Wegen Anschlagsplänen Polizei nimmt zwei Brüder in Duisburg fest

Spezialeinheiten haben in Duisburg zwei Männer festgenommen. Sie sollen möglicherweise einen Anschlag auf das Centro in Oberhausen geplant haben. Derweil wird der Terrorverdächtige Anis Amri in Berlin vermutet.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Polizei zufolge könnten die beiden festgenommenen Brüder einen Anschlag auf das Einkaufszentrum Centro in Oberhausen geplant haben. Quelle: dpa

Berlin Die Polizei hat mit zwei Festnahmen in Nordrhein-Westfalen womöglich einen Anschlag verhindert. Spezialeinheiten hätten in der Nacht zu Freitag in Duisburg zwei Männer in Gewahrsam genommen, teilte die Polizei mit. Die 28- und 31-jährigen Brüder aus dem Kosovo stünden im Verdacht, möglicherweise einen Anschlag auf das Einkaufszentrum Centro in Oberhausen vorbereitet zu haben. Unklar ist noch, wie weit die Pläne vorangeschritten und ob womöglich weitere Personen daran beteiligt waren. Am Donnerstagabend hatte die Polizei bereits nach Warnungen zusätzliche Einsatzkräfte rund um das Centro und den angrenzenden Weihnachtsmarkt zusammengezogen.

Laut der Polizei hatte die Einsatzleitung in Essen nach einem Hinweis aus Sicherheitskreisen am Donnerstag gegen 18 Uhr zusätzliche Polizeikräfte zusammengezogen für Kontrollen im Bereich des Einkaufszentrums und des angrenzenden Weihnachtsmarktes. Nach Angaben der „Rheinischen Post“ liefen die Beamten in Sechser- und Achtergruppen mit Maschinenpistolen auf dem Weihnachtsmarkt Streife und befragten Passanten.

Der Hinweis auf die beiden Brüder kam nach „Bild“-Informationen vom Verfassungsschutz. Während des Großeinsatzes seien Feuerwehrkräfte und Rettungsdienste bereits alarmiert gewesen, um im Notfall sofort eingreifen zu können, berichtete die Zeitung auf ihrer Internetseite.

Das CentrO ist eines der größten Einkaufs- und Freizeitzentren Europas. Auf zwei Etagen sind dort rund 250 Geschäfte vertreten. Wegen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin sind die Sicherheitskräfte in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Ländern in besonderer Alarmbereitschaft.

Nähere Informationen zu den Einsätzen in Duisburg und Oberhausen gab es von den Sicherheitsbehörden zunächst nicht. Das NRW-Lagezentrum in Düsseldorf verwies auf Anfrage auf die Polizei in Essen, die ebenso wie die Polizei Duisburg keine weiteren Angaben machen wollte.

Über den Kurznachrichtendienst Twitter hatte die Polizei Oberhausen am Donnerstagabend unter Erwähnung des Centros zunächst einen Achtungshinweis („Einsatz zu ihrer Sicherheit“) veröffentlicht und direkt danach auf den Anschlag in Berlin verwiesen: „Im Nachgang zu #Breitscheidplatz in Berlin stellen wir uns zu ihrer Sicherheit um Weihnachtsmärkte und Menschenmengen stark auf.“


Amri ist weiter auf der Flucht

Derweil deuten neue Hinweise zum mutmaßlichen Attentäter Anis Amri darauf hin, dass der europaweit gesuchte Tunesier nach dem Anschlag Unterschlupf in Berlin gesucht hat. Der rbb veröffentlichte Überwachungsbilder, die den Terrorverdächtigen knapp acht Stunden nach dem Lkw-Anschlag vor einem Berliner Moschee-Verein zeigen sollen. Derweil wurden im Ruhrgebiet in der Nacht zum Freitag zwei Brüder festgenommen, die von der Polizei verdächtigt werden, möglicherweise einen Anschlag auf ein Einkaufszentrum in Oberhausen vorbereitet zu haben.

Nach Informationen des „Tagesspiegels“ gehen die Ermittler davon aus, dass sich Amri noch in Berlin versteckt hält. Ein Zeuge habe ihn nach dem Anschlag mit Verletzungen im Gesicht fliehen sehen, die versorgt werden müssten. Nach rbb-Informationen soll Amri zudem auf der Flucht nicht nur seine Geldbörse mit diversen Dokumenten im Lkw-Führerhaus liegen gelassen, sondern auch sein Handy verloren haben. Die Berliner Polizei wollte den Bericht nicht kommentieren und verwies auf die Bundesanwaltschaft, von der zunächst keine Stellungnahme zu bekommen war.

Die Ermittler haben kaum noch Zweifel, dass Amri für den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten und mehr als 50 Verletzten verantwortlich ist. Nach dem 24-Jährigen wird nun mit Haftbefehl gesucht. Amris Fingerabdrücke wurden am Fahrerhaus des Lastwagens sichergestellt, der am Montagabend in den Weihnachtsmarkt gerast war. Dies teilte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) mit. Es gebe auch weitere Hinweise, „dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist“.

Dem rbb zufolge wurde Amri am 14. und 15. Dezember vor dem als Salafistentreffpunkt bekannten Moscheeverein in Berlin-Moabit von Sicherheitskräften gefilmt. Weitere Observationsbilder sollen ihn am frühen Dienstagmorgen an gleicher Stelle zeigen. Alle Aufnahmen wurden demnach jeweils zwischen 3 und 4 Uhr morgens angefertigt.

Ort der Observation war die Vorderseite des Gebäudes des Moschee-Vereins „Fussilet 33“. Dieser war am Donnerstag nach dpa-Informationen von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei gestürmt worden. Der Moschee-Verein wird im jüngsten Bericht des Berliner Verfassungsschutzes als Treffpunkt von Islamisten geführt. Beim Islamunterricht sollen dort Muslime – meist Türken und Kaukasier – für den bewaffneten Kampf der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien radikalisiert worden sein. Der Lkw-Stellplatz, von dem der Lastwagen vor dem Anschlag losfuhr, ist nur wenige Hundert Meter von dem Moschee-Verein entfernt.

Neben den Aufnahmen aus Moabit ist auch ein Video aufgetaucht, das den Moment des Anschlags aus der Perspektive eines Autofahrers zeigt. Das von Bild.de veröffentlichte Video zeigt, wie der Lastwagen mit hohem Tempo in den Weihnachtsmarkt fährt. Kurze Zeit später ist zu sehen, wie Menschen vom Tatort weglaufen.

Nach dem Anschlag in Berlin hat es in NRW schon mehrere Polizeieinsätze gegeben, wobei laut Bundesanwaltschaft niemand im direkten Zusammenhang mit dem Berliner Fall festgenommen wurde.

Gegen Amri selbst wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Die Bundesanwaltschaft wies am Donnerstag darauf hin, dass verschiedene Orte in Berlin und Nordrhein-Westfalen, an denen er sich aufgehalten haben soll, durchsucht worden seien. Auch ein Reisebus in Heilbronn sei inspiziert worden. Festnahmen habe es nicht gegeben.

Auf die Spur Amris waren die Ermittler gekommen, als sie im Lastwagen seine Duldungspapiere fanden. Das geschah aber erst am Dienstag, weil die Fahrerkabine zunächst versiegelt worden war.

Amri, der 2015 über Freiburg ins Land einreiste, war Medienberichten zufolge in Italien und Tunesien bereits zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Die Sicherheitsbehörden hatten laut „Spiegel“ vor Monaten vage Hinweise darauf, dass er sich im Chat mit einem Hassprediger als möglicher Selbstmordattentäter anbot. Abgefangene Äußerungen von Amri seien aber so verklausuliert gewesen, dass sie nicht für eine Festnahme gereicht hätten.


BAMF-Chef räumt Fehler ein

Nach dpa-Informationen gibt es bisher keine Hinweise auf enge Kontakte Amris zum kürzlich verhafteten Salafisten-Prediger Abu Walaa. Nach einem Bericht der „New York Times“ soll sich Amri aber im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert und auch mindestens einmal über den Messengerdienst Telegram Kontakt zum IS gehabt haben, der den Anschlag in Berlin für sich reklamiert.

Die Behörden hatten den Tunesier mit verschiedenen Alias-Namen monatelang als sogenannten Gefährder auf dem Radar, konnten ihm aber nichts nachweisen. Als Gefährder werden unter anderem radikale Islamisten bezeichnet, denen schwere Straftaten zugetraut werden. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte, weil er keinen Pass hatte.

Der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, hat eingeräumt, selbst die eine oder andere Asyl-Entscheidung der vergangenen Monate kritisch zu sehen. Von den insgesamt 700.000 entschiedenen Fälle im Jahr 2016 seien es aber vergleichsweise wenige gewesen. Inzwischen seien erhebliche Fortschritte bei der Bearbeitung der Asylverfahren gemacht worden, sagte Weise in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur zum Ende seiner Amtszeit als BAMF-Leiter. „Die Herausforderung hatte darin bestanden, in sehr kurzer Zeit die Asylanträge sehr vieler Menschen in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren zu bearbeiten“, sagte Weise weiter. „Das hat allererste Priorität gehabt“. Auch ein zweites Mal würde er nicht anders handeln, versicherte Weise.

Nach dem Terroranschlag wird der Weihnachtsreiseverkehr in Deutschland schwer bewacht. An Flughäfen, Bahnhöfen und bei der Fahndung in einem 30 Kilometer breiten Streifen an den Grenzen Deutschlands ist die Bundespolizei präsent, teilte das Bundespolizeipräsidium in Potsdam mit. Sie sucht nach Hochdruck nach dem tatverdächtigen 24-jährigen Anis Amri. Mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen ausgerüstete Beamte gehen auf Streife. Zudem laufen auch verdeckte Maßnahmen, sagt Sprecher Gero von Vegesack. Die Bundespolizei hat bundesweit 41.000 Mitarbeiter, darunter sind etwa 31.000 ausgebildete Vollzugsbeamte.

An den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld gehen Beamte in voller Montur auf Streife – dort wurde die Präsenz bereits nach den Anschlägen von Paris und Brüssel erhöht, berichtete Jens Schobranski, der Sprecher der Hauptstadtdirektion der Bundespolizei, die für Berlin und Brandenburg zuständig ist. Zur auffälligen Ausrüstung der Beamten gehört vor allem die „MP5“ – eine bei Polizeidienststellen weltweit verbreitete Maschinenpistole.

Bei der Bundespolizei wurden zudem die Dienstpläne überarbeitet, um die zusätzliche Arbeit bewältigen zu können. Noch ist unklar, wie lange die erhöhte Wachsamkeit aufrechterhalten werden muss. Dabei nehmen die Beamten auf jeden Fall bereits auch Silvester in den Blick – so wird etwa das Sicherheitskonzept für die Berliner Silvesterparty nochmals überarbeitet. „Derzeit sind wir guter Dinge“, sagte Schobranski mit Blick auf die Frage, ob das noch zu bewältigen sei.

Außerhalb der Bundeshauptstadt hat die Bundespolizei vor allem die Grenzen im Blick. Bundesweit darf sie in einem Streifen von 30 Kilometern zur jeweiligen Grenze kontrollieren, sagte Präsidiums-Sprecher Gero von Vegesack. „Wir fahnden intensiv nach dem Täter“, sagte zudem Schobranski. Mit Verzögerungen an Flughäfen oder an den Grenzübergängen müssten Weihnachtsreisende aber nicht rechnen.

Auch am größten deutschen Flughafen in Frankfurt hatte die Bundespolizei gleich nach dem Anschlag die Fahndung intensiviert. Es seien nicht nur mehr Kräfte im Einsatz, diese seien auch besonders aufmerksam und für mögliche Gefahren sensibilisiert, hatte ein Sprecher in Frankfurt/Main betont.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%