Verhaltensökonom Ernst Fehr "Folgt die Masse Profi-Investoren, kommt der Zusammenbruch"

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"Draghi hat es geschafft, Risikopräferenzen der Anleger zu stabilisieren"

Politiker fordern, diese Volatilität durch Regulierungen zu verringern. Macht das Sinn?

Eine Regulierung des Bankensektors in Form solider Eigenkapitalerfordernisse ist absolut notwendig. Ebenso ist es notwendig, das Schattenbankensystem stärker zu regulieren. Aber man sollte davon absehen, Mikroregulierung zu betreiben. Wenn man hinreichend hohe Eigenkapitalerfordernisse verlangt, richtet sich vieles von selbst – weil man so den Risikoappetit des Managements zügelt.

In der Euro-Krise haben die Peripherieländer Hilfen erhalten und dafür Reformauflagen erfüllen müssen. War das aus Sicht der Verhaltensforschung der richtige Anreiz?

Das lässt sich nicht so leicht sagen. Wir arbeiten mit Individualdaten, unsere Ergebnisse lassen sich nicht ohne Zusatzannahmen generalisierend auf die Ebene von Staaten übertragen. Aus Experimenten wissen wir jedoch, dass im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen Strafandrohungen eher kontraproduktiv wirken. Sie mindern die Bereitschaft zu freiwilliger Kooperation. Dagegen erhöhen Belohnungen die Motivation.

Die stabilsten Banken der Welt
Bank of China Holdings, Hong Kong Quelle: REUTERS
Skandinaviska Enskilda Banken Quelle: REUTERS
Platz 8: Pohjola Bank, FinnlandNeben asiatischen Banken dominieren Institute aus Nord-Europa das Ranking. Die finnische Pohjola Bank kommt mit 28,5 Punkten auf Platz 8. Die Geschäftsbank hat in Finnland einen Marktanteil von fast einem Viertel bei Unternehmenskrediten. In der Untersuchung liegen die Finnen besonders bei der Absicherung von Problem-Krediten international weit vorne.
DBS-Bank Quelle: REUTERS
BayernLB Quelle: dpa
Scheich Hamad bin Jassim bin Jabor al Thani Quelle: dpa
OCBC-Bank Quelle: Reuters

Heißt das, wir sollten den Griechen eine Belohnung in Aussicht stellen, damit sie ihr Land reformieren?

Nicht unbedingt. Menschen sind auf freiwillige Kooperation angewiesen, auf individueller Ebene ebenso wie auf Regierungsebene. Wenn die Bereitschaft dazu nicht vorhanden ist, nutzen manchmal auch Sanktionsdrohungen und in Aussicht gestellte Belohnungen nichts. Ohne eine gewisse Kooperationsbereitschaft geht es nicht.

Bedeutet Kooperation, dass Transfers fließen müssen?

Ich kenne kein Staatengebilde, das dauerhaft ohne einen sinnvollen Finanzausgleich funktioniert hat. Der Kanton Bern erhält beispielsweise jedes Jahr mehr als eine Milliarde Franken vom Rest der Schweiz. Auch in den USA gibt es einen Finanzausgleich zwischen den Bundesstaaten. Allerdings erfolgen die Ausgleichszahlungen nach klaren Regeln. Kommt ein Staat auf Dauer mit dem Geld nicht zurande, droht der Bankrott. Das fördert das Verantwortungsbewusstsein der Regierungen in den Einzelstaaten – und hat zur Folge, dass sich die Wut der Bürger gegen die eigene Regierung richtet, wenn diese eine Finanzmisere anrichtet, nicht gegen andere Bundesstaaten. Daher sollten wir in Europa über ein ähnliches System nachdenken. Europas Problem ist, dass es uns an Herz und an Härte fehlt. Wir brauchen einen effizienten, regelbasierten Finanzausgleich, der starke Ungleichheiten zwischen den Staaten abschwächt. Aber wir brauchen auch die Härte, Länder notfalls bankrott gehen zu lassen. Sonst kann die heterogene Gemeinschaft der Euro-Staaten nicht florieren.

In der Krise hat die EZB massiv Geld in das Finanzsystem gepumpt. Das hat sie Vertrauen gekostet. Welche Folgen hat es, wenn eine so wichtige Instanz wie die Notenbank ihre Reputation verliert?

In erster Linie hat die EZB bei den Deutschen Vertrauen eingebüßt, was auch mit der historischen Inflationserfahrung Deutschlands zu tun hat. An den Finanzmärkten dagegen hat EZB-Chef Mario Draghi mit seinem Rettungsversprechen für den Euro Vertrauen geschaffen. Der Trick bestand darin, das Versprechen so glaubwürdig zu gestalten, dass es nicht eingelöst werden muss. Draghi hat es geschafft, die Erwartungen und die Risikopräferenzen der Anleger zu stabilisieren. Die EZB kann, wenn sie will, die Liquidität jederzeit wieder abschöpfen. Ohne die expansive Geldpolitik wäre die Krise vermutlich schlimmer ausgefallen.

Die US-Notenbank hat eine noch expansivere Politik verfolgt als die EZB. Heute steht Amerika wirtschaftlich besser da als Europa, obwohl die Krise von den US-Märkten ausging. Das Problem ist, dass die Notenbanken den Regierungen nur Zeit gekauft haben. Nun kommt es darauf an, dass diese den Spielraum nutzen, Strukturreformen umzusetzen.

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