigenen Werken zusammen – die Rückverlagerung der chinesischen Produktion soll in den nächsten Monaten abgeschlossen werden.

Anlass für den Ausflug des Herstellers ins Reich der Mitte war auch der deutsche Hype um den Baby-Eisbären Knut aus dem Berliner Zoo vor rund drei Jahren. Die Kunden wollten so viele Stoff-Knuts, dass die schwäbische Firma zusätzlich in China fertigen ließ. Doch mittlerweile hat Steiff festgestellt: Billigproduktion in Übersee schadet der Marke. Qualitätsmängel und lange Lieferzeiten passen nicht zum Premiumanspruch – und den hohen Preisen.

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