Union und SPD im Clinch Umweltministerin muss Klimaschutzplan vertagen

Ziel verfehlt: Vor dem internationalen Klimagipfel, der kommende Woche in Marokko startet, gibt es keinen abgestimmten Klimaschutzplan 2050. Warum sich Umweltministerin Hendricks und die Koalition nicht einigen konnten.

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„Kritik am Klimaschutzplan ist in Ordnung“, sagte Barbara Hendricks (SPD). Quelle: dpa

Berlin Für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist die Sache klar: die Blockadehaltung bei der Union war zu groß – deswegen gibt es vor Beginn des internationalen Klimagipfels vom 7. bis 18. November im marokkanischen Marrakesch keinen nationalen „Klimaschutzplan 2050“ mehr. Eigentlich wollte Hendricks die Strategie, wie Deutschland langfristig nahezu vollständig auf den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen verzichten kann, am Mittwoch im Kabinett beschließen lassen.

Der Widerstand der CSU-geführten Ministerien für Verkehr und Landwirtschaft verhinderte indes eine Einigung. Auch die Unionsfraktion macht seit Monaten Front gegen den Klimaplan und verteufelt ihn als Gefahr für Wirtschaft und Wohlstand.

„Ich hätte es gern gesehen, wenn wir vor der Konferenz den Klimaschutzplan verabschiedet hätten“, sagte Hendricks am Dienstag in Berlin. Inhalte seien jedoch wichtiger als der Zeitplan – und sie sei zuversichtlich, dass man sich bis Ende des Jahres einigen werde.

Die Gespräche mit den besonders betroffenen Ressorts Verkehr und Landwirtschaft kämen schleppend, aber doch konstruktiv voran, Politiker aus der Unionsfraktion schössen aber auf eine Weise quer, „die dem Thema nicht wirklich angemessen ist“, so Hendricks. Ihr Staatssekretär Jochen Flasbarth berichtete, man habe in den vergangenen zehn Tagen mehr Fortschritte gemacht als in den Wochen zuvor. Es sei jedoch ein ambivalentes Bild, was sich zeige.

Die Union wisse noch nicht so genau, was sie eigentlich wolle, sagte Hendricks. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) folgen „oder ihr in den Rücken fallen“. Die Argumentation der Ministerin: Das im vergangenen Jahr vereinbarte und erst kürzlich vom Bundestag ratifizierte Pariser Weltklimaabkommen sei eine Verpflichtung, es im eigenen Land umzusetzen. „Kritik am Klimaschutzplan ist in Ordnung“, sagte Hendricks anlässlich der Ratifikation im September. „Allerdings ändert man die Realität nicht dadurch, dass man sie ignoriert.“

Der Klimaschutzplan befindet sich seit 6. September in der Ressortabstimmung. Der ursprüngliche Entwurf von Hendricks wurde bereits nach Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt stark abgeschwächt, bevor die Ressortabstimmung überhaupt eingeleitet werden konnte.

So entfielen sämtliche konkreten CO2-Minderungsziele für einzelne Sektoren wie Industrie, Verkehr oder Landwirtschaft. Die Union höre nicht auf, sich gegen die Langfristorientierung zu sträuben, sagte Hendricks am Dienstag. Den Vorwurf, das Ministerium habe nur Deutschland im Fokus und vernachlässige internationale Aspekte, wies sie zurück. „Jedes Land muss seinen Beitrag definieren“, sagte die Ministerin.

Das sei Gegenstand des Paris-Abkommens. Sie äußerte den Verdacht, manch einer habe das Abkommen nicht verstanden. „Das macht es manchmal schwierig, wenn man es mit Menschen mit gesundem Halbwissen zu tun hat.“


„Die Bundesregierung versagt auf ganzer Linie“

Bei der Opposition stieß die Absetzung des Klimaschutzplans am Mittwoch im Kabinett auf heftige Kritik. Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik, und Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, sprachen von einem „Armutszeugnis für die Klimapolitik der Großen Koalition“.

Die Bundesregierung fahre mit leeren Händen nach Marrakesch und könne nicht aufzeigen, wie die eigenen Treibhausgase gesenkt würden. Kurz vor Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens sende die Regierung ein fatales Signal an die internationale Staatengemeinschaft. „Jetzt, wo die eigentliche Arbeit losgehen soll, versagt die Bundesregierung auf ganzer Linie.“

Auch um die aktuellen Klimaschutz-Bemühungen in Deutschland steht es nicht gut. Zwar werden endgültige Berechnungen, ob und wie die Klimaschutzziele 2020 erreicht werden, erst im Dezember präsentiert. Es zeichne sich aber schon jetzt ab, dass in Summe nicht ganz so viel erreicht werde wie mit dem Klimaaktionsprogramm vom Dezember 2014 erreicht werden sollte, sagte Hendricks. Ein Nachsteuern sei „mit großer Wahrscheinlichkeit“ erforderlich. Deutschland will bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.

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