Konjunkturprogramm Steuersenkung gegen die Depression

Die Weltwirtschaft taumelt immer tiefer in die Krise, die Notenbanken scheinen machtlos. Jetzt müssen die Regierungen helfen. Steuersenkungen sind die letzte Chance, eine Depression zu verhindern.

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Tanker: 48 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet Deutschland durch den Export von Waren und Dienstleistungen Quelle: Laif

Jahrelang predigten die fünf Wirtschaftsweisen der Regierung finanzpolitische Disziplin, forderten niedrigere Staatsausgaben und weniger Schulden. Und jetzt das! In ihrem Jahresgutachten, das sie in der vergangenen Woche vorlegten, machen sich die fünf Weisen zum Anwalt staatlicher Konjunkturprogramme und höherer Ausgaben der öffentlichen Hand. Deutschland, so begründen sie ihre ideologische 180-Grad-Kehrtwende, brauche wegen der Rezession im Gefolge der „gravierenden Schocks im Finanzsystem“ jetzt Nachfrageimpulse. Staatliche Investitionen in das öffentliche Straßen- und Schienennetz seien daher das Gebot der Stunde.

All die Sparappelle und Warnungen vor hohen Schulden und staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft, die die früheren Jahresgutachten wie ein roter Faden durchzogen – Tempi passati. Jetzt gelten andere Gesetze. Willkommen in der Krise!

Mit ihrer wirtschaftspolitischen Kehrtwende stehen die fünf Professoren nicht allein da. Auch der Internationale Währungsfonds sieht die Zeit für staatliche Nachfrageprogramme gekommen. „Was wir brauchen, ist ein globaler finanzpolitischer Impuls, und er muss international abgestimmt sein“, fordert IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard. Die Weltwirtschaft, warnen die IWF-Ökonomen, werde nächstes Jahr in eine tiefe Rezession stürzen. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs werde dabei die Wirtschaftsleistung in allen Industrieländern gleichzeitig schrumpfen.

Hoffnung auf Abkoppelung ist endgültig verflogen

Die Hoffnung, Europa und Asien könnten sich von der Krise in Amerika abkoppeln, ist endgültig verflogen. Zu gewichtig ist der wirtschaftliche Einfluss der USA, zu intensiv die gegenseitigen Verflechtungen in der globalisierten Welt. Wie ein Erdbeben hinterlässt die Finanzkrise Schneisen der Verwüstung in der Wirtschaft. Ob Autoindustrie, Luftfahrt, Bauwirtschaft oder Einzelhandel – keine Branche bleibt verschont. Besonders hart trifft es exportorientierte Industrieländer wie Deutschland. Für 2009 erwartet der IWF einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,8 Prozent.

Die milliardenschweren Rettungspakete der Regierungen für die Banken sowie die Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen der Notenbanken konnten den Abwärtstrend in der Realwirtschaft nicht stoppen. Rund um den Globus legen die Regierungen deshalb hektisch Konjunkturprogramme auf. Auch die Bundesregierung versucht, mit einem Sammelsurium von Branchenhilfen, zinsverbilligten Krediten und Abschreibungserleichterungen im Umfang von zwölf Milliarden Euro (0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) die Wirtschaft wieder flottzumachen. Bei Ökonomen löst das Programm jedoch nur Kopfschütteln aus. „Die Maßnahmen werden zwar die Staatsfinanzen belasten, eine nachhaltige Wirkung auf die Konjunktur kann von ihnen aber nicht erwartet werden“, kritisiert Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.

Dabei wäre es jetzt an der Zeit, zu klotzen, statt zu kleckern. „Was die Welt derzeit erlebt, ist kein normaler Konjunkturabschwung, es ist ein ökonomischer Herzinfarkt“, sagt Holger Schmieding, Euroland-Chefvolkswirt der Bank of America. Die Finanzkrise hat das Bankensystem lahmgelegt und die Wirkungskanäle blockiert, über die Zinssenkungen und Liquiditätsschübe der Notenbanken auf die Realwirtschaft wirken. „Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Liquiditätsfalle“, urteilt Paul Krugman, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.

Dabei handelt es sich um eine Situation, die der britische Nationalökonom John Maynard Keynes in seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ 1936 beschrieben hat. Vor dem Hintergrund der großen Depression erkannte Keynes, dass in einer Krise „die Bestürzung und Ungewissheit über die Zukunft die Vorliebe für Liquidität stark beschleunigt“. Da in einer solchen Situation „jedermann Bargeld dem Besitz eines Darlehens vorzieht“, habe „die Währungsbehörde die wirksame Führung über den Zinsfuß verloren“, schrieb der Brite.

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