Europäische Zentralbank Die Gelddrogenpolitik der EZB

Die Sorglosigkeit an den Finanzmärkten ist alles andere als angebracht. Schon in der nächsten Krise könnten die Verkäufer von Aktien oder Anleihen Gefahr laufen, keine Käufer mehr zu finden.

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EZB Quelle: dpa

Da die von den EU-Statistikern berechnete durchschnittliche Teuerung (ohne Vermögenspreise) im Euroraum auf das Notenbank-Panikniveau von -0,1 Prozent gesunken war, drohte der oberste EU-Wirtschaftsplaner Mario Draghi im Oktober, das jährliche 2-Prozent-Geldentwertungsziel der EZB - die Grundvoraussetzung für "Geldwertstabilität" - dadurch erreichen zu wollen, die aktuell bereits äußerst extremen geldpolitischen Maßnahmen noch extremer werden zu lassen!

Bereits zeitnah könnte der experimentelle negative EZB-Einlagensatz (-0,2 Prozent), der die Banken zur Kreditvergabe zwingen soll, noch etwas negativer werden. Und für den Fall, dass dieses der Geldentwertung nicht wie geplant auf die Sprünge hilft, kündigte die EZB an, dann eben deutlich mehr als "nur" 1,14 Billionen Euro drucken zu wollen. Wenn die Droge nicht mehr wirkt, muss man sie eben einfach höher dosieren! Die Ankündigung von so viel Wahnsinn wurde von den Märkten einmal mehr frenetisch gefeiert, zumal nur 24 Stunden später die chinesische Notenbank ihre nunmehr fünfte Zinssenkung im laufenden Jahr verkündete.

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Währenddessen scheint sich das mit einer beispiellosen Verschuldung erkaufte Wirtschaftswachstum in China deutlich abzuschwächen, und mit Japan und den USA steuern – trotz oder wegen aller geldpolitischen Verzweiflungstaten – darüber hinaus noch zwei weitere große Volkswirtschaften in Richtung Rezession.

Aber auch die seit Jahresbeginn weltweit durchgezogenen 70 Leitzinssenkungen (!) zeugen deutlich von einer schwach und schwächer werdenden Weltkonjunktur, so dass fest mit einer weiteren Intensivierung der experimentellen Gelddruck- und Null-/Negativzinspolitik zu rechnen ist, die am Ende zwangsläufig zu einer schweren Beschädigung der Realwirtschaft und kompletten Zerstörung der Finanzmärkte führen wird.

Die wirtschaftliche Aktivität in den USA. Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Dass die Notenbanken in dieser Beziehung schon ganze Arbeit geleistet haben, zeigt sich am prägnantesten an der inzwischen bis zur Absurdität aufgepumpten weltweiten Anleiheblase. Obwohl beispielsweise die Staaten des Euroraums ihre Verschuldung seit 2009 um gigantische 2,3 Billionen Euro auf aktuell 9,5 Billionen Euro aufgebläht haben, wird dieser Schuldenrausch nicht etwa von steigenden Risikoprämien, sondern zunehmend von Negativzinsen begleitet!

Inzwischen müssen die Anleger bei sage und schreibe rund einem Drittel des ER19-Staatsanleiheuniversums – inklusive spanischer, italienischer und französischer Anleihen – dafür bezahlen, wenn sie in diese real niemals mehr rückzahlbaren Schulden investieren. Das ist einfach nur noch surreal.

COMEX-(Ab-)Normalität nach EZB-

Darüber hinaus lässt sich die von den Notenbanken betriebene Zersetzung der Finanzmärkte an der dramatisch abnehmenden Liquidität an den Aktien- und Anleihemärkten ablesen. Wurden die Handelsaussetzungen von über 1200 US-Aktien und die teils drastischen Kursstürze von milliardenschweren Indexfonds mangels Liquidität Ende August noch eiligst als Non-Event ad acta gelegt, so kann dieses für den US-Unternehmensanleihemarkt nicht ansatzweise gelten – im Gegenteil.

Im Jahr 2014 fand nur noch für 1 Prozent der ausstehenden Anleihen ein täglicher Handel statt, so dass die Preisfindung dort nur noch als rein virtuell bezeichnet werden kann. Die aktuell unter dem Totschlagargument "alternativlos" herrschende Sorglosigkeit an den Finanzmärkten ist also alles andere angebracht, denn schon in der nächsten Krise könnten die Verkäufer von Aktien oder Anleihen Gefahr laufen, keine Käufer zu keinem Preis mehr zu finden!

Trotz oder wegen all dieser bedrohlichen Entwicklungen erlitt der Goldpreis im Oktober, als dieser auf US-Dollar-Basis die charttechnisch wichtige 200-Tage-Linie zu überschreiten drohte, einen seiner bekannten Schwächeanfälle. Plötzlich wurden im Fahrwasser der EZB-Billionen-Ankündigung an der US-Terminbörse Comex rund 5 Millionen Unzen Papiergold (157 Tonnen!) verkaufspreisminimierend auf den Markt geworfen, was den Goldpreis binnen weniger Minuten um 18 USD drückte.

Sollen uns die inzwischen regelmäßigen manipulativen Attacken auf die ultimative Währung Gold nun etwa signalisieren, dass an den Finanzmärkten alles in Ordnung ist, oder sind diese nicht vielmehr der sprichwörtliche "Wink mit dem Zaunpfahl", um aus dem faktisch längst gescheiterten Finanzsystem der Gelddrogenpolitiker auszusteigen, solange es überhaupt noch möglich ist?

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