Werner knallhart

Homo-Ehe: Für CDU/CSU ist Sexualität peinlich

Deutschland ist das Zugpferd Europas – aber nur wirtschaftlich. Gesellschaftspolitisch sind wir als Vorbild ein Totalausfall. Dank eines irrationalen Hinterweltlertums aus Deutschlands Süden und Südwesten und einer Kanzlerin, die sich den peinlichen Zirkus bieten lässt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Schwule feiern das Referendum zur Homo-Ehe in Irland Quelle: AP

Wir leben in einem Land, in dem Erzieherinnen ihren Job verlieren, weil sie sich neu verlieben und wieder heiraten. Weil der Träger des fast komplett von unseren Steuergeldern bezahlten Kindergartens das gerecht findet. Egal, was Kinder und Eltern sagen. Und wir lassen uns das bieten.

Wir leben in einem Land, in dem es eine Frauenquote für Aufsichtsräte gibt, und gleichzeitig einen Berufsstand, der für Frauen komplett verboten ist. Der der Priesterin in der katholischen Kirche.

Wir leben in einem Land, in dem Mütter mit Prämien dazu motiviert werden, Kinder Zuhause zu betreuen und damit dem Arbeitsmarkt fern zu bleiben. Weil es doch schließlich immer so war, dass die Frau sich finanziell vom Mann abhängig macht. Da müssen die Kinder es dann schon aushalten, dass sie nicht in der Kita Deutsch lernen dürfen.

Deutschland kommt nicht voran

Und wir leben in einem Land, im dem die konservativen Kreise in der Bundesregierung der Meinung sind: Die herausragende Stellung der Ehe bleibt nur erhalten, wenn man Paare, die nicht aus Mann plus Frau bestehen, unglücklich macht. Das eine könne nur glänzen, wenn das andere herabgewürdigt wird. Diesen erbärmlichen Beistand hat die Ehe doch gar nicht nötig. Und die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen weiß das auch längst.

Iren stimmen für Einführung gleichgeschlechtlicher Ehe

Aber Deutschland kommt nicht voran. Wegen der politischen Kräfte, für die Sex immer noch was ist, für das man sich schämt. Denen als Kinder gepredigt wurde, dass Onanie Sünde ist. Dass Sex nicht der Gipfel von Zärtlichkeit ist, nicht das natürlichste Bedürfnis der Welt, über das wir uns freuen dürfen, sondern irgendwie pfuibäh und nur akzeptabel, wenn der liebe Gott sein Go gegeben hat, weil ohne Sex ja nunmal keine Kinder kommen.

Und dann geht das so:

  1. Diese Leute stellen sich vor, wie zwei Männer Geschlechtsverkehr haben, weisen diese Art von Sex von sich (aus welchem unterbewussten Grund auch immer)
  2. Es schleicht sich unterschwellig eine moralische Überheblichkeit ein, wie man sie sich ja gegenüber Minderheiten wunderbar anmaßen kann, ohne gleich auf die Schnauze zu fallen. Dann steht man automatisch mit seinen eigenen sexuellen Gelüsten prima da.
  3. Dann wird Sex gleichgesetzt mit Liebe und dem Wunsch, im Leben für seinen Partner einzustehen, und damit wird Homosexuellen die Unterstützung von Staats wegen verwehrt. Weil das irgendwie ein schmuddeliges Randgruppen-Ding ist.

So einfach kommt man bislang gegen die lange währende Mehrheitsmeinung in Deutschland durch. Ohne einen vernünftigen Grund. Denn das Allerschlimmste ist, wie die Gegner der Gleichstellung von Heterosexuellen und Homosexuellen ihre Haltung erklären. Nämlich gar nicht. Es gibt keine vernünftigen Argumente. Den besonderen Verfassungsrang der Ehe anzuführen, ist Stuss.

So als würde man Strom aus Wasserkraft verbieten, weil man sich ja vorgenommen hat, Strom aus Windkraft besonders zu fördern.

Die „Zeit“ hat gerade eigens in einem Tortendiagramm dargestellt, was sich für Heterosexuelle ändert, wenn die Ehe für alle geöffnet wird:

33,3 Prozent: nichts

66,6 Prozent: überhaupt nichts. 

Doch die verklemmten Stammtischseppel haben derart viel politischen Einfluss auf die Gesellschaft, dass es ihnen gelingt, dem Land der Dichter und Denker ihre kleinkarierte Moral aufzupfropfen. Eine Moral, die wir nicht wollen. Es ist so peinlich.

Wir müssen die Verseppelung abstreifen

Im tief katholische Spanien und Irland geht, was hier in der Mitte Europas nicht sein darf. Während wir hierzulande diskutieren, ob bei einem Schützenfest der schwule Schützenkönig seinen Lebensgefährten beim Straßenumzug neben sich haben darf, ziehen die anderen Nationen in aller Ruhe an uns vorbei, schütteln den Kopf und denken sich: Die Deutschen werden es auch irgendwann kapieren. So redet man über uns. Wirklich. Ist das nicht bitter?

Los jetzt! Die Mehrheit der Deutschen will voran schreiten. Wir müssen die Verseppelung der Bundespolitik abstreifen. Eine moderne Gesellschaftspolitik färbt doch auch auf andere Bereiche ab und schafft Aufbruchstimmung. Das tut gut.

Wann traut sich unsere Bundeskanzlerin endlich, die alten Herren mit ihrem mittelalterlichen Familienbild alleine stehen zu lassen? Unvergessen der Moment, in dem Merkel in der Wahlkampfarena im Fernsehen von einem Zuschauer auf die Gleichstellung von Homosexuellen angesprochen wurde. Ihr Gesicht sprach Bände: "Öhmöhmöhm, Scheiße, wie vertrete ich jetzt die offizielle Meinung meiner Partei, ohne mich vor dem Volk komplett zum Deppen zu machen." Gibt man so Leitlinien vor?

Die FPD mit ihrem schwulen Vorsitzenden hat es seinerzeit nicht geschafft, die Gestrigen aus der Union in der schwarz-gelben Koalition zu bändigen. Die gigantische Regierungspartei SPD hat sich im Koalitionsvertrag mit Herdprämie und "Homoehe light" den gesellschaftspolitischen Schneid abkaufen lassen (obwohl sie anderes versprochen hatte) und die Kanzlerin eiert rum. In einer Frage, die so banal ist: Sind wir Menschen alle gleich?

Für Kinder zählt Liebe und Zuwendung

Mittlerweile steht als letztes "Gegenargument" gegen die Gleichheit noch das Kindeswohl. Würde man die Homosexuellen nicht diskriminieren, würden sie ja auch Kinder adoptieren können. Und das ginge ja nun auf gar keinen Fall, weil: Wo kommen wir denn da hin, gell? Irgendwann ist dann alles nur noch homo. Weil ja in der Erziehung das andere Geschlecht als Vorbild fehlt und das ist schlecht.

Wer sagt das? Welche Studie belegt das? Keine Antwort.

Ich dachte immer, für das Glück eines Kindes zählt Liebe und Zuwendung. Die Bereitschaft, für die Kleinen Kraft und Zeit zu investieren. Dass die alten Herren in diesem Zusammenhang immer vom Geschlecht der Eltern sprechen, ist durch nichts begründet, außer durch Tradition. Und das ist bekanntlich das schlechteste Argument für moderne Politik.

Und so ist für moderne menschenfreundliche Gesetze in Deutschland vorerst vorrangig das Bundesverfassungsgericht zuständig - was den Gestrigen wiederum gar nicht gefällt.

Die Diskriminierung von Homosexuellen war schon immer falsch. Aber heute ist sie nicht mal mehr zeitgemäß. Nicht nur Deutschlands Schwulen und Lesben haben etwas anderes verdient, sondern alle. Wir werden uns eines Tages dafür an den Kopf fassen, dass wir 2015 überhaupt noch darüber diskutiert haben.

Dem Autor auf Twitter folgen:



.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%