WhatsApp-Gruppe Geleakter AfD-Chat wird Thema im Bundestag

Ein im Netz veröffentlichtes Chat-Protokoll einer AfD-WhatsApp-Gruppe zieht weitere Kreise. Die Bundesregierung soll im Bundestag Stellung beziehen, weil angeblich ein Bundespolizist mitdiskutiert haben soll.

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Wegen nationalistischer Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe in der Kritik: Der AfD-Politiker Andre Poggenburg. Auch ein Bundespolizist soll sich in dem Chat abfällig geäußert haben. Quelle: dpa

Berlin Die an die Öffentlichkeit gelangten internen Chat-Protokolle von AfD-Politikern mit nationalistischen Äußerungen haben ein parlamentarisches Nachspiel. Nach Informationen des Handelsblatts will der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck in der Fragestunde des Bundestages am heutigen Mittwoch von der Bundesregierung Auskunft über mögliche Konsequenzen.

Hintergrund sind Äußerungen eines AfD-Mitglieds, bei dem es sich Medienberichten zufolge um einen Bundespolizisten handeln soll. In einer WhatsApp-Gruppe der AfD Sachsen-Anhalt soll der Mann gefordert haben, die Medien zu unterwandern, weil es sonst „ganz schwer“ werde. „Mit der Machtübernahme muss ein Gremium alle Journalisten und Redakteure überprüfen und sieben. Chefs sofort entlassen, volksfeindliche Medien verbieten.“

Beck will von der Bundesregierung wissen, inwiefern sie Maßnahmen plant oder ergreift, um auf die im Netz veröffentlichten „verfassungswidrigen Äußerungen“ mutmaßlicher Bundespolizisten zu reagieren. Er will zudem wissen, was die für den Fall zuständige Bundespolizeidirektion in Pirna unternehmen wolle. „Wenn es um die Pressefreiheit geht, darf nicht gezaudert werden“, sagte Beck dem Handelsblatt. Er erwarte daher von der Bundespolizei, den Sachverhalt „zügig“ aufzuklären und entsprechenden Maßnahmen gegen die Beteiligten zu treffen. „Es darf nicht der Anschein geweckt werden, dass die Bundespolizei autoritäres Gedankengut duldet.“

Scharfe Kritik äußerte Beck an der AfD. „Die AfD hat den demokratischen Konsens schon lange verlassen und stellt dies immer wieder unter Beweis“, sagte der Grünen-Politiker. „Egal ob auf WhatsApp oder anderswo: Drohungen gegen Journalisten sind inakzeptabel und das muss auch ganz klar so gesagt werden.“ Hier dürfe es nicht bei „Lippenbekenntnissen“ der Bundesregierung bleiben.

Nach der Veröffentlichung der Chat-Protokolle hatte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sogar eine Beobachtung des Landesverbands durch den Verfassungsschutz ins Spiel gebracht. Wohl auch, weil in dem Chat die Aussage „Deutschland den Deutschen“ des rechtsnationalen Landeschefs und Bundesvorstandsmitglieds André Poggenburg gefallen.

Poggenburg der auch AfD-Fraktionschef im Magdeburger Landtag ist, hatte sich in der Chat-Gruppe zudem nach dem Bedarf „über eine Weiterbildung in Sachen „Erweiterung der Außengrenzen““ erkundigt. Für seine Äußerungen fing er sich vom AfD-Bundesvorstand eine Rüge ein, die allerdings zunächst ohne praktische Konsequenzen ist.

Der Vorstand erklärte, Poggenburg hätte einschreiten müssen, als in dem Chat von einer „Machtergreifung“ und dem „Sieben“ von Journalisten die Rede gewesen sei. Der Beschluss sei einstimmig gefallen, hieß es. Poggenburg, Beisitzer im Bundesvorstand, selbst enthielt sich der Stimme. Er sagte, die  Rüge sei „rechtlich nicht gerechtfertigt“. Er habe den Ausspruch nicht wie die NPD verwendet und stehe daher weiterhin dazu.


„Wieder zeigt sich: Die AfD ist eine völkische und rassistische Partei“

Den Antrag auf Abmahnung hatten die beiden Spitzenkandidaten der Partei für die Bundestagswahl, Alice Weidel und Alexander Gauland, gestellt. In ihrer Begründung heißt es, die Äußerungen Poggenburgs hätten das öffentliche Ansehen der AfD „im Wahljahr massiv beschädigt“. Insbesondere die von Poggenburg vorgetragene „Erweiterung der Außengrenzen“ sei mit der AfD-Programmatik unvereinbar und „rückt die Partei in die Nähe des Rechtsradikalismus“.

Weidel sagte, die AfD verstehe sich als eine „Partei des politischen Realismus“, die Probleme lösen wolle. Sie warnte: „Stumpfe Sprüche helfen dabei nicht und schaden der Partei. Wer das nicht versteht, hat in der AfD nichts zu suchen.“

Politiker anderer Parteien sprachen von einem Offenbarungseid der Rechtspopulisten. Dass derartige Äußerungen über die Pressefreiheit in einer Gruppe von 200 Teilnehmern unwidersprochen blieben, sage alles über das Rechtsverständnis der AfD, sagte Landtagsvizepräsident Wulf Gallert von der Linkspartei. Der Innenexperte der Grünen in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, sagte: „Es zeigt sich einmal mehr, dass die AfD eine völkische und rassistische Partei ist.“

Innenminister Stahlknecht erklärte zu den Dokumenten weiter: „Nach meinem ersten Eindruck habe ich das Gefühl, dass einige nicht mehr mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sondern höchstens noch mit der Zehenspitze.“

Poggenburg teilte mit, er stehe zu seiner Aussage „Deutschland den Deutschen“ und könne daran nichts Anstößiges erkennen: „Selbstverständlich sollte ein Land denen „gehören“, die dort lange ansässig sind, die über Jahrzehnte oder sogar viele Generationen dort Wurzeln geschlagen und sich in den Staat eingebracht haben.“

Doch nicht alle in seiner Partei sehen das so wie Poggenburg: Die AfD Mecklenburg-Vorpommern hatte im April den Landtagsabgeordneten Ralph Weber nach ähnlichen Äußerungen abgemahnt, weil dieser dem öffentlichen Ansehen der Partei damit geschadet habe. Seine Wortwahl „Deutschland den Deutschen“ sei als Kampfparole der rechtsextremen NPD bekannt, argumentierte der Landesvorstand damals.

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