Widerstand gegen Maas Digitalwirtschaft droht mit Klage gegen Facebook-Gesetz

In letzter Minute ist die Koalition auf die Kritiker des Facebook-Gesetzes von Justizminister Maas zugegangen. Doch die Digitalwirtschaft hat weiter Bedenken. Nun drohen wohl juristische Auseinandersetzungen.

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Gut gemeint, aber schlecht gemacht? Die Kritik am Facebook-Gesetz von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) reißt nicht ab. Quelle: dpa

Berlin Beleidigungen, Mordaufrufe, Volksverhetzung: Gegen solche Inhalte in sozialen Netzwerken will die Regierung strenger vorgehen. Um das Gesetzesvorhaben dazu gab es teilweise heftigen Streit. Die Koalitionäre haben nun noch mal daran gefeilt. Auf den letzten Drücker haben sie sich auf einige wenige Klarstellungen verständigt, die der Bundestags-Rechtsausschuss heute beschließen soll. Danach kann das Parlament das Gesetz verabschieden.

Union und SPD, die beide schon lange gewillt sind, härter gegen Hasskommentare auf Facebook, Twitter & Co., werden dies am Ende als wichtigen Erfolg verkaufen. Doch könnte sich dieser auch noch als Pyrrhussieg entpuppen. Denn die Kritiker des Projekts sind nach wie vor mehr als skeptisch – und drohen mit juristischen Konsequenzen.

So hält etwa der Verband der Internetwirtschaft (Eco) die Änderungen am sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für unzureichend. „Die von zahlreichen Kritikern ebenso wie von uns erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, ob der Bund über die nötige Kompetenz zu einem solchen Gesetz überhaupt verfügt, bestehen nach wie vor“, sagte Eco-Vorstand Oliver Süme dem Handelsblatt. „Es ist davon auszugehen, dass diese Fragestellungen gerichtlich geklärt werden müssen.“

Mit den in der Koalition vereinbarten Änderungen wurde das Gesetz an diversen Stellen aufgeweicht. Die 24-Stunden-Löschfrist bei „offensichtlich rechtwidrigem Inhalt“ bleibt zwar bestehen, für komplizierte Fälle kann nun aber die vorgegebene 7-Tage-Frist überschritten werden. Die Plattformbetreiber sind dann auch nicht mehr gezwungen, selbst eine abschließende Entscheidung zu treffen. Strittige Fragen bei der Löschung von Inhalten sollen vielmehr in einer gemeinsamen Einrichtung mit anderen Plattformen nach dem Vorbild des Jugendmedienschutzes geklärt werden.

Die Koalition will auf diese Weise den Vorwurf entkräften, die Rechtsdurchsetzung werde womöglich den Internetkonzernen selbst überlassen – und damit quasi privatisiert. Andererseits sollen die unabhängigen Beschwerdestellen, für deren Ausstattung die Anbieter sozialer Netzwerke sorgen müssen, zugleich dazu dienen, staatsferne Entscheidungen zu ermöglichen.


„Die grundsätzlich problematischen Fragen bleiben bestehen“

Eine andere Neuerung, die Kritiker besänftigen soll, ist die Pflicht für Facebook & Co. einen sogenannten Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland zu ernennen. Binnen 48 Stunden muss diese offizielle Kontaktstelle Beschwerden reagieren. Bei der Herausgabe von Bestandsdaten von Urhebern vermeintlicher Hasskommentare ruderte die Koalition etwas zurück. Der Auskunftsanspruch soll auf schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen beschränkt und mit einem Richtervorbehalt versehen werden.

Mit den wenigen Korrekturen soll das Gesetz nun auf den letzten Drücker vor der parlamentarischen Sommerpause und vor dem Ende der Wahlperiode beschlossen werden. In Kraft treten soll es aber erst im Oktober, damit die Internetunternehmen Zeit haben, um die Vorgaben bis dahin umzusetzen.

Aus Sicht des Eco-Vorstand Süme ist angesichts des Tempos, mit der die Koalitionäre gearbeitet haben, dem überarbeiteten Entwurf zum NetzDG sei „deutlich anzumerken, dass es sich um ein primär politisch motiviertes Gesetz handelt“. „Die Bundesregierung hat offensichtlich wenig Zeit in einen sorgfältig ausgearbeiteten Entwurf gesteckt, da sie das Gesetzgebungsverfahren unbedingt trotz erheblicher Kritik noch vor Ende der Legislaturperiode verabschieden lassen will.“

Der Entwurf weise aber „keinen substantiellen Unterschied zur vorigen Version auf und ist daher weiterhin abzulehnen“. Zwar sei an der einen oder anderen Stelle auf die vorgebrachte Kritik eingegangen worden. Aber beispielsweise gehöre ein Richtervorbehalt bei Auskunft über die Inhaber anonymer Nutzerkonten in sozialen Netzwerken ohnehin zum „soliden Handwerk“ bei der Gesetzgebung.

„Die grundsätzlich problematischen Fragen bleiben bestehen“, betonte Süme. „Wir kritisieren insbesondere den immer noch unklaren Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs sowie die 24h-Löschfrist für offensichtlich rechtswidrige Fälle, da die Frage nach der Offensichtlichkeit weiterhin zu komplex ist, als kurzerhand so festgeschrieben zu werden.“ Positiv sei indes, dass der Bedeutung von Beschwerdestellen bei der Bekämpfung rechtswidriger Internetinhalte Rechnung getragen werde.

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