Wirtschaft im Weitwinkel

Zentralbanken suchen nach Alternativstrategien

Die Leitzinsen der weltweit wichtigsten Zentralbanken sind allesamt nahe oder gar unter der Nullgrenze. Weil die negativen Effekte dieser Politik zunehmen, suchen sie nach strategischen Alternativen und Sondermaßnahmen.

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EZB Quelle: dpa
frankreich, negativzins Quelle: REUTERS
dänemark, negativzins Quelle: dpa
Italien, negativzins Quelle: dpa
Großbritannien, Negativzins Quelle: dpa
Schweiz, Negativzins Quelle: dpa
Spanien, Negativzinsen Quelle: REUTERS

Mit der Ausnahme der US-amerikanischen Notenbank haben in den vergangenen Monaten alle relevanten Notenbanken die Zinsen weiter gesenkt. Die Begründung war fast immer die gleiche: Schwaches Wachstum und eine Inflation, die unter dem Zielwert liegt. Hinzu kommen noch eine weltweite Investitionsschwäche sowie eine geringe Exportdynamik. Das sind die wichtigsten Gründe für das aktuell unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstum.

Ein weiterer möglicher Grund für diesen anhaltenden Zustand könnte das merkliche Nachlassen des Globalisierungstrends sein. Das schwächt den Welthandel deutlich. Zusätzlich gibt es auch noch eine hohe Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen wegen des zunehmenden Terrors und eine Verbreitung von autoritären Regierungssystemen, die den Protektionismus eher fördern.

Müssen wir auf Grund dieser Lage mit weiter fallenden Notenbankzinsen rechnen, die dann letztlich tief im negativen Bereich liegen? Nein, aus meiner Sicht nicht. Die Notenbanken können zwischenzeitlich aus den Erfahrungen der japanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank mit Negativzinsen ihre ersten Schlüsse ziehen. Die Analysen zeigen, dass die Nachteile dieser Geldpolitik überwiegen. Die negativen Effekte dieser  Zinspolitik nehmen mit der Zeit zu.

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Nachteile der Negativzinsen nehmen zu

Insbesondere die hohen Belastungen des für die Kreditschöpfung wichtigen Bankensektors sind die Folge sein. Überhaupt wird der Bankensektor durch diese Zinspolitik extrem gestresst. Die Banken sind jedoch weiterhin einer der wichtigsten Sektoren für das Funktionieren einer Volkswirtschaft. Entsprechend kann man die Notenbankzinsen nicht beliebig tief senken oder beliebig lange im negativen Bereich belassen.

Andererseits sehen die Notenbanken weiterhin die Notwendigkeit für eine anhaltend lockere Geldpolitik. Da weiter sinkende Zinsen mit zu hohen ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten verbunden wären, dürften die Strategen der Notenbanken in Zukunft vorzugsweise auf außerordentliche Maßnahmen einsetzen, um Liquidität in die Märkte zu schleusen und damit das monetäre Umfeld noch weiter zu lockern.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Eine einfache Ausweitung der Anleihekaufprogramme ist aber keine Lösung. Denn eine weitere Erkenntnis der Notenbanken scheint zu sein, dass die Wirksamkeit von Anleihekäufen mit zunehmender Dauer abnimmt. Zuletzt hatte die Bank of Japan, die bei außerordentlichen Maßnahmen unter den Zentralbanken am längsten und tiefsten in den Werkzeugkasten gegriffen hat, angekündigt, die Effektivität ihrer ergriffenen Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen. Dies deutet schon an, dass nach noch wirksameren Instrumenten gesucht wird, die dabei helfen sollen, die Inflation anzukurbeln.

Kurs halten mit anderen Mitteln

Das muss nicht das Helikopter-Geld sein, dessen Konzept und Wirkung doch eher theoretisch erscheinen. Praktikable Alternativen zu dieser Theorie sind aber möglicherweise umsetzbar, wenn die Notenbanken den Weg durch den Kreditkanal der Banken weiter als verstopft ansehen. Beispielsweise könnte eine Notenbank direkt Fiskalmaßnahmen, Steuersenkungen und reformbedingte Haushaltslücken finanzieren oder Anleihen, die speziellen Wachstumsmaßnahmen gewidmet sind, im Rahmen ihres QE-Programms am Sekundärmarkt kaufen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass die Maßnahmen im Einklang mit geltendem Recht stehen und die Verschuldungsquoten beachtet werden. Institutionelle Hürden dürften jedoch keine wirklichen Hindernisse sein. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Phantasie und Bereitschaft der Notenbank sehr groß ist.

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen

In den kommenden Monaten wird sich voraussichtlich die Notenbankpolitik insgesamt verändern. Das Instrument der Zinssenkungen wird zunehmend in den Hintergrund rücken und vielleicht mittelfristig sogar auf dem Prüfstand gestellt werden, denn die negativen Folgen der Niedrigzinspolitik sind zu offensichtlich. Stattdessen könnten außergewöhnliche Maßnahmen deutlich ausgeweitet werden. Für die Notenbanken ist sehr wichtig, dass sie den Nimbus der Fähigkeit nicht verlieren, die sich ihnen stellenden Probleme anzupacken und zu lösen. Angesichts der sinkenden Wirksamkeit der aktuell angewandten Maßnahmen und des schwindenden Vertrauens darin, werden unweigerlich neue Instrumente folgen.

Somit setzt sich der monetäre Lockerungskurs weiter fort, wenn auch mit anderen Mitteln. Ein grundsätzliches Problem bleibt aber: Die Notenbankpolitik kann fundamentale Ursachen der weltweiten Konjunkturschwäche wie ein Verlangsamen oder sogar Abstoppen des Globalisierungstrends nicht beeinflussen. Die Verwerfungen, Ungleichgewichte und Bewertungsverzerrungen, die sich mit der Geldpolitik zurzeit aufbauen, werden uns zweifellos noch einige Zeit beschäftigen. Denn die alte Börsenweisheit „Es gibt keinen free lunch“ dürfte auch hier gelten.

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