EZB-Entscheid Weidmann erneuert Kritik an Draghi-Kurs

Die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Billion Euro zu kaufen, hat Jens Weidmann nicht mitgetragen. Der Bundesbank-Präsident zweifelt an der Wirksamkeit – und warnt vor einer Blasenbildung.

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Die Krisenpolitik der Euro-Zone seit 2010

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bezweifelt die Wirksamkeit der geplanten Staatsanleihenkäufe in der Euro-Zone durch die EZB. „Die Wirkungen sind zwar schwer abschätzbar, werden in Europa aber wohl geringer sein als in den USA“, sagte Weidmann der „Welt am Sonntag“. Dort sei das Zinsniveau anfangs deutlich höher gewesen. Außerdem finanzierten sich US-Unternehmen stärker über den Kapitalmarkt. Deshalb wirkten Wertpapierkäufe der Notenbank dort viel direkter als in einer Wirtschaft, die sich über Banken finanziere.

Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag Anleihenkäufe im Umfang von gut 1,1 Billionen Euro angekündigt. Dies soll verhindern, dass die Euro-Zone in einen Preisverfall auf breiter Front (Deflation) abrutscht, der der Wirtschaft schaden würde. Der Leitzins der EZB liegt bereits nahe der Null-Linie. Die Gegner der geplanten Geldschwemme fürchten, dass diese den Reformeifer vor allem in den südeuropäischen Ländern, aber auch in Frankreich lähmt, weil sich die Regierungen zu günstigen Zinsen Geld borgen können.

Weidmann hatte im EZB-Rat gegen das Programm gestimmt. Die CSU forderte daher am Freitag einen Boykott der EZB-Entscheidung durch die Bundesbank.

Sicher seien die Inflationsraten derzeit sehr niedrig. „Aber das ist stark durch die sinkenden Ölpreise getrieben“, sagte er nun. Daher spreche einiges dafür, dass die außergewöhnlich niedrigen Teuerungsraten nur vorübergehend seien. „Die Mehrheit im EZB-Rat befürchtete jedoch, dass sich die Menschen zu sehr daran gewöhnen könnten, dass die Preise stagnieren, was im Extremfall in eine Abwärtsspirale führen könnte.“

Weidmann sagte, das Anleihenkaufprogramm ändere nichts an den grundsätzlichen Problemen: „Das schleppende Wachstum in Europa geht letztlich auf eine hohe Verschuldung und einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit in einzelnen Ländern zurück.“ Dort müssten die Regierungen ansetzen. Die EZB strebt eine Inflation von knapp zwei Prozent an. Zuletzt waren die Preise im gemeinsamen Währungsraum aber leicht gefallen.

Anleger suchen zunehmend das Risiko

Der Notenbanker warnte zudem vor negativen Nebenwirkungen der Staatsanleihenkäufe. „Viele Staaten müssten eigentlich Schulden abbauen, doch die Anreize dafür werden nun geringer.“ Bei hoher Staatsverschuldung könne wiederum die Notenbank unter Druck geraten, für immer mehr Erleichterungen zu sorgen.

Zudem warnte er davor, dass die Immobilienpreise aus dem Ruder laufen könnten, auch wenn es in Deutschland noch keine Preisblase gebe. Durch die geringen Zinsen bei Staatsanleihen würden „Investitionen und Konsum attraktiver, und Anleger werden sich zunehmend nach ertragsstärkeren und risikoreicheren Anlagen umsehen“, so Weidmann.

Gegenüber der „Bild“-Zeitung hatte der Bundesbank-Präsident bereits am Samstag vor einem Verlust der Unabhängigkeit der EZB durch die Anleihekäufe gewarnt. Mit dem Programm würden die Notenbanken im EZB-System zu den größten Gläubigern der Euro-Staaten. „Das birgt das Risiko, dass solides Haushalten vernachlässigt wird. Und es könnte der politische Druck auf uns steigen, die Zinslast der Finanzminister dauerhaft niedrig zu halten.“

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