Die Krisenpolitik der Euro-Zone seit 2010
Erstmals muss mit Griechenland ein Euro-Mitglied ein internationales Hilfsprogramm beantragen, um eine Staatspleite zu verhindern. Das Programm erweist sich später als nicht ausreichend.
Ein „Europäischer Rettungsschirm“ wird beschlossen. Er soll sicherstellen, dass die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Euroländer gesichert wird. EFSF („Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“) reichte Kredite aus, für die die Euro-Länder mit Garantien bürgten. Der maximale Garantieanteil Deutschlands betrug rund 211 Milliarden Euro. Unter diesen Rettungsschirm schlüpfen - neben Griechenland - später auch Portugal, Irland, Spanien und Zypern.
Parallel beginnt die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen. Das „Securities Markets Programme“ (SMP) sollte den Anstieg der Renditen von Anleihen angeschlagener Euroländer bremsen. Das SMP läuft bis Anfang 2012.
Die EZB verspricht, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu erwerben. Gekauft wurde nach dem Programm „Outright Monetary Transactions“ (OMT) bisher noch keine Anleihe. Dennoch beschäftigt der OMT-Beschluss den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Mit dem ESM („Europäischer Stabilisierungsmechanismus“) geht ein neuer Rettungsschirm an den Start, der den EFSF dauerhaft ablöst. Wichtigster Unterschied der beiden Einrichtungen: Der ESM erhält eigenes Kapital, zu dem die Euroländer beitragen. Der deutsche Kapitalanteil beträgt 21,7 Milliarden Euro; hinzu kommen Garantien mit einem deutschen Anteil von 168,3 Milliarden Euro.
Wieder eine Premiere bei der EZB: Die Notenbank beschließt ein riesiges Anleihekaufprogramm - im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE). Damit sollen Milliarden und Abermilliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt werden - als Stütze für die schwache Konjunktur.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bezweifelt die Wirksamkeit der geplanten Staatsanleihenkäufe in der Euro-Zone durch die EZB. „Die Wirkungen sind zwar schwer abschätzbar, werden in Europa aber wohl geringer sein als in den USA“, sagte Weidmann der „Welt am Sonntag“. Dort sei das Zinsniveau anfangs deutlich höher gewesen. Außerdem finanzierten sich US-Unternehmen stärker über den Kapitalmarkt. Deshalb wirkten Wertpapierkäufe der Notenbank dort viel direkter als in einer Wirtschaft, die sich über Banken finanziere.
Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag Anleihenkäufe im Umfang von gut 1,1 Billionen Euro angekündigt. Dies soll verhindern, dass die Euro-Zone in einen Preisverfall auf breiter Front (Deflation) abrutscht, der der Wirtschaft schaden würde. Der Leitzins der EZB liegt bereits nahe der Null-Linie. Die Gegner der geplanten Geldschwemme fürchten, dass diese den Reformeifer vor allem in den südeuropäischen Ländern, aber auch in Frankreich lähmt, weil sich die Regierungen zu günstigen Zinsen Geld borgen können.
Weidmann hatte im EZB-Rat gegen das Programm gestimmt. Die CSU forderte daher am Freitag einen Boykott der EZB-Entscheidung durch die Bundesbank.
Sicher seien die Inflationsraten derzeit sehr niedrig. „Aber das ist stark durch die sinkenden Ölpreise getrieben“, sagte er nun. Daher spreche einiges dafür, dass die außergewöhnlich niedrigen Teuerungsraten nur vorübergehend seien. „Die Mehrheit im EZB-Rat befürchtete jedoch, dass sich die Menschen zu sehr daran gewöhnen könnten, dass die Preise stagnieren, was im Extremfall in eine Abwärtsspirale führen könnte.“
Weidmann sagte, das Anleihenkaufprogramm ändere nichts an den grundsätzlichen Problemen: „Das schleppende Wachstum in Europa geht letztlich auf eine hohe Verschuldung und einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit in einzelnen Ländern zurück.“ Dort müssten die Regierungen ansetzen. Die EZB strebt eine Inflation von knapp zwei Prozent an. Zuletzt waren die Preise im gemeinsamen Währungsraum aber leicht gefallen.
Anleger suchen zunehmend das Risiko
Der Notenbanker warnte zudem vor negativen Nebenwirkungen der Staatsanleihenkäufe. „Viele Staaten müssten eigentlich Schulden abbauen, doch die Anreize dafür werden nun geringer.“ Bei hoher Staatsverschuldung könne wiederum die Notenbank unter Druck geraten, für immer mehr Erleichterungen zu sorgen.
Zudem warnte er davor, dass die Immobilienpreise aus dem Ruder laufen könnten, auch wenn es in Deutschland noch keine Preisblase gebe. Durch die geringen Zinsen bei Staatsanleihen würden „Investitionen und Konsum attraktiver, und Anleger werden sich zunehmend nach ertragsstärkeren und risikoreicheren Anlagen umsehen“, so Weidmann.
Gegenüber der „Bild“-Zeitung hatte der Bundesbank-Präsident bereits am Samstag vor einem Verlust der Unabhängigkeit der EZB durch die Anleihekäufe gewarnt. Mit dem Programm würden die Notenbanken im EZB-System zu den größten Gläubigern der Euro-Staaten. „Das birgt das Risiko, dass solides Haushalten vernachlässigt wird. Und es könnte der politische Druck auf uns steigen, die Zinslast der Finanzminister dauerhaft niedrig zu halten.“