Die Ungeduld in der Unionsfraktion und vor allem bei der CSU nimmt allerdings zu. "Wir brauchen jetzt schnell einen Bremsklotz für den Flüchtlingsstrom", sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann der "Bild". CSU-Chef Horst Seehofer betonte im bayerischen Wildbad Kreuth: "Es wird immer enger. Wir müssen das Problem jetzt lösen." Wenn Österreich eine Obergrenze einführe, kämen noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Generalsekretär Andreas Scheuer forderte eine solche Obergrenze auch für die Bundesrepublik.
Reaktionen zu möglichen Grenzschließungen
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverband BGA, warnt im "Tagesspiegel" vor Grenzschließungen. Rund 70 Prozent des deutschen Außenhandels würden innerhalb Europas abgewickelt. "Vor diesem Hintergrund werden sich die Kosten alleine für die internationalen Straßentransporte um circa drei Milliarden Euro verteuern."
"Durch Staus und Wartezeiten, zusätzliche Bürokratie oder zum Beispiel die Umstellung von Just-in-time-Lieferung auf deutlich teurere Lagerhaltung können sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren", mahnt DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben.
Der Vize-Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte der "Rheinischen Post": „Die Schließung der deutschen Grenzen wäre ein Debakel für die Flüchtlinge, für die Wirtschaft, aber auch für Millionen Pendler und Urlauber.“
"Verstärkte Kontrollen ist was anderes, aber eine komplette Schließung ist absolut illusorisch. Und man sollte den Leuten da keine Scheinlösungen anbieten“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Deutschlandfunk.
"Wenn die Grenzen geschlossen würden, ist Schengen gefährdet. Das hat ebenfalls große Auswirkungen auf Deutschland, auf Arbeitsplätze in Deutschland", sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet.
Am Abend nahm Merkel an der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in Kreuth teil. Bei ihrer Ankunft verwies sie auf Beratungen mit der Türkei, eine Geberkonferenz für Syrien Anfang Februar und den für Mitte Februar geplanten EU-Gipfel. "Danach können wir eine Zwischenbilanz ziehen ... und dann sehen wir, wo wir stehen." Was passiert, wenn dann die Zahl der ankommenden Flüchtlinge nicht weiter gesunken ist, ließ sie offen.
Merkel und die Union sinken in Umfragen immer weiter. Einer Erhebung für "Stern" und RTL zufolge gilt die CDU-Chefin nur noch für 44 Prozent als bevorzugte Besetzung für das Kanzleramt. Das sind vier Punkte weniger als in der Vorwoche. Bei einer Bundestagswahl würden 37 Prozent die Union wählen. Auch in anderen Erhebungen hatten CDU und CSU Federn lassen müssen.
Bundespräsident Gauck sagte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: "Eine Begrenzungsstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten." Sie könne auch geboten sein, um Unterstützung für eine menschenfreundliche Aufnahme der Flüchtlinge zu sichern.
Deutschland versucht auch mit mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, Entlastung zu schaffen. Insgesamt mussten nach Zahlen des Innenministeriums im vergangenen Jahr 20.888 Ausländer das Land verlassen - das waren in etwa doppelt so viele wie 2014. 37.220 Migranten verließen zudem freiwillig die Bundesrepublik. Allerdings galten Ende November mehr als 200.000 Personen als ausreisepflichtig, 150.000 wurden geduldet.