Serie Frühindikatoren (IV) Einkaufsmanagerindex ISM: Am Puls der Zeit

Der Einkaufsmanagerindex ISM ist der wichtigste Frühindikator für die US-Konjunktur – und gilt als Gradmesser für die gesamte Weltwirtschaft.

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WirtschafsWoche-Serie: Frühindikatoren

Auch Irrtümer können die Märkte bewegen. Ausgerechnet das renommierte amerikanische Institute of Supply Management (ISM) musste jüngst kleinlaut zugeben, sich verrechnet zu haben. Die private Organisation mit Sitz in der Kleinstadt Tempe im US-Staat Arizona veröffentlicht jeden Monats einen „Report on Business“. Darin enthalten ist der weltweit beachtete Einkaufsmanagerindex der US-Industrie. So war es auch im Juni. Diesmal aber stimmte etwas nicht. Der Index fiel im Mai im Vergleich zum Vormonat – aber nur wegen eines Softwarefehlers. Besonders peinlich für das Institut war, dass es den Fehler nicht selbst bemerkte, sondern der Ökonom Kenneth Kim von Stone & McCarthy, einer Finanzanalysefirma aus Princeton. Und es war Joseph LaVorgna, US-Chefökonom der Deutschen Bank in New York, der per Twitter verkündete: „Der ISM-Index ist falsch. Er liegt bei 55,4 und nicht wie berichtet bei 53,2 Punkten.“

Da hatten die Finanzmärkte bereits auf die schlechten Daten reagiert, die Kurse an der New Yorker Börse zum Tiefflug angesetzt. Am Ende musste das ISM einräumen, dass sein Index in Wahrheit um 0,5 Zähler gestiegen war.

Der Reputation des „Purchasing Managers Index (PMI)“ dürfte die Panne allerdings kaum schaden. Er gilt als wichtigster Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in der größten Volkswirtschaft der Welt. „Der ISM-Index ermöglicht einen nützlichen und schnellen Blick auf die Konjunktur“, sagt Ethan Harris, Chefökonom bei der Bank of America Merrill Lynch in New York. Auch für David Bianco, US-Chef für Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in New York, ist der Frühindikator von hoher Relevanz. „Wer wissen will, wie die reale ökonomische Lage in den Unternehmen ist, der kommt an diesem Index nicht vorbei“, sagt Bianco. Ein großer Vorteil sei die frühe Veröffentlichung vor allen anderen Indikatoren am ersten Arbeitstag eines jeden Monats.

Seit 1931 (mit einer Unterbrechung während des Zweiten Weltkrieges) befragt das ISM rund 350 Einkaufsleiter aus dem verarbeitenden Gewerbe in den USA, wie sich deren Geschäftslage im jeweiligen Monat entwickelt hat. Als verantwortliche Manager für Beschaffung und Materialplanung haben sie den besten Überblick über das aktuelle Geschehen im Betrieb.

Das Prinzip der Befragung ist simpel, sie kostet die teilnehmenden Manager, die aus rund 20 verschiedenen Branchen stammen, kaum zehn Minuten, heißt es beim Institut in Tempe. Nur wenige Antworten müssen die Manager geben, anonym über eine Web-Seite: Wie haben sich bestimmte Aktivitäten des Unternehmens im Vergleich zum Vormonat verändert? Sind diese gestiegen, gefallen oder gleich geblieben? Der daraus resultierende gewichtete Index basiert auf fünf Indikatoren, die saisonal bereinigt zu jeweils 20 Prozent in die Wertung eingehen: neue Aufträge, Produktion, Beschäftigung, Lagerbestand und erhaltene Lieferungen.

Ein Wert von 50 gilt als ökonomisch neutral. Je weiter sich der Index davon entfernt, desto stärker oder langsamer wächst die Wirtschaft. Ein Wert von über 50 Punkten deutet also auf Wachstum hin, bei unter 50 Zählern geht es wirtschaftlich bergab.

ISM-Einkaufsmanagerindex für die Industrie

Das gleiche Modell gilt für die einzelnen Indikatoren: Ein Wert unter 50 bedeutet etwa eine sinkende Auftragslage, ein Wert über 50 steht für besser gefüllte Auftragsbücher.

„Die hohe Bedeutung des ISM für die Dienstleistungsgesellschaft USA mag im ersten Moment überraschen“, sagt Tobias Basse, Analyst bei der Nord/LB. Doch die befragten Einkäufer seien aufgrund ihrer Position in den Unternehmen besonders geeignete Beobachter der ökonomischen Entwicklungen. „Sie sind sozusagen am Puls der Zeit.“

Seit 1998 erstellt das ISM-Institut auch einen Einkaufsmanagerindex für das nicht verarbeitende Gewerbe, der jeweils drei Tage nach dem Industrieindex veröffentlicht wird. Der ISM-Index geht zudem in andere Frühindikatoren ein. Der von der Commerzbank für die WirtschaftsWoche erstellte Earlybird-Indikator etwa, der die Perspektiven der deutschen Konjunktur abbildet, integriert den ISM als Messgröße für die Lage der Weltwirtschaft.

Für Michael Montgomery, US-Ökonom beim Finanzinstitut IHS Global Insight, hat der Index dennoch eine Schwäche: Das Konjunkturbarometer gewichte die befragten Unternehmen nicht nach ihrer Größe. „Kleinere Unternehmen sind offenbar übergewichtet, größere untergewichtet“, sagt Montgomery. Dafür sei der Index verfügbar, lange bevor die realen Daten gesammelt und ausgewertet seien – der Frühindikator hat einen Vorlauf von drei bis sechs Monaten vor der tatsächlichen Industrieproduktion.

Wie aussagekräftig sind Frühindikatoren wirklich? Wie entstehen sie - und welche bewegen die Märkte am meisten? Eine neue Serie der WirtschaftsWoche stellt die wichtigsten Konjunkturbarometer vor.

Aktuell zeigt der Index eine robuste Lage der US-Wirtschaft an. Nach den vergangene Woche präsentierten Zahlen für Juni ist der ISM im Vergleich zum Mai minimal um 0,1 Punkte auf 55,3 Punkte gefallen. Er liegt damit klar über der 50-Punkte-Grenze.

Wenn die Zahlen denn diesmal stimmen. ISM-Chef Tom Derry hat zumindest versprochen, dass mit der Software wieder alles in Ordnung sei.

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