Ökonom Max Weber Der Wert als Wettbewerbsvorteil

Vor 150 Jahren wurde der große Soziologe und Ökonom Max Weber geboren. Auch wenn seine Zeit lange vorbei ist, bleibt sein Erbe aktuell. Denn noch immer dient er gerne als Vorbild – trotz seiner dunklen Seiten.

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Max Weber: Eine vielschichtige Persönlichkeit. Quelle: dpa

Düsseldorf Dass Max Weber heute noch immer so oft zitiert wird, liegt vordergründig an den schönen Aphorismen, die von ihm überliefert sind. Zwar neigte der Professor - verkopft wie er war - zu einer schweren, zähen Sprache. Trotzdem gelang es ihm, im richtigen Moment einen rauszuhauen - treffend und scharfzüngig.

Wir Journalisten lieben Webers „Wer Politik betreibt, erstrebt Macht“, mit dem wir die allzu Machtgeilen geißeln. Gerne genommen wird auch Webers Unterscheidung zwischen jenen Politikern, die für die Politik leben und jenen, die von ihr leben – mit der sich all jenen in den Rücken schießen lässt, die an ihrem Amt kleben.

Doch auch Politiker und Unternehmer berufen sich gerne auf Weber, schließlich kann man sich so schnell den Anstrich des umsichtigen Dieners geben – den nicht Eigennutz antreibt, sondern das Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft. So lehrt Weber so wohlklingend, dass die Kultur des Marktes eine Kultur des Maßes sein muss.

Oder dass Politik Leidenschaft und Augenmaß erfordert. Politiker wie Franz Müntefering und Helmut Schmidt haben gerade diesen nüchternen Leitsatz immer gerne zitiert. „Ein Politiker soll für seine Sache brennen, er soll aber nicht an ihr verbrennen“, das sei eine von Webers Botschaften, an die er sich immer gehalten habe, sagte Müntefering kürzlich im Handelsblatt-Interview.

Doch Max Weber, der heute vor 150 Jahren geboren wurde, hinterließ nicht nur gute Zitate, sondern auch eine Haltung – eine Haltung, die Verantwortungsbewusstsein und Realismus paart. Webers Bild des fleißigen und selbstlosen Kapitalisten, das er 1904 in der „Protestantischen Ethik“ entwirft, ist heute noch immer ein Rollenmodell für verantwortungsbewusstes Unternehmertum. Der Schuhfabrikant Heinrich Deichmann etwa nennt Webers Idealtypus gerne als Vorbild.

Zwar würde in den heutigen Zeiten niemand mehr sagen, dass Zeitverschwendung für einen Kapitalisten die schwerste Sünde ist, so wie es Weber schwülstig formuliert. Und auch der Wunsch, sich durch berufliches Streben göttliche Zuneigung zu verdienen, den er in seinem Hauptwerk als Triebkraft der Wirtschaft ausmacht, fehlt in der Welt von heute meist. Doch der Beruf als sinngebende Berufung, wie es Weber darstellte – das prägt auch die moderne Leistungsgesellschaft.


Wer Werte hat, hat einen Wettbewerbsvorteil

Weber war der Meinung, dass Unternehmer mit Werten einen Wettbewerbsvorteil haben. Seine These, dass Bescheidenheit erfolgreich macht, kommt zwar als moralischer Imperativ daher. Doch tatsächlich umschreibt er damit ein ehernes makroökonomisches Prinzip: Schließlich hat derjenige, der seinen Profit nicht für den Konsum verprasst, mehr Geld zum Investieren und Expandieren – und wird langfristig mehr Erfolg haben.

Großer Beliebtheit erfreut sich bis heute auch Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, die er 1919 in einer Rede vor Münchener Studenten entwirft. Damals – ein Jahr vor seinem Tod ¬ stellt er die Frage, ob ein Handeln schon dann gut ist, wenn die Absicht eine gute ist – oder ob es nicht vielmehr darauf ankommt, welche Folgen eine Handlung hat.

Für Weber ist die Sache klar: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. „Verantwortlich fühlt sich der Gesinnungsethiker nur dafür, dass die Flamme der reinen Gesinnung nicht erlischt“, schimpft Weber. Und wenn die Folgen seines Tuns üble seien, dann mache der Gesinnungsethiker die Dummheit der anderen oder den Willen Gottes dafür verantwortlich. Der Verantwortungsbewussten dagegen wüssten um die „durchschnittlichen Defekte der Menschen“, sagt Weber. Gesinnungsethiker – bis heute ist es ein Schimpfwort. Gerade die politische Linke muss es sich oft gefallen lassen.

Doch auch wenn Weber in der Rückschau äußerst fortschrittlich wirkt, war in Wirklichkeit eine mehr als zwiespältige Persönlichkeit. Politisch stand er jedenfalls äußerst rechts ¬– und erging sich in dumpfen Parolen. Ein „rücksichtsloser Nationalist“ sei Weber gewesen, schreibt der Soziologie-Professor Dirk Kaesler in einer neuen Biografie, oft fremdenfeindlich und antisemitisch. „Kein Demokrat nach unseren heutigen Maßstäben“ – urteilt Franz Müntefering.

Wer nachliest, was der 31-jährige Weber 1895 in seiner Antrittsvorlesung an der Uni Freiburg so alles von sich gibt, den erfasst tatsächlich das kalte Schaudern: „Nicht Frieden und Menschenglück haben wir unseren Nachfahren mit auf den Weg zu geben“, poltert er da, „sondern den ewigen Kampf um die Erhaltung und Emporzüchtung unserer nationalen Art.“ Die Wirtschaftspolitik jedenfalls habe sich immer den Machtinteressen der Nation unterzuordnen. In der gleichen Rede unterteilt Weber die Völker in höher und niedriger entwickelte „Typen der Menschlichkeit“- und zählt vor allem das „Polentum“ zu Letzterem.

Später dann wird Weber zu einem der glühendsten Unterstützer des Ersten Weltkriegs – und bleibt es auch dann noch, als die Niederlage längst klar war. Erst nach dem endgültigen Zusammenbruch des Kaiserreichs macht Weber einen Linksruck durch – und engagiert sich sogar in der neu gegründeten liberalen DDP, die die junge deutsche Demokratie stützt. Bei der Reichstagswahl im Sommer 1920 will der todkranke Weber unbedingt noch einmal ins Wahllokal gehen, doch die Kräfte sind weg. Bezeichnender Weise ist es diese Wahl, bei der die demokratischen Parteien ihre Mehrheit verlieren.

Dass von Max Weber noch immer so viel überliefert ist, liegt vor allem an seiner tapferen Frau Marianne, die die fragmentarisch gebliebenen Schriften ihres Mannes nach dessen Tod zu einheitlichen Werken zusammenbindet und veröffentlicht. Und das, obwohl sie einiges hatte durchmachen müssen mit Weber – so etwa seine zahlreichen Affären und Nervenzusammenbrüche. Doch sie hielt immer zu ihm. Und sicherte ihm so den Nachruhm.

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