Verlust von 11 000 Arbeitsplätzen Opel droht offenbar dem Bund

Nach einem Medienbericht droht Opel der Bundesregierung mit der Schließung dreier Werke und dem Verlust von 11 000 Arbeitsplätzen, sollte der Staat nicht mit Finanzhilfen einspringen. Kanzlerin Merkel sieht noch keine Basis für eine Staatshilfe, bekräftigte jedoch den Willen des Bundes für eine Lösung. Unterdessen wurde bekannt, dass Opel offenbar nie einen Cent Steuern in Deutschland zahlte.

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Opel-Werk in Eisenach. Nach Informationen von

HB BERLIN/MÜNCHEN/DÜSSELDORF/ FRANKFURT. Nach einem Bericht von "Spiegel Online" sieht das der Bundesregierung vorgelegte Opel-Rettungskonzept die Schließung der Werke Eisenach, Bochum und Antwerpen und damit einen Abbau von 11 000 Arbeitsplätzen vor.

Damit würden 20 Prozent der derzeit europaweit 55 000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Ziel der Sanierungsmaßnahme sei es, 1,2 Mrd. Dollar an Personalkosten einzusparen, so der Bericht. Ein Alternativszenario komme mit einem Stellenabbau von 3 500 Arbeitsplätzen aus, setze aber einen massiven Lohnverzicht der verbleibenden Belegschaft voraus.

Unterdessen bestätigten mehrere Kabinettsmitglieder dem Magazin "Focus", dass Opel als Tochter von General Motors (GM) in Deutschland noch keinen einzigen Cent Steuern gezahlt habe, weil die Gewinne stets zu GM transferiert werden mussten. Die Verluste hingegen sind hierzulande steuerlich geltend gemacht worden. Damit habe Opel dem Steuerzahler auch ohne die verlangten Hilfen bereits hohe Milliardenbeträge gekostet. Auch der Onlineauftritt der "Berliner Morgenpost" berichtet von Steuerrückzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe und zitiert ein ungenanntes Aufsichtsratsmitglied mit den Worten: "In der Summe der letzten drei Jahre war Opel Steuerprofiteur".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte zuvor, sie sehe noch keine ausreichende Grundlage für staatliche Hilfe an den Opel. Sie bekräftigte am Samstag aber den Willen der Bundesregierung, eine Lösung zu suchen. "Wir werden helfen, wenn der Nutzen für alle Menschen größer ist als der Schaden. An diesem Punkt sind wir leider noch nicht", sagte Merkel in ihrer Videobotschaft. "Das Konzept muss noch nachgebessert und geklärt werden." Die Bundesregierung sei es aber den Mitarbeitern und Angehörigen von Opel schuldig, "dass wir alles daran setzen zu sehen, ob wir eine solche Lösung finden". Daran arbeite die Regierung mit Ländern, Opel und GM.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Dagmar Wöhrl (CSU), sieht dagegen kaum noch Rettungschancen. Das Unternehmen könne die Insolvenz nur noch vermeiden, wenn Opel schnell "eine Perspektive zum Besseren aufzeigt", sagte Wöhrl dem Nachrichtenmagazin "Focus". Ob Steuergelder in so beträchtlichem Maß wie von Opel verlangt an ein Unternehmen fließen sollten, das bereits Werksschließungen und die Entlassung tausender Mitarbeiter angekündigt hat, sei "höchst fragwürdig und unwahrscheinlich". Gleichzeitig machte Wöhrl deutlich, dass sie keine Möglichkeiten sieht, Opel aus dem US-Konzern General Motors (GM) herauszulösen und als eigenständiges deutsches Unternehmen weiterzuführen.

Laut "Focus" fordert Opel Staatshilfen in Höhe von vier Mrd. Euro. Diese Summe habe Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster bei seinem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) genannt. Die Hälfte des Betrages würden laut Forster diverse Banken bereitstellen. Allerdings würden die Geldinstitute die Kredite nur dann bewilligen, wenn die europäischen Staaten mit Opel-Standorten wie Deutschland, Großbritannien, Spanien und Belgien die Bürgschaften übernehmen würden. Die übrigen zwei Mrd. Euro müssten nach den Opel-Plänen als direkte Staatshilfen fließen, um das Problem des fehlenden Eigenkapitals zu lösen. Die Hauptlast, etwa 1,5 Mrd. Euro, solle die Bundesregierung tragen.

Keinen Cent möchte nach "Focus"-Informationen GM beisteuern. Der US-Mutterkonzern sei nur bereit, die Fabriken als Sacheinlage in das neue europäische Unternehmen einzubringen. Die Gelände und Gebäude gehören den Amerikanern.

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte nachdrücklich davor, den Autobauer aufzugeben. "Wir müssen das uns Mögliche und Verantwortbare tun, um Zehntausende von Arbeitsplätze und die industriellen Kapazitäten von Opel zu retten", sagte der SPD-Kanzlerkandidat der "Bild am Sonntag" laut Vorabmeldung.

"Denn meine Sorge ist: Arbeitsplätze und Industrien, die in der Krise kaputt gehen, werden auch in der nächsten Aufschwungphase nicht wieder entstehen", sagte der Bundesaußenminister weiter. "Die Politik steht hier in der Verantwortung, den Industriestandort Deutschland zu schützen."

Steinmeier kritisierte indirekt Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der im Interview mit dem Handelsblatt eine Insolvenz anstelle einer Staatsbeteiligung ins Gespräch gebracht hatte. Zwar dürfe die Politik den Menschen keine haltlosen Versprechen machen. "Genauso unverantwortlich sind aber Drohszenarien wie die einer Insolvenz, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzen", sagte der SPD-Politiker.

Er forderte, Bundesregierung, Länder und Unternehmen sollten gemeinsam einen Rettungsplan erstellen. In dem bislang vorliegenden Konzept seien viele Fragen offen geblieben. "Aber die Zeit drängt. Deswegen plädiere ich dafür, sie nicht mit dem Warten auf Antworten verstreichen zu lassen. Wir sollten vielmehr mit den Verantwortlichen von Opel und GM in gemeinsame Gespräche über tragfähige Zukunftskonzepte eintreten, am besten in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und Wirtschaft."

Steinmeier sagte: "Ergebnisse erzielt man in solchen Situationen am ehesten, wenn man die entscheidenden Akteure an einem Tisch bringt und gemeinsam an einem Konzept arbeitet."

Auch die IG Metall kritisierte indirekt Schäubles Äußerung: "Die Insolvenz mag bei einem Maschinenbauunternehmen lebensrettend sein. Für Opel wäre sie Sterbehilfe", sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild, der auch Aufsichtsratsmitglied bei Opel ist, am Samstag in Frankfurt.

Opel sei kein Sanierungsfall, sondern benötige Unterstützung, um sich von der kranken Mutter abzunabeln, sagte Schild. Schon deshalb sei eine Insolvenz das vollkommen falsche Mittel. Es gehe darum, die Voraussetzungen für gesundes Wachstum zu schaffen. Zudem verwies er auf den Autohersteller Saab, der innerhalb von drei Tagen nach dem Insolvenzantrag mehr als die Hälfte seines Auftragseingangs verloren habe.

Eine Entscheidung über die Opel-Zukunft wird nach Angaben von Betriebsratschef Klaus Franz noch mehrere Wochen dauern. In den nächsten vier bis acht Wochen müssten zunächst entscheidende Fragen durch das Management der Opel- Mutter General Motors in den USA und durch die US-Regierung geklärt werden, sagte Franz am Samstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Frankfurt. Die Bundesregierung unterstütze Opel bei den Gesprächen in den USA, damit dort keine Entscheidung zu Lasten Europas getroffen werde. "Ich bitte, uns diese Zeit zu lassen", sagte Franz, der auch im Opel-Aufsichtsrat sitzt. Ausreichend Liquidität für die Auszahlung der Löhne und für die Bezahlung von Zulieferern sei vorhanden.

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