OECD-Prognose Weltwirtschaft mit starkem Wachstum, Deutschland mit Reformbedarf

Wirtschaftsausblick der Industriestaaten-Organisation OECD macht Mut: Die Weltwirtschaft wächst nach der Prognose so schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. In Deutschland sieht die OECD Reformbedarf.

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Weltwirtschaft mit stärkstem Wachstum seit 2010. Quelle: dpa

Die Weltwirtschaft wächst nach Prognose der OECD so schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. In diesem Jahr dürfte das globale Bruttoinlandsprodukt um 3,6 Prozent zulegen, 2018 um 3,7 Prozent und 2019 erneut um 3,6 Prozent, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Wirtschaftsausblick der Industriestaaten-Organisation. "Das globale Wirtschaftswachstum steigt", sagte OECD-Chefökonomin Catherine Mann.

Nur Grund zum Jubeln sehen die Experten aber nicht. "Die Konjunkturaufhellung ist zwar erfreulich, bleibt aber verhalten im Vergleich zu vergangenen Aufschwungphasen", heißt es in dem Bericht. Investitionen, Handel, Produktivität und Lohnentwicklung litten noch immer unter den Nachwehen der Finanzkrise. Für eine anhaltend starkes Wachstum seien kräftigere Investitionen notwendig.

Die Euro-Zone dürfte in diesem Jahr mit einem Plus von 2,4 Prozent die weltgrößte Volkswirtschaft USA hinter sich lassen, für die die OECD mit 2,2 Prozent Wachstum rechnet. Im kommenden Jahr soll es in der Währungsunion zu 2,1 und 2019 zu 1,9 Prozent reichen. "Die politische Unsicherheit ist nach wie vor hoch, und sie könnte weiter zunehmen", warnt die OECD. "Das Ergebnis der Brexit-Verhandlungen wird entscheidend sein für Vertrauen und Handel." Massiv investiert werden müsse in transeuropäische Verkehrs- und Energienetze, während der digitale Binnenmarkt schnell kommen müsse.

OECD sieht Deutschland im Aufwind, fordert aber Reformen

Ungeachtet günstiger Konjunkturaussichten sieht die OECD in Deutschland eine Menge Reformbedarf. Sie hob ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr von 1,7 auf 2,2 Prozent an, für 2018 von 2,0 auf 2,3 Prozent. 2019 werden 1,9 Prozent erwartet. "Die Konjunkturbelebung im Euro-Raum kurbelt Exporte und die Unternehmensinvestitionen an", erklärte die OECD. "Eine niedrige Arbeitslosigkeit und Lohnzuwächse stützen den privaten Konsum." Niedrige Zinsen und die kräftige Nachfrage nach Wohnraum kurbeln zudem die Bauwirtschaft an.

Die OECD sieht dennoch keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. "Angesichts der sehr soliden Haushaltslage besteht Spielraum für die Finanzierung von prioritären Ausgaben- und Steuerreformen", betonte sie. Trotz Fortschritten werde die Nachfrage nach ganztägigen Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder immer noch nicht gedeckt, während die Qualität der Kinderbetreuung nicht überall gleich gut sei. "Diese Maßnahmen würden es vor allem Frauen erleichtern, familiäre Aufgaben mit einer Vollzeitbeschäftigung zu vereinbaren", erklärte die OECD. Auch seien gerade Kinder aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen auf eine frühe Förderung angewiesen.

Nachholbedarf sieht die Organisation auch beim schnellen Internet. "Der Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastruktur ist unzureichend", stellte sie fest. "Eine Beschleunigung des Ausbaus könnte die wirtschaftliche Entwicklung strukturschwacher ländlicher Regionen verbessern." Kritisiert wird, dass die Abgabenbelastung niedriger Arbeitseinkommen hoch sei. Dagegen könnten geringere Beiträge zur Sozialversicherung helfen. "Eine geringere Steuerbelastung für Zweitverdiener wurde Frauen bessere berufliche Möglichkeiten eröffnen und das große Verdienstgefälle zwischen den Geschlechtern verringern", betonte die OECD.

Finanziert werden könnten solche Maßnahmen durch die Abschaffung von Steuervergünstigungen für umweltschädliche Aktivitäten, eine Anpassung der Energiesteuersätze an die CO2-Intensität und eine Besteuerung von Stickoxidemissionen. Auch könne die Grundsteuer an den aktuellen Immobilienwert angepasst werden, während die Kapitalertragsteuer auf Gewinne aus dem Verkauf von Wohnimmobilien - deren Wert in den vergangenen Jahren zumeist stark gestiegen ist - ausgeweitet werden könnte. Ermäßigte Umsatzsteuersätze - etwa für Hotels - sollten auf den normalen Regelsatz angehoben werden.

"Erhebliche Risiken" für die USA

Die USA dürften 2018 um 2,5 und 2019 um 2,1 Prozent wachsen. "Auf den weiteren Aussichten lasten nach wie vor erhebliche Risiken", erklärte die OECD. "Umfang, Struktur und Zeitrahmen der fiskalischen Impulse bleiben ungewiss", heißt es mit Blick auf die von Präsident Donald Trump geplante Steuerreform. Auch gebe es eine Reihe von Finanzmarktrisiken. "Ein wachsendes Zinsgefälle zwischen den Vereinigten Staaten und anderen großen Währungsräumen könnte zu einer Aufwertung des Dollar führen und aufgrund unvorhersehbarer Finanzströme möglicherweise zunehmende Finanzmarktspannungen und -turbulenzen auslösen", so die OECD. "Außerdem könnte eine Zunahme des Handelsprotektionismus zu Störungen der globalen Lieferketten führen und das Wachstum bremsen."

Auch in aufstrebenden Volkswirtschaften sei das Wachstum schwächer als in der Vergangenheit. So werde China von verlangsamten Reformanstrengungen und finanziellen Risiken infolge einer hohen Schuldenbelastung gebremst.

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