Wahlkampfguru Frank Stauss „Wer hat in seiner Jugend gekifft?“

Werbeguru Frank Stauss erklärt, was Markenmacher von Wahlkampfmanagern lernen können. Die SPD dürfte aufhorchen. Sie will sich bald entscheiden, ob sie den Bestsellerautor für den Bundestagswahlkampf 2017 engagiert.

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Wahlkampfstratege Frank Stauss, hier bei einem anderen Termin, kennt die wichtigsten Anforderungen an den Kanzlerkandidaten. Quelle: dpa

Berlin/Frankfurt „Wer hat in seiner Jugend gekifft? Wer ist besoffen beim Autofahren erwischt worden? Wer hat im letzten Jahr zu dem ein oder anderen Thema seine Meinung geändert“, fragt Frank Stauss in die Runde. Die rund 150 anwesenden Unternehmensleiter und Markenentscheider feixen. „Wenn Sie all diese Fragen mit Nein beantworten können, dann können Sie über eine Politikerkarriere nachdenken“, meint Stauss und erntet Gelächter. Der Wahlkampfexperte ist an diesem Donnerstagmittag zum Deutschen Marken-Summit nach Frankfurt gekommen, um über „Branding in der Politik“ zu sprechen. Es geht um Markenbildung in knapper Zeit und unter erschwerten Bedingungen.

„Ein Wahlkampf ist alles auf einmal“, sagt Stauss, der mit blauem Jackett über blauem Hemd und dunkelgrauer Jeans auf der Vortragsbühne des Branchentreffens steht. „Es ist CEO-Positioning der Spitzenkandidaten, klassische Werbung, Agenda-Setting, riesiges Event-Marketing auf Rockkonzertbühnen und Campaining.“ Der Wahlkämpfer arbeite permanent unter Ressourcenmangel, müsse alle Kanäle bedienen und das in einer zutiefst feindlichen Umwelt. „Und wir bieten kein Produkt an, dass so wahnsinnig begehrenswert ist und das jeder nachfragt“, gibt der 51-Jährige zu. „Aber der Wahlkampf ist das Mekka der Kommunikation.“

Diese Worte dürften die Spitzengenossen im Willy-Brandt-Haus aufhorchen lassen. Die Bundes-SPD will im Herbst entscheiden, ob Stauss mit seiner Agentur Butter den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten 2017 in die Schlacht gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) führt.

Das ist nicht eben ein Traumjob in der Wahlkämpfer-Szene. Schließlich harrt die SPD in den Umfragen bleiern bei nur 20 Prozent. SPD-Chef und Wahrscheinlich-Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel ist in der Partei umstritten. Und programmatisch weiß die Sozialdemokratie auch nicht so recht, wo sie hinwill. Wie soll da ein Werber verdichten und zuspitzen?

Frank Stauss dürfte das alles keine Angst machen. In den vergangenen Jahren ist der Werbeguru und Bestsellerautor von „Höllenritt Wahlkampf“ für die SPD zu einer Art Troubleshooter geworden. Zuletzt geleitete er Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz doch noch zum Wahlsieg, obwohl diese lange Zeit rund zehn Prozentpunkte hinter ihrer Herausforderin Julia Klöckner (CDU) lag. 2005 legte er mit Gerhard Schröder eine fulminante Aufholjagd hin, auch wenn die Wahl dennoch knapp verloren ging.

Der Mitinhaber der Kommunikationsagentur Butter, der auch Lebensmittel, Versicherungen oder Banken bewirbt, hat in 20 Jahren rund 25 Wahlkämpfe bestritten. Der Diplom-Politologe lernte sein Handwerk in den USA bei der Clinton/Gore-Kampagne.
Später dann trommelte er für Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, in Nordrhein-Westfalen für Hannelore Kraft, zweimal für Kurt Beck in Rheinland-Pfalz. In Hamburg führte er Olaf Scholz zur absoluten Mehrheit. Mit Frank-Walter Steinmeier erlitt Stauss bei der Bundestagswahl 2009 allerdings eine schmerzhafte Niederlage. Im September nun soll er dem regierenden Michael Müller in Berlin zum Wahlsieg verhelfen. Im Anschluss könnte er mit seiner Aufbauarbeit für die Bundes-SPD beginnen.


„Bist Du gut genug?“

Beim Frankfurter Marken-Summit wandelt Stauss auf der Bühne von rechts nach links, tritt ein Stück vor. „Im Wahlkampf ist alles erlaubt“, betont er. Vergleichende Werbung, offensive Parteilichkeit, das Durchstechen von Informationen, das Skandalisieren von Ereignissen, das Durchleuchten der Akteure. Und dann sei da noch der Spitzenkandidat. „Beim letzten Bundestagswahlkampf war ich nicht dabei, also kann ich lästern“, erklärt Stauss und reiht die Patzer von Peer Steinbrück aneinander: Pinot Grigio, Beppe Grillo, Rednerhonorare.

„In dem Augenblick, wo sich jemand um diesen Top-Job bemüht, wird er anders angesehen“, sagt Stauss. Und der Zuhörer mag an Sigmar Gabriel denken, der höchst wahrscheinlich der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird. Wie würde der wohl die Fragen beantworten, die Stauss dem Publikum in Frankfurt als Selbsttest für Spitzenpolitiker vorstellt: „Kannst Du das bestehen? Bist Du gut genug? Hast Du Dich unter Kontrolle?“ Alles könne den Bach runtergehen, wenn der Spitzenkandidat die Regeln, die der Top-Job erfordere, nicht berücksichtige.

Stauss, der nach eigenem Bekunden schon als Junge einen SPD-Wimpel an sein Bonanza-Fahrrad bastelte, kennt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kampagne: Eine große Idee, eine große Persönlichkeit, die Abgrenzung vom politischen Gegner und das Nutzen des „Momentums“, wenn der Funke auf die Anhänger und bestenfalls auf die breite Wählerschaft überspringt. So beschreibt es Stauss in seinem Buch „Höllenritt“. Klingt alles nicht nach SPD. Zumindest nicht im Moment.

Dass er den Genossen aber Mut machen kann, bewies Stauss zuletzt im Januar bei der SPD-Klausur in Nauen. Dort rechnete er vor, dass es ein Wählerpotenzial von 38 Prozent für die Sozialdemokraten gebe. Die SPD genieße hohes Ansehen in den Bereichen „Sozialer Zusammenhalt“, „Bildung“ und „Integration“ und stehe für eine offene, tolerante Gesellschaft. „Diese Kompetenzen sind jetzt gefragt“, beteuerte Stauss seinerzeit gegenüber dem Handelsblatt. „Die politische Landschaft sortiert sich neu und im Vergleich zu einer aggressiven AfD und einer zerstrittenen Union, bieten sich der SPD als ausgleichende und soziale Kraft neue Chancen.“

In Frankfurt spricht er nun über die SPD als Marke, über Wahlprogramme, die mal rechter und mal linker ausfielen, über Kandidaten wie Wowereit, der eigentlich „harter Arbeiter und Aktenfresser“ gewesen sei, aber das Image des Partybürgermeisters gehabt habe. „Die Amerikaner sagen: Wenn du eine Kampagne nicht führen kannst, kannst du auch nicht regieren“, berichtet Stauss.

Bevor er den Auftrag von Politikern annimmt, macht der Werbestratege eine ausgeprägte Schwächenanalyse: „Wenn Sie die Schwachstellen Ihrer Produkte kennen und sie nicht abstellen können, müssen Sie damit umgehen können.“ Bei Gabriel dürfte er noch dran sein an der Analyse.

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