Für den Bruchteil einer Sekunde entsteht der Eindruck, die Situation entgleite ihnen gleich. Jens Weidmann hat sich Mario Draghi bis auf wenige Zentimeter genähert, beide blicken unschlüssig um sich, ihre Arme hängen herab. Stimmen werden gesenkt, Gesichter wenden sich in Richtung des Geschehens. Dann streckt Weidmann die Hand aus. Arm in Arm gehen sie in eine Ecke und vertiefen sich in ein Gespräch.
Eine Umarmung in der Öffentlichkeit kann von der besonderen Intensität einer Beziehung zwischen zwei Menschen erzählen. Sie kann aber auch eine demonstrative Geste sein: wenn eine Fassade aufrechterhalten werden muss, hinter der längst nichts mehr zu retten ist.
Insofern ist die kleine Begebenheit, die sich vor einiger Zeit am Rande eines Abendempfangs in Frankfurt zutrug, von einigem Interesse. Denn wie gut der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Chef der Deutschen Bundesbank miteinander auskommen, könnte über die Zukunft Europas entscheiden.
Prinzipienfrage zwischen Draghi und Weidmann
Die Krise hat eine Phase erreicht, in der Regierungserklärungen und Manifeste der Opposition niemanden mehr beeindrucken. In der der Gang der Ereignisse nicht mehr von den Beschlüssen der Politiker in Paris, Berlin oder Rom abhängt. Sondern davon, was die Notenbanker tun.
Sie sind die Einzigen, die jetzt kurzfristig noch frisches Geld aufbieten können. Am vergangenen Donnerstag beschloss die EZB, die Anleihen der Krisenstaaten aufzukaufen, um die hohen Zinsen im Süden Europas zu drücken, die der Wirtschaft dort das Leben schwer machen. Alle anwesenden Mitglieder des Zentralbankrats - des Beschlussorgans der Notenbank - stimmten zu. Bis auf Weidmann.
Die Auseinandersetzung zwischen Jens Weidmann und Mario Draghi reicht in ihrer Bedeutung weit über einen Methodenstreit in der Welt der Zentralbanken hinaus. Es geht um die Frage, welche Prinzipien der Währungsunion zugrunde liegen und ob überhaupt noch Prinzipien gelten. Um die Frage also, wie weit Europa gehen darf, um den Euro zu retten.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
Für die Antwort bleibt nicht mehr viel Zeit. In diesen Tagen wurde bekannt, dass große Konzerne ihr Geld aus dem Euro-Raum abziehen.
Was so eine Situation für die Politik bedeutet, darüber streiten die Experten, seit die Schweden Mitte des 17. Jahrhunderts erstmals auf die Idee kamen, einer Bank das Recht einzuräumen, Papiergeld auszugeben. Soll sie davon ausgiebig Gebrauch machen, um die Krise einzudämmen? Oder soll sie sich zurückhalten? So rabiat wie derzeit in Europa aber ging es selten zur Sache - und das hat etwas mit den handelnden Personen und Institutionen zu tun.
Gemeinsamkeiten und Gegensätze
Auf der einen Seite: Jens Weidmann, der langjährige Wirtschaftsberater der Kanzlerin. Seit einem guten Jahr ist er Präsident der Bundesbank, jener Währungsbehörde, die wie vielleicht keine andere öffentliche Einrichtung in Deutschland für Stabilität und Solidität steht.
Wenn Weidmann in München, Düsseldorf oder Berlin unterwegs ist, dann fragen die Menschen, wann denn endlich Schluss sei mit dem ewigen Retten.
Wenn der Euro scheitern und die D-Mark wieder eingeführt werden sollte, dann wäre Weidmann noch einflussreicher als jetzt, und die Bundesbank hätte ihre alte Machtfülle zurück.
Auf der anderen Seite: Mario Draghi, ehemaliger Generaldirektor im italienischen Finanzministerium und Vizepräsident der Investmentbank Goldman Sachs, ausgebildet an amerikanischen Eliteuniversitäten, wo traditionell ein recht lockerer Umgang mit dem Geld der Zentralbanken gelehrt wird.
Wenn Mario Draghi in New York, London oder Tokio unterwegs ist, dann fragen ihn die Investoren, wann Europa endlich Ernst mache mit dem Retten.
Wenn der Euro scheitern sollte, dann wäre Draghi seinen Job los, und die Europäische Zentralbank würde abgewickelt.
Bundesbank in alter Herrlichkeit
Die Geschichte von dem sturen Deutschen und dem biegsamen Italiener ist einfach zu gut, als dass sie nicht erzählt würde. Es sei doch auffällig, dass Draghi immer dann aktiv werde, "wenn es in Italien mal wieder eng wird", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am vergangenen Freitag. Und hat der Italiener nicht auf eine Abstimmung mit Jens Weidmann verzichtet, als er seine Rettungsabsichten vorvergangene Woche auf einer Investorenkonferenz in - ausgerechnet - London erstmals öffentlich machte?
Es sei doch klar, dass Weidmann der Bundesbank wieder zur "alten Herrlichkeit" verhelfen wolle, sagte dieser Tage ein europäischer Notenbanker. Hat sie nicht zwei Tage vor der Sitzung des Zentralbankrats ein Gespräch mit Helmut Schlesinger über die Rolle der Notenbanken auf ihre Website gestellt? Ausgerechnet Schlesinger, der wie kein Zweiter für monetäre Arroganz der Deutschen steht, weil er als Bundesbankchef in den neunziger Jahren ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage im Rest Europas die Zinsen in Deutschland erhöhte. In der Folge floss Kapital aus Italien und Frankreich ab, und die dortigen Währungen kamen ins Trudeln.
Aber stimmt die Geschichte von den beiden gegensätzlichen Bankern auch?
Köln, im September 2011. Jens Weidmann steht auf einer kleinen Bühne im Barcelo-Hotel, vor sich ein 23-seitiges Redemanuskript. Der Verband der Familienunternehmer hat ihn eingeladen. Die Familienunternehmer sind die freien Radikalen der deutschen Wirtschaft. Sie haben eine Allianz gegen den Rettungsschirm ESM ins Leben gerufen und fordern eine "ordnungspolitische Weichenstellung" auf dem Kontinent. Es ist nicht der Ort, um mit Europa zu punkten. Aber genau das versucht Weidmann. Er macht sich für die "Übertragung von finanzpolitischen Kompetenzen auf die europäische Ebene" stark - und schließt in einem zweiten Schritt die "Vergemeinschaftung bestehender Schulden" nicht aus.
Es droht ein Desaster
Der Bundesbankpräsident als Wegbereiter für die Vereinigten Staaten von Europa - das passt so gar nicht zum Bild des gestrengen Währungsideologen. Auch Jens Weidmann weiß, was auf dem Spiel steht. Seine Leute haben versucht, die Kosten eines Zusammenbruchs der Währungsunion abzuschätzen. Das Ergebnis: Es droht ein Desaster, für Deutschland und ganz Europa.
Wenige Tage später hat auch Draghi einen großen Aufritt. Er hat sich dafür einen Festakt der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Berlin ausgesucht. An der Wand ein überlebensgroßes Foto von Ludwig Erhard, im Publikum Mittelständler und Koalitionspolitiker. So stellt man sich als italienischer Notenbanker wahrscheinlich die Höhle des Löwen vor.
Draghi lässt die Einführungsworte von Arbeitgeberpräsident Martin Kannegiesser über sich ergehen. Als er an der Reihe ist, warnt er davor, die Krise durch billiges Geld der Notenbank lösen zu wollen. Vielleicht war das nur so dahingesagt, um die Vorbehalte der Deutschen gegen einen Italiener an der Spitze der Notenbank auszuräumen, aber Draghi lässt seinen Worten Taten folgen. Ein noch von seinem Vorgänger angeordnetes Anleiheankaufprogramm legt er nach Amtsantritt auf Eis, zur Politik hält er in den ersten Wochen seiner Amtszeit bewusst Distanz. Die Bild- Zeitung setzt Draghi in einer Fotomontage eine Pickelhaube auf. Weil er "so deutsch" sei.
Uneinigkeit über den Weg zur stabilen Währungsunion
Selbst jetzt, auf dem Höhepunkt der Krise, schreckt der Italiener vor bedingungslosen Hilfsleistungen zurück, die an den Finanzmärkten wahrscheinlich einen maximalen Effekt erzielen würden. Wenn ein Land die Unterstützung der EZB in Anspruch nehmen will, muss es nach dem neuen Plan der Notenbank vorher einen genehmigten offiziellen Hilfsantrag bei der EU vorweisen und seine Haushalte überwachen lassen.
Die Maßnahmen der Notenbanken gegen die Krise
Die Probleme an den Hypotheken- und Kreditmärkten greifen auf den Interbanken-Geldmarkt über. EZB und Fed sehen sich gezwungen, zusätzlich Liquidität in den Markt zu pumpen.
Die Notenbanken in den fünf wichtigsten Währungsräumen greifen gemeinsam ein, um ein Austrocknen der Geldmärkte zu verhindern.
Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers öffnen die großen Zentralbanken die Geldschleusen, um mitten in der Panik an den Finanzmärkten die Geschäfte am Geldmarkt am Laufen zu halten.
Die wichtigsten Notenbanken weltweit senken gemeinsam die Zinsen - ein historischer Schritt. 4. Dezember 2008: Die EZB senkt ihren Leitzins überraschend um einen dreiviertel Prozentpunkt auf 2,5 Prozent. Es ist der größte Zinsschritt seit der Einführung des Euro und der Gründung der europäischen Notenbank.
Die Fed kappt ihren Leitzins auf eine Spanne zwischen null und 0,25 Prozent - ein Rekordtief.
US-Notenbankchef Bernanke kündigt den Ankauf von Staatspapieren für zunächst 300 Milliarden Dollar an. Die Fed erweitert außerdem ihre bestehenden Programme zur Stützung der Kreditmärkte und Banken auf rund eine Billion Dollar.
Die EZB senkt ihren Leitzins auf das Rekordtief von einem Prozent.
Die EZB stellt den Banken der Euro-Zone erstmals für ein ganzes Jahr Liquidität zur Verfügung. Mehr als 1000 Banken rufen die Riesensumme von 442 Milliarden Euro ab. 6. Juli 2009: Die EZB beginnt offiziell mit dem Ankauf von Pfandbriefen.
224 Banken aus der Euro-Zone rufen beim letzten Jahrestender der EZB knapp 100 Milliarden Euro ab. Das ist ein Wendepunkt.
Die Federal Reserve erhöht den Zinssatz für Übernachtkredite von 0,5 auf 0,75 Prozent und verteuert damit Notkredite für Banken erstmals seit Ausbruch der Krise.
EZB-Chef Trichet kündigt an, dass die Notenbank auch über das Jahresende 2010 hinaus Sicherheiten mit einem schwächeren Rating als „A-“ akzeptieren wird. Sie hilft damit indirekt den griechischen Banken und erleichtert die Refinanzierung Griechenlands.
Die EZB kündigt im Kampf gegen die eskalierende Schuldenkrise in der Euro-Zone an, am öffentlichen und privaten Anleihemarkt in großem Stil aktiv werden zu wollen. Die Notenbank gibt damit ihren Widerstand gegen den Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Länder auf, der Kritikern zufolge zu einem Ansteigen der Inflation führen könnte. Laut EU-Vertrag kann die EZB die Anleihen nur am Sekundärmarkt erwerben und nicht direkt bei den Regierungen.
Die Fed stoppt unter dem Eindruck der nur zähen Konjunkturerholung in den USA und der andauernden Misere am Arbeitsmarkt den begonnenen Exit. Sie will Geld, dass sie durch Fälligkeit bereits erworbener Immobilienpapiere bekommt, wieder reinvestieren und neue Staatsanleihen kaufen.
Japans Notenbank zieht im Kampf gegen Wirtschaftskrise, Deflation und den starken Yen weitere Register. Sie senkt den Leitzins auf null und legt einen fünf Billionen Yen (60 Milliarden Dollar) schweren Fonds auf, über den sie die unterschiedlichsten Wertpapiere ankaufen und so weiteres Geld in die Wirtschaft pumpen will.
Die Fed beschließt den Ankauf von weiteren Staatsanleihen im Volumen von 600 Milliarden Dollar bis Ende der ersten Jahreshälfte 2011. Zusätzlich sollen auslaufende Papiere aus dem Bestand ersetzt werden. Insgesamt hat die neuerliche Geldspritze damit ein Volumen von 850 bis 900 Milliarden Dollar.
Die EZB beschließt eine Verdoppelung ihres Grundkapitals auf knapp elf Milliarden Euro. Bezahlen müssen dies die ihr angeschlossenen nationalen Notenbanken: Die Bundesbank muss entsprechend des Kapitalschlüssels gut eine Milliarde Euro auf ihren Anteil dazupacken.
Nach Erdbebenkatastrophe, Tsunami und Atomdebakel in Japan intervenieren die wichtigsten Notenbanken der Welt gemeinsam am Devisenmarkt.
Die EZB beginnt mit dem Ankauf von Anleihen Italiens und Spaniens. Beide Länder waren zuvor ins Visier der Märkte geraten.
Die Fed erklärt, dass sie ihren Leitzins wegen der mauen Konjunktur noch für „mindestens“ zwei Jahre nahe Null halten will.
In einer koordinierte Aktion stellen EZB und Fed sowie die Notenbanken Kanadas, Japans, Großbritanniens und der Schweiz den von der Krise gebeutelten europäischen Banken Dollar zur Verfügung. Den Instituten fiel es zuletzt schwer, sich Dollar-Kredite zu beschaffen - viele US-Investoren haben ihnen aus Angst vor den Folgen der Schuldenkrise den Geldhahn zugedreht. Fast gleichzeitig lockert auch die chinesische Notenbank unerwartet ihre Geldpolitik. Sie senkte erstmals seit drei Jahren die Mindestreserve-Anforderungen der Banken.
Dieses Junktim soll sicherstellen, dass die Aussicht auf das Geld der Notenbank nicht dazu führt, dass die Regierungen das Reformieren einstellen. Und es soll gewährleisten, dass die Technokraten in den Geldtürmen nicht allein darüber entscheiden, ob ein Land gerettet wird. Denn auch für die Risiken, die die Zentralbank eingeht, muss am Ende der Steuerzahler aufkommen - nur dass die unabhängigen Zentralbanker anders als gewählte Politiker nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.
Es ist der Versuch, demokratische Legitimität und ökonomische Effizienz in Einklang zu bringen. Und es ist eine Enttäuschung für die Südeuropäer im Zentralbankrat, die sich für Käufe ohne Auflagen ausgesprochen hatten.
Es gibt zwischen Mario Draghi und Jens Weidmann wahrscheinlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Doch in dieser Phase der Krise zählen die Unterschiede mehr. Beide sind der Auffassung, dass sich eine Zentralbank darauf beschränken sollte, die Inflation zu bekämpfen. Beide wollen die Währungsunion erhalten. Für beide heißt das: mehr Reformen und mehr Europa. Aber über den Weg dorthin sind sie sich uneinig - und auf diesen Weg kommt es jetzt an.
Vergebliche Suche nach dem Kompromiss
Draghi glaubt, dass sich politische Prozesse kontrollieren lassen. Wenn die Regierungen nicht mehr können, springt die Notenbank ein, auch wenn das eigentlich so nicht vorgesehen war. Ist das Problem gelöst, zieht sie sich wieder zurück. Weidmann fürchtet, dass alles ins Rutschen gerät, wenn die Notenbank einmal nachgegeben hat. Deshalb bleibt er hart, auch wenn die Konsequenz daraus ist, dass Länder die Währungsunion verlassen müssen.
Wie viel Prinzipientreue verträgt Europa, und wie viel Pragmatismus erträgt es - das ist die Frage im Endspiel um den Euro.
Fieberhaft suchten die beiden am vorvergangenen Montag in einem Gespräch unter vier Augen nach einer Kompromisslinie - vergeblich. Drei Tage später versuchten mehrere Ratsmitglieder, Weidmann noch umzustimmen. Sie verwiesen darauf, dass auch die Bundesbank in den siebziger Jahren öffentliche Anleihen aufgekauft hatte - damals, um die Zinsen für die deutsche Wirtschaft zu senken. Draghis ursprünglicher Plan wurde sogar noch einmal abgeschwächt. Weidmann blieb bei seinem Nein.
Mario Draghi und Jens Weidmann haben sich geschworen, die Stabilität der Währungsunion zu erhalten. Weidmann meint damit vor allem die Stabilität der Währung, Draghi die Stabilität der Union. Beide werden sie ihre Anhänger enttäuschen müssen.
Ein Fall für zwei
Als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Mario Draghi der oberste Währungshüter in Europa. Das bedeutet aber nicht, dass er allein das Sagen hätte. Alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen werden vom Zentralbankrat getroffen. Nötig ist dazu in der Regel eine einfache Mehrheit. Der Rat setzt sich aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums der EZB zusammen, dem aus Deutschland der frühere Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen angehört. Außerdem sind in ihm die 17 Präsidenten der nationalen Notenbanken der Euro-Staaten vertreten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat formal nur eine Stimme wie seine Kollegen aus Malta oder Österreich. Tatsächlich aber ist sein Einfluss als Chef der wichtigsten Notenbank größer.