Wahlsager

Nach der Flut ist vor der Wahl

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Zu große zeitliche Distanz zum Wahltermin?

Wahlversprechen, und was daraus wurde
1988: „Eins ist sicher: die Rente“ (CDU) Noch im Sommer forderte Bundessozialministerin Ursula von der Leyen, eine Zuschussrente einzuführen. Das soll die Armut im Alter verhindern, die viele Deutsche fürchten. Denn die staatliche Rente allein reicht längst nicht mehr. Schon 2001 führte die Bundesregierung mit der Riester-Rente eine zusätzliche Vorsorge-Möglichkeit ein. 1988 klangen noch andere Töne: Einen abgesicherten Lebensabend versprach damals CDU-Sozialminister Norbert Blüm im Wahlkampf. Mit dem Spruch „Eins ist sicher: die Rente“ hatte die CDU für sich geworben. Quelle: AP
1990: CDU will Aufbau Ost aus der Porto-Kasse zahlen„Blühende Landschaften“ versprach Kanzler Helmut Kohl 1990 in den neuen Bundesländern. Dafür hatte er vor der Bundestagswahl ausgeschlossen und wollte die Wiedervereinigung „aus der Portokasse“ finanzieren. Stattdessen kam der Solidaritätszuschlag. Dieser sollte aber nicht lange bleiben. 1996 versprach Kohl: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Heute gibt es ihn immer noch. Quelle: dapd
2005: SPD schließt eine höhere Mehrwertsteuer ausFranz Müntefering fand es 2005 als Vizekanzler „unfair“, dass die Regierung „an dem gemessen wird, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist“. Seine SPD hatte im damaligen Wahlkampf gesagt, dass es mit ihre keine höhere Mehrwertsteuer geben würde. Die CDU hatte sich für eine Erhöhung um zwei Prozentpunkte eingesetzt. Schließlich wurden es drei Prozentpunkte – mit der SPD als Koalitionspartner. Quelle: dpa/dpaweb
2005: CDU will erst raus aus dem Atomausstieg - und dann doch nichtSchon im Wahlkampf 2005 stellt die CDU den unter der SPD beschlossenen Atomausstieg in Frage. Raus aus dem Ausstieg wagt sie sich jedoch erst 2010 in einer Koalition mit der FDP. Lange fest hält sie daran nicht. Kanzlerin Angela Merkel änderte ihre Haltung ein knappes Jahr später nach der Atom-Katastrophe von Fukushima. Im Juni 2011 beschlossen Bundestag und Bundesrat, die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke und das Kraftwerk Krümmel sofort stillzulegen sind. Die restlichen deutschen Kernkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Quelle: AP
2008: Hessens SPD will erst ohne, dann mit der LinkenRoland Koch als hessischen Ministerpräsidenten zu Fall bringen: Das war 2008 das Ziel von SPD-Spitzenkandiidatin Andrea Ypsilanti im hessischen Wahlkampf. Dafür wollte sie sogar ihr Wahlversprechen brechen, keine Koalition mit der Linken einzugehen. „Wir werden uns nicht einmal von ihr tolerieren lassen. Auch nach dem Wahlabend nicht, garantiert!“ Das waren Ypsilantis Worte vor der Wahl gewesen. Als sie sich nach der Wahl doch von der Linken tolerieren lassen wollte, ließ sie nach heftigem Widerstand von ihrem Vorhaben ab und trat zurück. Quelle: dpa
2009: CDU und FDP wollten das Kindergeld auf 200 Euro erhöhen200 Euro Kindergeld versprach die FDP vor der Bundestagswahl 2009. Die Koalition mit der CDU einigte sich sogar auf diese Erhöhung – geschehen ist seit dem nichts: Der Kindergeld-Satz liegt derzeit bei 184 Euro für das erste und zweite Kind, sowie 190 Euro für das dritte Kind. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung von November 2012 können Eltern immerhin auf eine Erhöhung von zwei Euro bis spätestens 2014 rechnen. Quelle: AP
2009: CDU will Eingangssteuersatz senkenZum Jahresbeginn2013 dürfen sich die Steuerzahler über eine Erleichterungen freuen. Der Grundfreibetrag steigt ab jetzt schrittweise bis 2014 von 8.004 auf 8.354 Euro. Der Eingangssteuersatz bleibt jedoch gleich. Dabei hatte die CDU im Wahlkampf 2009 versprochen, ihn in zwei Schritten von 14 auf zwölf Prozent zu senken. Quelle: dpa

Schröder hielt sich aus der Debatte selbst heraus, beschrieb stattdessen in pathetischen Worten den heroischen Kampf der Betroffenen gegen die Fluten. Ein Beispiel: „Was wir in diesen Tagen erlebt haben: Aus der deutschen Einheit ist die Einheit der Deutschen geworden, und zwar im Kopf und in den Herzen.“ Am Ende blieb der Vorwurf haften, der Kandidat Stoiber wolle dieses emotionale Thema für den Wahlkampf ausschlachten, während der Kanzler an die Menschen dachte. Kleinliche Krämerseele gegen Kümmerer in der Not – den Kampf konnte Stoiber nicht mehr gewinnen.

Solche Ereignisse haben dabei kaum Auswirkungen auf die Einstellungen der Parteianhänger. Die Untersuchungen zur Wahl 2002 zeigen, dass langfristige Einstellungen und Loyalitäten unberührt bleiben. Bei den parteilich unabhängigen Wähler zeigte sich allerdings ein kurzfristiger Anstieg in der Beliebtheit der Regierung. Zusätzlich können sich solche Ereignisse auf die Bedeutung von Personen im Wahlkampf auswirken. So ließ sich im Wahlkampf 2002 beobachten, dass die Wähler in den Monaten vor der Wahl dem Kandidaten eine wachsende Bedeutung für die Wahlentscheidung zuschrieben. Wenn es zu dieser Personalisierung kommt, profitiert aber meist der Amtsinhaber, da nur er die Möglichkeit hat, sich als handelnde Person in einer Krise zu inszenieren. Dabei sind die Auswirkungen völlig unabhängig davon, wo das Ereignis selbst stattfindet. So zeigen die Untersuchungen zur Elbeflut 2002, dass der folgende Popularitätsschub im Westen Deutschlands sogar deutlicher ausfiel als im eigentlich betroffenen Osten.

Wie das Einkommen das Wahlverhalten bestimmt
Die Anhänger dieser Partei würde wahrscheinlich diese Wahlkabinen nicht betreten - es ist die Partei der Nichtwähler. 18,5 Prozent der Nichtwähler verdienen weniger als 1.000 Euro pro Monat. Auch in der Einkommensgruppen über 2.500 pro Monat finden sich immer noch 26 Prozent der Nichtwählerpartei.Quelle: Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig Quelle: REUTERS
Die Linkspartei kommt nicht richtig bei den Armen an. Lediglich 6,8 Prozent ihrer Wähler verdienen weniger als 1.000 Euro - 30,8 Prozent der Linke-Wähler stehen hingegen mehr als 2.500 Euro zur Verfügung. Quelle: dpa
Anders als die Vermutung nahe legt, befindet sich auch die SPD bei den Personen, die weniger als 1.000 Euro verdient, klar in der Minderheit. Nur 6,1 Prozent der SPD-Wähler kommen aus dieser Schicht, während bei den Personen mit einem Einkommen von mehr als 2.500 Euro bereits 31,3-Prozent der Wähler stammt. Quelle: AP
Die Piratenpartei hat eine breite Basis an Anhängern. Sie überholt alle etablierten Parteien im Spektrum der Personen, die weniger als 1.000 Euro verdienen: Sie finden hier 10,8 Prozent ihrer Wähler. Und bei den großen Einkommen über 2.500 Euro vereinen die Freibeuter gleich 31,8 Prozent ihrer Wählerschaft. Quelle: dpa
Untentschlossene Wähler stammen zu 32,9 Prozent aus der Einkommensgruppe über 2.500 Euro. Sie sind auch in der Gruppe unter 1.000 Euro mit 11,4 Prozent vertreten. Quelle: ZB
31,8 Prozent der Wähler, die ihr Stimme der CDU/CSU geben, verdienen mehr als 2.500 Prozent. In der Einkommensgruppe von unter 1.000 Euro sind lediglich nur 5,7 Prozent der Wähler. Quelle: dpa/dpaweb
Gut in den allen Einkommensgruppen vertreten: Die Rechtsparteien. 15,8 Prozent ihrer Wähler verdienen weniger als 1.000 Euro; 35 Prozent mehr als 2.500 Euro. Quelle: dapd

Überträgt man diese Erkenntnisse auf den Wahlkampf 2013, so lassen sich aus Sicht der Parteien verschiedene Schlüsse ziehen. Aus Sicht der SPD ist es rational, aus dem Thema Hochwasser keine politische Streitfrage werden zu lassen. Die CDU mit ihrer Kanzlerin Angela Merkel kann hingegen nur verlieren, wenn sie das Gefühl vermittelt, die Katastrophe zu unterschätzen und nicht entschlossen genug zu handeln.

Dann würde sie der Opposition das Feld öffnen, um sich selbst als Helfer zu profilieren. Auch das wird im aktuellen Fall aber schwierig, da die drei vom Hochwasser besonders betroffenen Bundesländer (Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt) allesamt konservativ regiert sind.

Insgesamt ist jedoch eher nicht damit zu rechnen, dass das Hochwasser einen Einfluss auf die Wahl haben wird, selbst bei optimaler Taktik ist die zeitliche Distanz zum Wahltermin ist wohl zu groß. Zudem könnte es eine Art Gewöhnungseffekt geben. Da 2013 größtenteils die gleichen Regionen betroffen sind wie 2002, dürfte die Wahrnehmung des Ereignisses nicht wieder die gleiche Dramatik erreichen.

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