Geldpolitik und Wachstum Draghis einfache Rechnung

Die Geldpolitik bleibt wohl noch länger äußerst locker, betont EZB-Chef Mario Draghi am Freitag. Seine Rechnung ist ebenso bekannt wie umstritten: Ohne billiges Geld gibt es noch lange Zeit nicht genug Wachstum.

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Die lockere Geldpolitik der Notenbank hält EZB-Präsident noch lange für notwendig, erklärte er am Freitag bei einem Bankenkongress in Frankfurt. Quelle: Reuters

Frankfurt Wer auf ein Statement von Mario Draghi zu den Folgen der US-Wahl gehofft hatte, wurde enttäuscht. Über Donald Trump verlor der EZB-Präsident in seiner Rede am Freitagmorgen in der Frankfurter Alten Oper kein einziges Wort. Wie schon nach dem Brexit-Votum im Juni hielt sich Draghi erstaunlich zurück.

Doch fast alle Themen, die Draghi letztlich anspricht, werden durch den Wahlausgang beeinflusst – Bankenregulierung, politische Unsicherheit, Inflation. Die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum hält er nach wie vor für schwach. „Wir können nicht zuversichtlich sein, was den ökonomischen Ausblick angeht“, so Draghi. Zwar habe sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr verbessert – die Konjunktur sei allerdings stark abhängig von der lockeren Geldpolitik der Notenbank. Das, so Draghi, werde auch vorerst so bleiben. „Die Geldpolitik bleibt in den kommenden Jahren eine Hauptstütze für das Wachstum“, sagte der Notenbankpräsident.

Besorgt zeigte sich Draghi auch über die Ertragsschwäche der Banken im Euroraum und die weiterhin geringe Inflationsentwicklung. Zwar seien die Aktienkurse der Banken nicht per se ein Thema für die politischen Entscheider. Niedrige Kurse würden jedoch die Finanzierungskosten der Geldhäuser erhöhen – und dies wiederum könne die Kreditvergabe der Banken an die Realwirtschaft bremsen.

Die EZB versucht, Wachstum und Inflation mit einer gewaltigen Flut billigen Geldes anzuheizen. Seit März 2015 kauft die Notenbank im großen Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Seit Juni stehen auch Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. 80 Milliarden Euro fließen derzeit monatlich, insgesamt sollen es 1,74 Billionen Euro werden. Unklarheit herrscht nach wie vor über die Dauer dieser Maßnahme: Nach den bisherigen Plänen soll das Programm mindestens bis Ende März 2017 laufen.

Viele Volkswirte rechnen hingegen damit, dass die EZB das Kaufprogramm über März 2017 hinaus verlängern wird. Die Notenbank will darüber auf ihrer Sitzung im Dezember entscheiden. In seiner Rede lässt Draghi eher durchklingen, dass er noch keine schnelle Wende in der Geldpolitik sieht.

Erst am Donnerstag hatte EZB-Direktor Yves Mersch eine vorsichtige Abkehr von der ultralockeren Zinspolitik angedeutet. „Wir sind wahrscheinlich nicht mehr weit von dem Zeitpunkt entfernt, an dem wir eine solche Aussage machen können“, sagte Mersch. Im Augenblick sei dies aber „in Anbetracht der Fragilität des europäischen Wachstumspfades noch leicht verfrüht“.

Ähnlich positionierten sich auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann und EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger: Auch sie plädieren für ein baldiges Auslaufen der Anleihekäufe. Weidmann mahnte auch am Freitag erneut vor den schädlichen Nebenwirkungen dieser Strategie. „Geldpolitik darf nicht die Augen davor verschließen, wenn die geringe Ertragskraft der Banken Probleme für die geldpolitische Übertragung verursacht“, sagte Weidmann. Denn dies könnte in der Zukunft Zentralbanken Schwierigkeiten bereiten, Preisstabilität sicher zu stellen.
In ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht warnt die Bundesbank vor Risiken bei schnell steigenden Zinsen – und stärkt somit einen eher langsamen Ausstieg. Eine schnelle Zinserhöhung könne zu fallenden Preisen auf dem Immobilienmarkt und höhere Kreditausfallraten führen, heißt es dort. „Finanzierungen, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen angemessen erscheinen, könnten sich dann als nicht nachhaltig herausstellen“, hatte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch am Mittwoch gewarnt.

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