Doch die Weltwirtschaftskrise lehrte etwas anderes. Die Unternehmen reagierten auf die wegbrechende Güternachfrage mit Kürzungen ihrer Produktion und entließen Arbeitskräfte. Zwar sanken die Löhne, doch die Nachfrage nach Arbeit ging weiter zurück. Mit den Löhnen schrumpfte auch die Kaufkraft der Arbeitnehmer. Sie schränkten ihren Konsum ein. Darauf reagierten die Unternehmen mit weiteren Produktionskürzungen und Entlassungen. Die Abwärtsspirale beschleunigte sich.
Keynes sah deshalb „keinen Grund für die Annahme, dass flexible Löhne in der Lage sind, nachhaltig Vollbeschäftigung herzustellen“. Entscheidend für die Beschäftigung sei vielmehr, dass es eine ausreichend hohe Nachfrage am Gütermarkt gebe. Die Unternehmen dehnten ihre Produktion dann wieder aus und heuerten zusätzliche Arbeitskräfte an. Keynes stellte so eine Verbindung zwischen dem Güter- und dem Arbeitsmarkt her, die es in der klassischen Theorie nicht gab.
Doch wie lässt sich die Nachfrage am Gütermarkt auf das Niveau anheben, das für Vollbeschäftigung notwendig ist? Am einfachsten wäre es, die Zentralbank würde die Zinsen senken und so private Investitionen ankurbeln. Laut Keynes investieren Unternehmen in neue Maschinen, wenn der Zins für den Anschaffungskredit niedriger ist als die erwartete Rendite der Maschine, die er als „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ bezeichnete. Senkt die Zentralbank also die Zinsen, kommen zusätzliche Investitionen in Gang, und die Nachfragelücke verschwindet.
Liquiditätsfalle
Allerdings, konstatierte Keynes, gebe es Situationen, in denen die Zentralbank machtlos sei. Zum einen könne „eine große Zunahme der Geldmenge so viel Ungewissheit über die Zukunft verursachen, dass die Vorlieben für Liquidität aus dem Sicherheitsmotiv verstärkt werden“. Dann horten die Bürger das Geld, anstatt es in Staatsanleihen zu investieren. Der erhoffte Zinsrückgang durch steigende Kurse bleibt aus, die Investitionen erhalten keine Impulse. Die Wirtschaft befindet sich in der Liquiditätsfalle.
Keynes selbst betrachtete dies als einen „Grenzfall“, der „in der Zukunft praktische Relevanz erlangen mag“. „Bisher“, so schrieb er, „kenne ich dafür allerdings kein Beispiel.“ Doch mehr als 70 Jahre später trat dieser Grenzfall ein. Nach der Pleite der Lehman-Bank im Jahr 2008 verloren die Banken das Vertrauen untereinander und horteten ihr Geld bei der Zentralbank, statt es anderen Banken zu leihen oder es in Wertpapiere zu investieren. Die Liquidität am Interbankenmarkt verknappte sich, die Zinsen schossen nach oben. Diese Erfahrung dürfte mit dazu beigetragen haben, dass die Zentralbanken in den vergangenen Jahren selbst Staatsanleihen kauften, um die Zinsen nach unten zu drücken und die Investitionen zu beleben. Die sogenannte Politik der quantitativen Lockerung kann daher als Versuch der Notenbanken gewertet werden, die Keynes’sche Liquiditätsfalle zu umgehen.