Die Geschichte ist eine moderne Legende der Wahlkampfführung. Im Sommer 2002 war das Rennen zwischen dem Kandidaten Edmund Stoiber (CSU) und Kanzler Gerhard Schröder (SPD) so lange offen, bis das Elbehochwasser einsetzte. Danach galt Kanzler Schröder in Gummistiefeln als großer Macher, dem die Menschen vertrauten, für Stoiber war der Wahlkampf gelaufen. Die Lehre daraus lautet: Wenn im Wahlkampf ein kolossales Ereignis stattfindet, werden die Karten neu gemischt. Am Ende gewinnt der, der es besser für sich nutzen kann.
Soweit die Legende. Ob sie 2013 zur Anwendung kommt, ist allerdings mehr als fraglich. Denn Untersuchungen der Wahlforscher Harald Schön (Uni Bamberg) und Franz Urban Pappi (Uni Mannheim) zeigen, dass sich aktuelle Ereignisse meist nur relativ kurz auf die Popularität auswirken. Selbst die CDU-Parteispendenaffäre, welche die Partei in der politischen Stimmung kurzfristig von 55 Prozent (November 1999) auf 29 Prozent (Februar 2000) absacken ließ, hatte ein gutes halbes Jahr später ihren Einfluss weitestgehend verloren. Dabei war diese sogar ein explizit politisches Ereignis.
Gerhard Schröder kam es insofern zugute, dass die Flut an der Elbe deutlich näher am Wahltag lag als in diesem Jahr. Mitte August erreichte die Elbe in Dresden ihren Scheitelpunkt. Doch der Zeitpunkt entscheidet nicht allein darüber, wie lange ein Ereignis die politische Stimmung prägt. Das zeigt zum Beispiel das Atomunglück in Fukushima. Obwohl die unmittelbare Bedeutung des Ereignisses für die deutsche Bevölkerung gering war, prägte die sich anschließende Debatte für mehrere Monate das politische Klima. Nachdem die Zustimmungswerte für die Grünen im Februar 2011 nur bei 11 Prozent lagen, kletterten sie innerhalb eines Monats auf 27 Prozent. Bis Mitte Juli verharrten sie über 20 Prozent.
Merkel verspricht Hilfe für Hochwasser-Opfer
Gerade das Hochwasser an der Elbe 2002 zeigt, dass die politischen Parteien und ihre Spitzenleute durchaus einen großen Einfluss darauf haben, wie lange sich ein Thema in der öffentlichen Debatte hält. Zwar überlagerten sich die direkten Auswirkungen des Hochwassers 2002 mit der Festlegung Schröders im Wahlkampf, sich nicht an einem möglichen Irakkrieg zu beteiligen, was ihm parallel einen Popularitätsschub verschaffte.
Dennoch gelang ihm bei Hochwasser der taktisch entscheidende Schritt: ein eigentlich unpolitisches Ereignis wurde politisch. Über die Notwendigkeit von Hilfsmaßnahmen an sich waren sich alle Parteien einig. In einer Bundestagsdebatte Ende August 2002 aber zeigten sich unterschiedliche Auffassungen zur Finanzierung der Hilfen. Während Schröder vorschlug, die geplante Steuersenkung zu verschieben, wollte die Opposition neue Kredite aufnehmen.