Türkischer Präsident Bombendrohung überschattet Gül-Besuch

Zwischenfall beim Staatsbesuch: Wegen einer Bombendrohung konnte der türkische Präsident Abdullah Gül nicht wie geplant im Audimax der Berliner Humboldt- Universität sprechen.

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Polizeibeamte räumen das Gebäude und den Bereich vor der Humboldt-Universität in Berlin nach einer telefonischen Bombendrohung. Quelle: handelsblatt.com

Eine Bombendrohung hat das Programm des türkischen Präsidenten Abdullah Gül am ersten Tag seines Staatsbesuches in Deutschland durcheinandergebracht. Unmittelbar vor einer geplanten Rede des Staatschefs in der Humboldt-Universität ließ die Polizei den Saal räumen.

Später hielt Gül seine Ansprache in einem anderen Raum. Das festliche Staatsbankett bei Bundespräsident Christian Wulff im Schloss Bellevue wurde deshalb um eine Stunde verschoben.

Ein Polizeisprecher sagte am Abend in Berlin, vor dem geplanten Auftritt Güls sei telefonisch eine Drohung eingegangen, „die von uns als ernstzunehmend eingestuft wurde“. Die Worte seien schwer verständlich gewesen, es habe sich aber wahrscheinlich um eine Bombendrohung gehandelt. Die Straße Unter den Linden wurde weiträumig um das Universitätsgebäude abgesperrt.

Auf dem Bankett erinnerte Wulff dann an den 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei. Unzählige Menschen aus der Türkei seien seitdem „mit Fleiß und Talent“ nach Deutschland gekommen. „ Wir sind froh darüber, denn sie bereichern unser Land und die Beziehungen zwischen unseren Ländern.“

Zu Beginn seines dreitägigen Staatsbesuchs in Deutschland hatte Gül die Beziehungen zwischen beiden Ländern als „außerordentlich gut“ bezeichnet. Bundespräsident Wulff begrüßte Gül als „guten Freund Deutschlands“. Dennoch wurden strittige Fragen zwischen beiden Ländern offen angesprochen.

Die Visapflicht etwa für türkische Geschäftsleute ist nach Ansicht Güls ein Hindernis für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Wulff sprach sich für Erleichterungen aus. Die Bundesregierung sollte Verbesserungsmöglichkeiten prüfen und umsetzen, sagte Wulff beim Deutsch-Türkischen Handelsforum 2011 in Berlin. Deutschland wolle die Nummer Eins im Handel mit der Türkei bleiben.

Auf wenig Gegenliebe stieß Gül dagegen mit seiner Forderung, das 2007 verschärfte deutsche Einwanderungsrecht zu ändern. Insbesondere wendet sich die Türkei gegen die Regelung, wonach künftige Ehepartner aus der Türkei vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen.

Für die Bundesregierung sagte Staatsministerin Maria Böhmer, die Kritik entbehre jeder Grundlage. „Deutschkurse sind von unmittelbarem Nutzen für die Zuwanderer“, sagte sie. Auch Wulff sagte, insbesondere türkische Frauen dürften wegen mangelnder Sprachkenntnisse „nicht in einer Parallelgesellschaft verharren.“

Der türkische Präsident bekräftigte auch den Wunsch nach einem EU-Beitritt seines Landes. „Von diesem strategischen Ziel werden wir nicht abrücken“, sagte Gül auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wulff in Berlin.

Die Formulierung „strategische Partnerschaft“, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Türkei angeboten hat, lehnte Gül ab. Die Türkei müsse die Chance erhalten, die ins Stocken geratenen Verhandlungen mit der EU erfolgreich abzuschließen. Danach müssten die Mitgliedsländer und auch das türkische Volk entscheiden.

Am Vormittag war Gül vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, mit militärischen Ehren empfangen worden. Auch eine Berliner Schulklasse mit zahlreichen türkischstämmigen Schülern begrüßte den Gast. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein türkischer Amtskollege Mehmet Simsek unterzeichneten im Beisein der beiden Staatsoberhäupter ein neues Doppelbesteuerungsabkommen.

Der türkische Präsident traf auch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sowie mit dem Regierenden Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zusammen. Am Dienstag trifft Gül mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, bevor er mit Wulff nach Osnabrück, die Heimatstadt des Bundespräsidenten, weiterreist. Am Mittwoch besucht er zum Abschluss seines Staatsbesuchs Baden-Württemberg.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, forderte ein Ende der Benachteiligung von Christen in der Türkei. „Es ist sehr viel besser geworden, aber es ist immer noch diskriminierend“, sagte Schneider am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) mahnte weitere Verbesserungen für Christen in der Türkei an. „So wie die Muslime in Deutschland ihren Glauben frei leben können, muss dies auch für die Christen in der Türkei gelten“, sagte Kauder.

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