Europa hat ein ernstes Problem. Zwar wächst die Wirtschaft der Euro-Zone wieder stärker. Zugleich aber ist die Fähigkeit verloren gegangen, adäquat auf den nächsten Abschwung reagieren zu können. Und machen wir uns nichts vor: Dieser wird unweigerlich kommen.
Im Mittelpunkt der Antikrisenpolitik steht nach wie vor die Europäische Zentralbank (EZB). Sie verdient durchaus Anerkennung und hat zu den wirtschaftlichen Verbesserungen der vergangenen Jahre beigetragen. Seit der Krise hat die EZB den Einlagenzins in den negativen Bereich gedrückt. Außerdem hat die Notenbank in großem Umfang langfristige Anleihen gekauft und ihre Bilanzsumme von 2,2 Billionen Euro (2014) mehr als verdoppelt.
Der Euro-Kurs ist von 1,39 US-Dollar im Jahr 2014 auf ein Tief von 1,04 Dollar im Jahr 2016 gefallen, bevor er auf die derzeitige Marke von etwa 1,18 Dollar geklettert ist. Die Negativzinspolitik der EZB hat zudem die Investitionstätigkeit von Unternehmen und andere Ausgaben angekurbelt, die besonders sensibel auf Fremdkapitalkosten reagieren.
Doch es gibt eine Kehrseite dieser Politik: Die EZB hat nun keine Munition mehr, um die nächste Rezession zu bekämpfen.
Ein ökonomischer Absturz könnte etwa durch einen Crash der Vermögenspreise, angefangen beim Kurs langfristiger Anleihen, herbeigeführt werden. Die Kurse für deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind extrem hoch, was sich in einer Rendite von derzeit unter 0,5 Prozent widerspiegelt. Ein Kursverfall an den amerikanischen Aktien- und Anleihemärkten etwa könnte auch die europäischen Vermögenspreise einbrechen lassen.
Glossar zur Zinspolitik
Preisstabilität ist als Mandat der EZB in den Europäischen Verträgen festgeschrieben. Die EZB definiert Preisstabilität als eine jährliche Teuerungsrate von knapp unter 2 Prozent. Das Niveau gilt als wünschenswert, da es einen Sicherheitsabstand zur Deflation wahrt, ohne Ersparnisse zu schnell aufzuzehren.
Bei fallenden Preisen spricht man von Deflation. Erwartet ein Konsument, dass ein Produkt in Zukunft günstiger wird, verschiebt er seine Kaufentscheidung. Dadurch bricht die Nachfrage ein. Es entsteht ein gefährlicher Kreislauf, gegen den die Zentralbank kaum vorgehen kann.
Mit dem Leitzins legt die Zentralbank den Preis des Geldes fest. Banken können sich zu diesem Zins kurzfristig Geld bei der Zentralbank leihen. Das beeinflusst alle anderen Zinsen in der Volkswirtschaft.
In einem QE-Programm kauft eine Zentralbank Schuldscheine (Anleihen), beispielsweise von Staaten und Unternehmen in großem Umfang auf. Da sie diese Papiere nicht den Schuldnern selbst, sondern deren Gläubigern (in der Regel Banken) abkauft, spült sie so zusätzliches Geld in das Finanzsystem.
Eine weitere Gefahr liegt im Außenhandel. Die europäischen Exporte könnten als Reaktion auf geopolitische Ereignisse in Asien oder im Nahen Osten sinken und die Wirtschaftstätigkeit insgesamt in Europa dämpfen.
Auch eine Abkehr von der seit neun Jahren währenden lockeren Geldpolitik in den USA würde die Nachfrage in Europa schwächen. Obwohl es der US-Wirtschaft aktuell sehr gut geht, stellen die aufgeblähten Vermögenspreise – das Ergebnis einer Dekade mit Zinsen nahe null – eine Bedrohung für die Stabilität Amerikas dar.
Welche Ursache der nächste Abschwung aber auch haben mag: Die Maßnahmen, mit denen die EZB in der Vergangenheit gegensteuern konnte, stehen nicht mehr zur Verfügung. Die konventionelle Reaktion auf eine Krise – eine Absenkung der Zinssätze – ist ausgeschlossen, weil die kurzfristigen Zinssätze in den Ländern der Euro-Zone aktuell bereits nahe null oder negativ sind.