Kommunen fürchten Klagen Rechtsanspruch auf Krippenplatz in Gefahr

Den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals, erste Leidtragende sind wohl die Kinder: Der Anspruch auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige wackelt. Dabei wird das Modell vom eigenen Erfolg überrollt - mehr Eltern als geplant möchten Beruf und Familie vereinbaren, Geld für zusätzliche Plätze ist jedoch nicht vorhanden.

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Betreuung im Kindergarten: Der Rechtsanspruch für unter Dreijährige wackelt. Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

HB BERLIN. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kleinkinder ab 2013 ist aus Sicht der Kommunen nicht zu halten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund befürchtet, dass dann etwa eine halbe Million Plätze für unter Dreijährige fehlen. Der Verband sagte am Montag eine Klagewelle wütender Eltern voraus und mahnte Hilfe beim Bund an.

Hintergrund ist eine Forsa-Umfrage, wonach 66 Prozent der Eltern einen Krippenplatz für ihre Kleinkinder wünschen. Der Bund hatte beim Ausbaubeschluss auf 750.000 Plätze dagegen nur 35 Prozent Bedarf in der Altersgruppe unterstellt. Sollen stattdessen tatsächlich zwei Drittel der Kinder betreut werden, wären 1,3 Millionen Plätze und 150.000 zusätzliche Betreuer nötig, erklärte der Städte- und Gemeindebund.

"Das schaffen wir weder finanziell noch personell", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Der für 2013 vorgesehene Rechtsanspruch auf Betreuung für Ein- und Zweijährige "wird nicht einlösbar sein". Vorhanden waren vergangenes Jahr nach Angaben des Verbands 417.000 Plätze.

Das Bundesfamilienministerium zeigte sich überrascht von der neuen Bedarfsprognose von 66 Prozent der Kleinkinder. Ermittelt worden sei ein Bedarf bei 35 Prozent der Altersgruppe, und das "ist die Grundlage, auf der das Gesetz beruht", sagte ein Sprecher. Er fügte aber an: "Das Ziel ist selbstverständlich, eine bedarfsgerechte Betreuung in ganz Deutschland sicherzustellen. Und das Ministerium wird darauf achten, dass dieses Ziel erreicht wird."

Landsberg mahnte die Regierung zum raschen Handeln. "Die Bundesregierung sollte auf diese Frage schnell eine Antwort finden", sagte er. So könne man sich möglicherweise auf ein Betreuungsangebot für 35 Prozent der Kinder ab 2013 einigen und es danach langsam steigern.

Gleichzeitig bekräftigte Landsberg, dass die Kommunen weiter Zweifel an der Finanzierung des Ausbaus haben. Allein für den Betrieb der 750.000 Betreuungsplätze gehe der Verband ab 2013 von jährlichen Mehrkosten von 3,1 Milliarden Euro aus. Der Bund veranschlage nur 2,3 Milliarden Euro.

Die SPD brachte die Schwierigkeiten beim Ausbau mit der Finanznot der Kommunen in Zusammenhang. "Das von der schwarz-gelben Bundesregierung mit unglaublichem Tempo durchgepeitschte Wachstumsbeschleunigungsgesetz reißt tiefe Löcher in die Kassen der Gemeinden", erklärte Generalsekretärin Andrea Nahles. Ihre Parteikollegin Christel Humme meinte im Deutschlandradio, die Freude über die Kindergelderhöhung könnte rasch dem Entsetzen über steigende Kita-Gebühren weichen.

Um Mittel für Betreuung und Bildung zu mobilisieren, will die FDP die für 2013 geplante nächste Kindergelderhöhung in Form von Bildungsgutscheinen an die Eltern auszahlen. Diese könnten dann in Kitas oder auch in Musik- und Sportvereinen eingelöst werden, sagte FDP-Vizechefin Cornelia Pieper laut "Bild"-Zeitung. Das Familienministerium will sich allerdings auf die Gutschein-Variante noch nicht festlegen. Bei einigen Experten stößt sie auf Kritik.

In den Kindergarten gehen Kinder von Zuwanderern seltener als deutsche Jungen und Mädchen, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab. Nur 84 Prozent der Migrantenkinder in Westdeutschland zwischen drei und sechs Jahren gehen in eine Kindertageseinrichtung. Bei den deutschen Kindern liegt der Anteil bei 93 Prozent.

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