Umweg über Brüssel AfD-Chef Lucke strebt in den Bundestag

Die AfD zieht ins Europaparlament, aber eigentlich will sie noch ganz wo anders hin. Parteichef Lucke will sein Straßburger Abgeordnetenmandat nur drei Jahre ausüben. Dann will er für den Bundestag kandidieren.

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Zukunftspläne: Bernd Lucke, der Chef der Alternative für Deutschland (AfD) will für die nächste Bundestagswahl kandidieren. Quelle: dpa

Der Chef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, ist die Nummer eins der AfD-Europawahlliste. Der Kopf der Euro-Kritiker sieht seine politische Zukunft jedoch nicht dauerhaft im Straßburger Parlament. In der ARD-Sendung „Hart, aber fair“ kündigte er am Montagabend an, für die nächste Bundestagswahl zu kandidieren.

Lucke hat noch mehr vor mit seiner Partei. Das nächste Ziel ist die Landtagswahl in Sachsen Ende August. Zweistellig will die AfD dort werden, am Sonntag hat sie in dem Bundesland schon stolze 10,1 Prozent erreicht. In Thüringen und Brandenburg scheint der Einzug in den Landtag wahrscheinlich. Lucke schließt auch eine Regierungsbeteiligung nicht aus, mit wem auch immer.

Das ruft Linksparteichef Bernd Riexinger auf den Plan. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen fordert er von der Union zu erklären, wie sie zur AfD steht. „Die Union ist sicher gut beraten, ihr Verhältnis zur AfD schnell zu klären. Bisher fehlt ein klarer Kurs“, sagte Riexinger Handelsblatt Online.

Die CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel sage dies, viele andere jenes. „Man bekommt den Eindruck, dass die Abgrenzung nur taktisch war“, sagte Riexinger weiter. Die Wähler im Osten müssten aber schon wissen, woran sie sind. „Regiert die CDU im Zweifel auch am rechten Rand, oder gibt es eine unmissverständliche Absage?“, so Riexinger. Dieser Debatte könne sich die Union nicht mehr entziehen. „Die CDU muss bis zur Sommerpause klare Verhältnisse schaffen.“

Der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger (CDU), sieht keine Veranlassung für seine Partei, Stellung zur AfD zu nehmen. „Ein Bündnis mit der AfD schließt sich doch objektiv für die Union aus“, sagte Bilger Handelsblatt Online. „Alleine die Differenzen in der Europapolitik sind unüberbrückbar.“

Experten sehen die AfD auf einem guten Weg. Dauerhaft etabliert in der deutschen Parteienlandschaft werde sie aber erst nach erfolgreichen Landtagswahlen sein, meint der Parteienforscher Oskar Niedermayer. „Sie ist auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen“, sagte er. Also nehmen Lucke und seine Leute jetzt eine Art Umweg über Brüssel.


Versuche der Image-Verbesserung

Ob das der Partei und ihrem Ansehen gut tut, wird man sehen. Ohne Lucke läuft bisher nichts bei der AfD. Auch innerparteiliche Kritiker haben ihm autoritären Führungsstil vorgeworfen. Energisch war und ist er darauf bedacht, alles in der Partei unter Kontrolle zu behalten - auch das öffentliche Erscheinungsbild, was nicht immer glückt.

33 Jahre war Lucke CDU-Mitglied, doch 2012 rief er gemeinsam mit Alexander Gauland und Konrad Adam zunächst die eurokritische „Wahlalternative 2013“ ins Leben. Vor gut einem Jahr gründete er dann die Alternative für Deutschland und trat aus der CDU aus, weil er deren Euro-Rettungspolitik für verfehlt hielt. „Ich beschreibe mich als Christdemokraten, als in der Wolle gefärbten Christdemokraten, der sich von seiner Partei verlassen fühlt“, sagte der 51-Jährige damals.

Lucke ist Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg, er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Der Kirchgang am Sonntag nahe seinem Wohnort im südlichen Speckgürtel Hamburgs gehört ebenso zu seinem Leben wie die Präsenz in Talkshows. Überheblichkeit werfen ihm manche vor, so jüngst die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. In einer TV-Runde etwa, als er bei seinen Mit-Teilnehmern „Kenntnisse über die Zahlen“ vermisste. „Solche Sätze sagt er öfter, sie wollen einfach aus ihm heraus. Dann füllen sie den Raum mit heller, blanker Arroganz.“

Um sein öffentliches Image zu verbessern, lud Lucke vor kurzem Journalisten des „Spiegel“ und der „Zeit“ in sein Haus in Winsen an der Luhe südlich von Hamburg. Ergebnis der „Spiegel-Recherche“: Er trinkt kein Bier, hat keinen Fernseher und auch kein Auto.

Politiker wollte Lucke bisher nicht sein, immer noch ist er vor allem Wirtschaftswissenschaftler. Seine Ideologie sei das Expertentum, schrieb die „Zeit“. Seine Lehrtätigkeit an der Universität Hamburg wird er jetzt für das Mandat im Europaparlament ruhen lassen. Ob ihn das so weit entlastet, dass er Partei und Abgeordnetentätigkeit unter einen Hut bekommt, wird er gefragt. „Ich sehe das im Augenblick relativ entspannt“, sagt er. Andere würden das ja auch hinkriegen mit Parteiführung und Amt, und die seien sogar Minister oder Kanzlerin.

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