Mitglieder der Unionsfraktion und sogar Finanzminister Schäuble zeigten sich in dieser Woche unzufrieden mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Nullzinspolitik der EZB führt in der Tat zu erheblichen Einbußen für Sparer, besonders bei denen, die langfristige Anlageobjekte erworben haben (z.B. Lebensversicherungen). Die Nettoverluste deutscher Privater sollen seit 2012 bei 200 Mrd. Euro liegen; den Zinsersparnissen der Kreditnehmer stehen entsprechend größere Verluste der Einleger gegenüber.
Dies ist seit langem ein Thema, das Vertrauen der Deutschen in die EZB kann getrost als gering bezeichnet werden. Nun ist es auch der Politik in Deutschland aufgefallen. Ob und inwieweit die Wahlergebnisse der Alternative für Deutschland (AfD) und die steigende Unzufriedenheit vieler deutscher Bürger und der deutschen Banken damit zu tun haben, kann nur vermutet werden. Sicher ist: Der öffentliche Druck auf die EZB steigt.
Als Reaktion auf die Kritik wundert sich die EZB und argumentiert damit, dass doch gerade die Deutschen so sehr auf der Unabhängigkeit der Zentralbank und ihrem Fokus auf der Preisniveaustabilität bestanden hätten. Und nun dies! In der Tat wird seit der Kritik des Bundesfinanzministers darüber diskutiert, ob die Unabhängigkeit der EZB zu groß ist und reduziert werden sollte. Soll die Politik eingreifen dürfen, wenn ihr die Richtung nicht gefällt? Gefährdet dies die Unabhängigkeit der Bank?
Pressestimmen zum EZB-Entscheid
„Das viele frische Geld dürfte kaum in der Realwirtschaft ankommen, sondern vielmehr die Blasenbildung an den Finanzmärkten verstärken. Der wichtigste Transmissionsmechanismus für die Übertragung geldpolitischer Impulse, die Kreditvergabe der Banken, wird durch negative Zinsen zusehends blockiert. So können die Banken die Negativzinsen kaum an Sparer weiterreichen, da diese ihr Geld sonst abheben und „unter der Matratze“ horten könnten. Um die höheren Zinskosten dennoch auf die Kunden abzuwälzen und der sinkenden Profitabilität zu begegnen, erhöht manche Bank einfach ihre Kreditzinsen, etwa im Hypothekarbereich. Die zur Ankurbelung von Krediten gedachten Negativzinsen führen in diesen Fällen zu einer Verschärfung der Kreditpolitik. Die überdosierte Medizin der EZB ist bisweilen nicht nur wirkungslos, sondern gar kontraproduktiv.“
„Das war mehr als die Finanzmärkte erwartet hatten, und sie reagierten anfangs auch begeistert. Doch dann trübte sich das Bild. Denn der Hintergrund der weiteren Lockerung der Geldpolitik ist keineswegs rosig. Die EZB senkte nämlich zugleich ihre Erwartungen hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums sowie ihre Voraussagen zur Entwicklung der Inflation. Sie stellt somit fest, dass ihre Therapie bislang nur unzureichend wirkt, und sie verdoppelt deshalb die Dosis ihrer Medizin. Derweil geht das Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung verloren.“
„Die Kreditkrise war entstanden, weil es zu billig war, sich Geld zu leihen und Unternehmen ebenso wie Verbraucher zu viele Schulden machten. Die EZB ist nun erneut dabei, das Schuldenmachen zu stimulieren. Damit ist das Risiko verbunden, dass diese Schulden die Wirtschaft später wieder in Schwierigkeiten bringen. Wenn Banken zu riskante Kredite vergeben, können neue Seifenblasen entstehen. Hinzu kommt, dass Banken durch die Negativzinsen unter Druck geraten und so noch weiter geschwächt werden. Angesichts dieser Risiken kritisieren vor allem Zentralbanken in Nordeuropa schon seit geraumer Zeit die Zinspolitik der EZB.“
„Hin- und hergerissen zwischen den Rufen der Finanzmärkte nach noch mehr billigem Geld und kritischen Kommentaren von Volkswirten ob der Wirkungslosigkeit der bisherigen Maßnahmen mussten er und die anderen Mitglieder des geldpolitischen Rats eine wegweisende Entscheidung treffen. Nun sind die Würfel gefallen: Draghi setzt alles auf eine Karte und versucht mit einer monströsen Flut an Geld einen Befreiungsschlag - von dessen Gelingen die wirtschaftliche Zukunft der Eurozone zu großen Teilen abhängt.
Um des Hauptproblems, nämlich immer niedrigerer Inflationsraten, Herr zu werden, drückt der EZB-Chef die Zinsen noch tiefer, teilweise auch unter null. Damit entsteht eine Situation, die genauso skurril ist, wie sie klingt: Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtwetterlage in Europa setzt Draghi just auf jene Maßnahmen, welche die Probleme herbeigeführt haben - nämlich eine zu laxe Geldpolitik, wie sie auf globaler Ebene seit Jahrzehnten praktiziert wird.“
„Jetzt haben wir den Beweis, dass sich die Europäische Zentralbank auch dann nicht beeinflussen lässt, wenn ihre Kritiker so mächtig sind wie die Welt der deutschen Wirtschaft. Dass sie nicht schüchtern ist und sich auf jungfräuliches Gebiet wagt. Dass sie zu überraschen weiß. Tatsächlich hat sie gestern mit einem komplexen Maßnahmenpaket überrascht und damit deutlich gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, ihre Glaubwürdigkeit durch zögerliche Entscheidungen zu gefährden. Für die Märkte war dies die Botschaft, dass die EZB reagiert, wenn sich die wirtschaftlichen Umstände in der Eurozone und global ändern.“
„Die Entscheidungen der EZB sind eine verschlüsselte Botschaft an Berlin. EZB-Präsident Mario Draghi signalisiert damit der Bundesregierung, dass die Eurozone eine andere Finanzpolitik braucht. Europa kann die Stagnation überwinden, wenn Berlin zwei Dinge einsieht.
Erstens muss Deutschland mehr investieren, vor allem in die Verbesserung der Infrastruktur. Zweitens kann eine niedrige Nachfrage durch staatliche Investitionen belebt werden. Europa muss ein Konjunkturprogramm finanzieren. Es wird nicht leicht sein, Berlin davon zu überzeugen. Daher muss Draghi seine Botschaft ständig wiederholen.“
„Ein Land, das Entscheidungen trifft, ohne die Interessen seiner Partner zu berücksichtigen, kann von ihnen selbst keine Solidarität erwarten. Deutschland muss lernen, selbst Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidungen zu tragen. Diese Beobachtung ist weiterhin gültig. (...) Dass die Probleme und Proteste zunehmen, bedeutet nicht, dass die Deutschen ihre Kanzlerin stürzen wollen. Eher wollen sie die Regierungschefin zu einer Änderung ihrer Politik bewegen - und das geschieht Schritt für Schritt auch. Doch weit mehr noch hat sich die Position Deutschlands innerhalb der EU verändert. (...) Deutschland ist inzwischen selbst im Westen der Europäischen Union zu einer großen Insel (in der Flüchtlingspolitik) geworden.“
„Die Christdemokraten werden wahrscheinlich nicht glänzend abschneiden, aber niemand wird wegen eines Stimmenverlustes Merkel wegputschen. Sie hat keinen Herausforderer, es gibt keine Alternative zu ihr. Horst Seehofer weiß das auch. Hinter den lästigen Manövern des bayerischen Landesregierungschefs und CSU-Vorsitzenden, wie etwa seine Kumpelei mit dem ungarischen Ministerpräsidenten, steckt die Überlegung, dass er mit stark populistischen Schritten in dem in der Flüchtlingsflut als Frontstaat geltenden Bayern der AfD den Boden entziehen kann.
Bedenklicher ist, wie einsam die Kanzlerin der führenden politisch-wirtschaftlichen Macht Europas geblieben ist. Der Bundesrepublik ist es bisher immer im Interesse einer gemeinsamen europäischen Lösung gelungen, einen gewissen Konsens zu schaffen - obwohl die Griechen dazu andere Erfahrungen haben und verständlicherweise anderer Meinung sind. Deutschland und seine Regierungschefin wirken im März 2016 wie isolierte Reisende auf einem Sonderweg. Alle anderen schließen. Routen, Grenzen. Im Kalten Krieg gab es vielleicht eben soviel Stacheldraht auf dem Kontinent, der nur mit seinen Zäunen und seinem Klingendraht höchstens etwas Zeit gewinnt. Die Flüchtlinge kommen.“
Die Antwort kann nur lauten: Das darf die Politik nicht. Sie soll sich zurückhalten. Die Unabhängigkeit ist das Kapital der EZB. Paradoxerweise haben die deutschen Politiker genau deswegen Recht mit ihrer Kritik. Denn es ist nicht die Forderung der Bundesregierung und der ihr nahestehenden Politiker, die die Unabhängigkeit der EZB in Frage stellt.
Vielmehr hat die EZB diese Unabhängigkeit schon längst verloren. Sie scheint schon längst der Erfüllungsgehilfe vieler Regierungen in der Europäischen Währungsunion (EWU) geworden zu sein. Inwieweit sie dabei auch auf die Wünsche von Investmentbanken und chronisch schwachen Geschäftsbanken in Südeuropa eingeht, kann nur spekuliert werden. Diese sind sicherlich nicht unzufrieden mit der Geldschwemme.
Diese Aufgabe ihrer Unabhängigkeit zeigt sich einerseits direkt an den Maßnahmen der EZB und andererseits indirekt an den Reaktionen der Regierungen der meisten Mitgliedsländer der Eurozone. Die EZB druckt – den europäischen Verträgen zum Trotz und ungedeckt durch ihr Mandat – Geld, um damit Staatsanleihen zu kaufen. Dies tut sie immerhin nicht direkt; doch ist natürlich die Bereitschaft von Investoren, Staatsanleihen zu kaufen vermutlich nur deshalb hoch, weil die EZB als Käufer schon wartet. Sie hält die Zinsen künstlich niedrig, was die Vermögenspreisinflation in der Eurozone massiv befeuert. Es dürfte eine Fehlallokation der Ressourcen bewirken, dass Zeit keinen Preis mehr hat.
Die EZB vorm Bundesverfassungsgericht
Im Kern geht es um das historische Versprechen von EZB-Präsident Draghi aus dem Sommer 2012. Als die Eurozone vor der Zerreißprobe stand, erklärte der Italiener: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten.“ Wenig später beschloss die Notenbank, unter bestimmten Bedingungen notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Dieses Kaufprogramm mit dem Namen „Outright Monetary Transactions“ (OMT) beschäftigt die Juristen bis heute.
Nein. Kritiker werfen der Notenbank dennoch vor, sie habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten. Über Anleihenkäufe finanziere die EZB letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den jeweiligen Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit. Zudem lähme es die Reformbereitschaft, wenn sich Regierungen darauf verließen, dass es notfalls die EZB richten werde.
Das höchste deutsche Gericht kam Anfang 2014 zu dem Schluss, die EZB habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten. Laut EU-Vertrag dürfe sie keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Zudem verstoße der OMT-Beschluss gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Zur Klärung von EU-Recht gab Karlsruhe das Thema aber an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Der EuGH entschied: Grundsätzlich darf die EZB zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen. Das OMT-Programm aus dem Sommer 2012 sei rechtmäßig: „Das Programm überschreitet nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten.“ Die Schritte der Notenbank müssten jedoch verhältnismäßig und gut begründet sein und dürften keine wirtschaftspolitische Maßnahme sein. Insgesamt wurde der Gerichtshof seinem Ruf gerecht, eher großzügig zu sein, wenn es um Kompetenzen von EU-Institutionen geht. Bisher hatten die Luxemburger Richter keine Einwände gegen Rettungsbemühungen in der Euro-Schuldenkrise.
Nein, denn der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Auf Basis des EuGH-Urteils haben die deutschen Richter nun zu bewerten, ob die Anleihenkäufe verfassungsgemäß sind. 2014 hatten sie mitgeteilt, ob der OMT-Beschluss der EZB mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sei, könne letztlich erst geklärt werden, wenn der EuGH die vorgelegten Fragen beantwortet habe. Ein Urteil wird frühestens in einigen Monaten erwartet.
Volkswirte fordern, das Bundesverfassungsgericht solle sein Urteil zumindest dazu nutzen, deutsche Vorbehalte festzuschreiben. „Wir sind dafür, dass das Bundesverfassungsgericht ein Signal nach Luxemburg und Frankfurt sendet, dass man nicht einfach machen kann, was man will“, betont der Wirtschaftsweise Lars Feld. Durch eine Begründung, die von der Pro-EZB-Entscheidung des EuGH abweicht, könnte sich Deutschlands höchstes Gericht auf nationaler Ebene die Kontrolle über künftige EZB-Maßnahmen zur Euro-Rettung vorbehalten. Beobachter halten eine solche Kompromiss-Linie für durchaus wahrscheinlich. Dass Karlsruhe das EuGH-Urteil komplett verwirft, wird nicht erwartet.
Direkt nichts. Denn es geht nicht um die Anleihenkäufe, die seit dem 9. März 2015 laufen („Quantitative Lockerung“ oder englisch „Quantitative Easing/QE“). Doch weil auch gegen dieses aktuelle Programm bereits eine Verfassungsbeschwerde vorliegt, wird die Karlsruher Entscheidung mit Spannung erwartet. Beim QE-Programm investiert die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere - und das bis mindestens März 2017. Wichtiger Unterschied zum OMT-Programm: Das Geld fließt nicht nur in Papiere von Krisenstaaten, sondern in Anleihen aus dem gesamten Euroraum. Das frische Zentralbankgeld soll über Geschäftsbanken als Kredit bei Unternehmen und Verbrauchern ankommen. Das könnte Investitionen und Konsum anschieben und soll so auch die Inflation anheizen.
Im privaten Bereich werden wieder verstärkt Risiken eingegangen. Die Blase, die 2008 geplatzt ist, wird gerade wieder aufgepumpt. Außerdem ermöglicht die EZB damit den Staaten, sich weiter zu verschulden. Die Regierungen nutzen – anders als von der EZB zurecht gefordert – die Phase expansiver Geldpolitik nicht zu wirtschaftspolitischen Reformen. Solche Reformen – z.B. eine Deregulierung zahlreicher Dienstleistungsmärkte und eine Re-Regulierung der Arbeitsmärkte – würde der Geldpolitik wenigstens einen kleinen Sinn zubilligen. Dann würden nämlich die Kredite an Unternehmen in Südeuropa attraktiver werden (sowohl für die Banken als auch für die Unternehmen). Stattdessen schützt die laxe Geldpolitik die Regierungen vor politisch anstrengenden Reformen. Dies hat den in der langen Frist unangenehmen Effekt, dass die Nachhaltigkeit staatlicher Budgets in der EWU weiter absinkt.
Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik sieht tatsächlich anders aus
All dies macht eine Zinswende in der Zukunft immer unwahrscheinlicher. Der Druck auf die EZB, das Zinsniveau dauerhaft niedrig zu halten, wird weiter steigen, und es wird für sie immer schwerer, zu einer stabilitätsorientierten Geldpolitik zurückzufinden. Dies wird vermutlich dadurch verstärkt, dass die Regierungen in der EWU – auch getrieben von einer zunehmend aggressiv reagierenden und langfristig immer weiter in die Armutsfalle abrutschenden Bevölkerung – immer mehr Geld für soziale Belange ausgeben und den staatlichen Anteil an der Wirtschaft immer weiter erhöhen. Dafür müssen sie immer mehr Schulden aufnehmen, die sie idealerweise gleich drucken lassen. Dann könnte als Ergebnis nicht nur marktwirtschaftliche Ordnung zerstört werden, sondern die Inflationsrate gleich so stark ansteigen, dass die EZB ihr Inflationsziel tatsächlich deutlich – und dieses Mal nach oben – verfehlt.
Wenn dieses Szenario realistisch ist, sieht die Zukunft der Eurozone düster aus.
Denn die Krise würde so zum Dauerzustand werden, und die Stabilität des Währungsraumes bleibe dauerhaft gefährdet. Dadurch wird dann auch die gesamte europäische Integration gefährdet. Leider hat sich die EZB offenbar derartige ordnungspolitische Gedanken nicht gemacht. Oder sie hat diese Überlegungen weit von sich geschoben, ganz im Sinne von Morgenstern: „Weil, so schließt er (sie) messerscharf, ‚nicht sein kann, was nicht sein darf’.“ Das wäre natürlich grob fahrlässig, aber nicht erstaunliche; würde es doch schlüssig zur in den letzten Jahren demonstrierten Wagenburgmentalität europäischer Entscheidungsträger passen.
Dennoch ist es für die notwendige Zinswende nicht zu spät. Dies gilt besonders deswegen, weil dann trotz leicht steigender Zinsen die Regierungen weiterhin Zinskosten reduzieren könnten, indem sie bei fälligen Prolongationen noch immer recht hochprozentige Anleihen gegen – dann im Vergleich zu heute etwas teurere – recht niedrig verzinste Anleihen tauschen könnten.
Das sagen Ökonomen zur EZB-Entscheidung
"Die Beschleunigung der Anleihekäufe unter dem 'Quantitative Easing' erhöht die Dosis des Gifts. Die Notenbanken werden zu den größten Gläubigern ihrer Staaten, das ankaufbare Material wird immer knapper. Die Maßnahmen sind Ausdruck einer verzweifelten Suche der EZB nach immer mehr Stimulanz für die Märkte. Dabei sind diese gar nicht mehr nötig. Besser wäre gewesen, erst die Wirkung der ohnehin schon expansiven Schritte vom Dezember abzuwarten."
"Die EZB-Entscheidung stellt die Banken auch in Zukunft vor massive Probleme und ist ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa. Gerade die kleinen und mittelgroßen Banken sowie Sparkassen, die von Fristentransformationen leben, werden durch die Entscheidung benachteiligt. Sie werden in Zukunft Probleme haben, profitabel zu arbeiten. Zudem ist nicht klar, ob die Strategie der EZB aufgeht. Die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, um profitabel zu arbeiten. Dies würde der Strategie der EZB widersprechen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen der EZB mittelfristig zu nachhaltigem Wachstum führen."
"Die Kritik an der Linie der Notenbank sollte nicht überzogen werden. Denn solange für deutsche Finanzanlagen eine Sicherheitsprämie gezahlt wird, ist das extrem niedrige Zinsniveau hierzulande eben auch und vor allem ein Ergebnis der hohen Unsicherheit über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa."
"Das ist eine gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden. Für die deutsche Bevölkerung ist das katastrophal. Die Sparer werden enteignet. Das ist eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden. Politisch birgt das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentut. Das ist brandgefährlich.
Im Ergebnis wird das nichts bringen. Man lullt die Schuldenstaaten ein. Sie machen keine Reformen, die Produktivität steigt nicht. Nord und Süd driften so noch weiter auseinander. Die deutschen Exporteure können vielleicht kurzfristig ein bisschen profitieren, weil der Euro weiter geschwächt wird. Auf der anderen Seite ist es aber schlecht für die Importeure."
"Die EZB hat die von ihr selbst geschürten Erwartungen noch übertroffen und den geldpolitischen Expansionsgrad mit zahlreichen Instrumenten weiter ausgeweitet. Allerdings ist dies nicht positiv zu beurteilen. Sobald die Kapitalmärkte etwas mehr Volatilität zeigen, 'verspricht' Mario Draghi, dass er 'etwas tun werde'. Die EZB 'tut' tatsächlich sehr viel. Aber es ist nicht Aufgabe der EZB, für dauerhaft steigende Kurse zu sorgen. Auch bewegt sich die EZB mittlerweile außerhalb ihres Mandats. Die Grenzen zur direkten Staatsfinanzierung werden fließend. Die Entscheidung von heute war ein weiterer Schritt in die falsche Richtung."
"Die EZB hat mit der Verkündung ihrer Maßnahmen massiv überrascht und im Prinzip alles auf den Markt geworfen, was sie kann. Dabei geht sie technische und politische Risiken ein. Mit diesen Maßnahmen nimmt die EZB in Kauf, Marktblasen zu erzeugen, wenn die Liquidität in der blutleeren konjunkturellen Entwicklung nicht in die Realwirtschaft findet."
"Die heute vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zur Ausweitung der Liquidität werden nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Noch mehr billiges Geld und noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen. Im Gegenteil: Die bizarre Welt der negativen Zinsen verunsichert Unternehmen und Verbraucher, belastet die Altersvorsorge und erhöht die Anreize zur Verschuldung, sowohl der Unternehmen und Privathaushalte, als auch der Staaten. Ohnehin malt die EZB mit ihrer Konjunktureinschätzung unnötig schwarz."
"Die EZB sendet mit ihrer Entscheidung ein starkes Signal, dass sie alle ihre Instrumente entschieden nutzen wird, um ihrem Mandat der Preisstabilität wieder gerecht zu werden. Die weitere Expansion der Geldpolitik ist massiv und überraschend. Das anhaltende Risiko der Deflation und die sich abschwächende europäische Wirtschaft lassen der EZB keine andere Wahl, als ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Es sollte nicht vergessen werden - bei allen Sorgen in Deutschland über die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik -, dass es Aufgabe der EZB ist, Geldpolitik für die Eurozone und nicht nur für Deutschland zu machen. Die Entscheidung der EZB bedeutet eine noch längere Phase der Nullzinspolitik in Europa."
"Die EZB hat sich noch tiefer in die Sackgasse manövriert. Mit größter Sorge sieht die Versicherungswirtschaft, dass die Notenbank ihre schon extrem expansive Geldpolitik noch weiter signifikant gelockert hat. Denn immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass diese monetären Anreize ihr Ziel nicht erreichen. Besonders deutlich wurde das seit Jahresbeginn auf den Aktienmärkten oder beim Euro-Wechselkurs, wo Verluste beziehungsweise eine Aufwertung im krassen Gegensatz zur Haltung der Geldpolitik standen.
Schlimmer noch: Mittlerweile ist sogar zu befürchten, dass diese unorthodoxe Geldpolitik das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich beabsichtigt ist - nämlich mehr Wachstum und eine höhere Inflation. Die Notenbank läuft daher zunehmend Gefahr, von den Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns eingeholt zu werden."
"Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht. Wie von uns befürchtet, hat er die Geldpolitik der EZB leider deutlicher gelockert als die meisten erwartet hatten. Diese Geldpolitik wird kaum in der Realwirtschaft ankommen. Denn die Nebenwirkungen sind massiv. Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen. Alles in allem verschlechtert diese lockere Geldpolitik langfristig die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, so dass sie sich heute schon zurückhalten. Die Medizin wird nicht wirken, auch wenn man die Dosis erhöht."
"Die EZB hat heute abermals ein umfangreiches Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht und setzt ihren immer expansiveren Kurs fort. So wurden die Zinssätze zurückgenommen und die QE-Maßnahmen ausgeweitet. Wir gehen davon aus, dass eine Abkehr von diesem Pfad - zumindest bis auf weiteres - nicht in Sicht ist."
"Es handelt sich um eine weitere massive geldpolitische Lockerung. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit QE (geldpolitische Lockerung) halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Ausweitung der Anleihekäufe die Inflation nachhaltig erhöhen wird. Der Markt für Unternehmensanleihen ist in Europa zu klein, als dass sich aus deren Einbeziehung ein großer Effekt ergeben dürfte. Gleichzeitig setzt die weitere Senkung der Einlagenzinsen die Erträge der Banken noch stärker unter Druck.
Ich halte Instrumente wie die langfristigen Kreditlinien (TLTROs), die direkt an der Kreditvergabe ansetzen, für sinnvoller als den weiteren Ankauf von Anleihen. Allerdings hängt auch hier die Wirksamkeit davon ab, ob es überhaupt eine Kreditnachfrage gibt, die zu befriedigen ist."
"Die EZB beschleunigt ihre geldpolitische Irrfahrt. Die heutige Zinsentscheidung der EZB verstärkt den Abwärtsstrudel für die Sparer. Langfristige Altersvorsorgekonzepte werden ebenso entwertet, wie zinsabhängige Institute in risikoreichere Geschäfte gedrängt werden. Es ist absolut unnötig, die deutsche Kreditwirtschaft zu einer umfangreicheren Kreditvergabe zu nötigen."
"Mit ihren heute verkündeten Maßnahmen ist die EZB ihrem monetären Kurs extrem treu geblieben. Allerdings zeugt das große Bündel an Maßnahmen von einer enormen Nervosität seitens der obersten Währungshüter. Denn auch sie müssen sich eingestehen, dass ihre Geldpolitik bislang die Wirkung verfehlt hat. Die Bilanz ist ernüchternd: So ist es der EZB nicht einmal gelungen, die am leichtesten von ihr zu beeinflussenden Indikatoren in die gewünschte Richtung zu drehen."
"Es ist vollkommen unnötig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn heute noch weiter aufgedreht hat. Die Notenbank überzeichnet die Deflationsrisiken. Der Geldmarkt im Euro-Raum ist durch die EZB-Politik faktisch stillgelegt. Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen werden verschleppt. Doch auf all diesen Feldern hat die EZB heute noch einmal eine Schippe draufgelegt."
Die heutige Entscheidung der europäischen Zentralbank, den Leitzins auf Null Prozent zu senken, hat gravierende Folgen für sämtliche Formen der kapitalgedeckten Vorsorge. Nach Ansicht des Bund der Versicherten e. V. (BdV) steht die private Versicherungswirtschaft vor einem Wendepunkt. Alle Formen der privaten Vorsorge basieren darauf, dass an den Kapitalmärkten Zinsen erwirtschaftet werden können. „Sowohl die private Krankenversicherung als auch die private Altersvorsorge haben bei dauerhaftem Null-Zins keine Zukunft“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV.
Solche Zinserhöhungen würden vermutlich den Regierungen eher einen Reformschub verleihen und gäben Sparern und Banken einen Anreiz, sowohl die Ersparnis als auch die Kreditvergabe zu erhöhen. Allerdings ist der Zeitraum, in dem dies funktioniert gering, denn sobald sämtliche Staatsschulden mit einem Zins nahe bei Null verzinst werden, wird der politische Widerstand gegen Zinserhöhungen zu stark sein.
Die Unabhängigkeit der EZB ist somit tatsächlich in Gefahr, allerdings nicht durch die Kritik aus Berlin, sondern durch die Willfährigkeit gegenüber Rom, Paris und anderen (darunter sicherlich ursprünglich auch Berlin). So interpretiert könnte die Initiative der Unionspolitiker eine ordnungspolitische Wende einleiten, die die Unabhängigkeit der EZB gerade stärkt. Denn nur, wenn sie nicht auf die Wünsche reformunwilliger Regierungen eingehen muss, kann sie eine stabilitätsorientierte Geldpolitik betreiben. Die EZB müsste dann natürlich handeln wollen.