Europäische Union 100 Prozent Rendite durch Flüchtlinge?

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Langfristig dürften Flüchtlinge für mehr Wirtschaftskraft sorgen

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kalkuliert für den Bund mit jährlich 16 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Bis 2020 geht er von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr aus. Für die Jahre 2016 bis 2020 kommt er allein für den Bundeshaushalt auf Kosten von knapp 94 Milliarden Euro.

Rechnet man die Ausgaben der Länder hinzu, läge Deutschland bis 2020 wohl bei rund 200 Milliarden Euro Gesamtausgaben. Kurzum: Die Zahlen der Tent-Stiftung setzen ein optimistisches Szenario voraus, das wohl nicht eintreten wird. Die Kosten dürften deutlich höher liegen. Das muss nicht heißen, dass Flüchtlinge keine Rendite bringen. Aber eine Traumrendite von 100 Prozent bei immer höheren Kosten erscheint allzu optimistisch.

Gleichwohl: Einen langfristig positiven Effekt erwarten Ökonomen dennoch. So rechnet zwar das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) damit, dass die Wirtschaftsleistung aufgrund der Anfangskosten nach unten gedrückt wird: je nach Szenario dürfte das Minus zwischen 0,5 und 1,5 Prozent liegen. Im Jahr 2025 könnten die Flüchtlinge aber ein zusätzliches Wachstum von 0,5 oder gar ein Prozent erzeugen.

Auch das Pro-Kopf-Einkommen aller Deutschen dürfte laut DIW langfristig um einen halben Prozentpunkt steigen.

Legrain, der unter anderem an der London School of Economics forscht und lehrt, empfiehlt den EU-Staaten, sich zumindest teilweise an den Vereinigten Staaten zu orientieren. Dort gelinge es schließlich deutlich besser, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. „Viele junge Deutsche wollen nicht in der Landwirtschaft arbeiten, ein Flüchtling aber womöglich schon“, sagt Legrain.

Sein Ansatz: Hauptsache Arbeit. Ist ein Flüchtling nicht ausreichend qualifiziert, soll er einer Tätigkeit nachgehen, bei der er weniger Qualifikationen braucht. Nur wenn möglichst viele Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden, kann Legrains Rendite-Rechnung schließlich aufgehen.

Und vielleicht gibt es unter ihnen ja auch einen neuen Sergey Brin, der eine bahnbrechende Idee hat, die er binnen weniger Jahre zu einem multinationalen Multimilliarden-Unternehmen ausbaut – ja, vielleicht. Nur berechnen lässt sich das nicht.

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