Finanzkrise Unendliche Zitterpartie für Kaupthing-Kunden

Die Hängepartie geht weiter. Für die etwa 30.000 deutschen Betroffenen der isländischen Pleitebank Kaupthing ist weiter keine Lösung in Sicht. Die Verzweiflung unter den Opfern wächst. Kaupthing-Kunden in anderen europäischen Ländern sind längst teilentschädigt. Die deutsche Regierung sieht derweil eine Mitschuld der Kunden.

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Demonstrierende Quelle: AP

Die Hoffnung keimt nur kurz. Als sich herumspricht, dass Kunden der Schweizer Niederlassung der isländischen Problembank Kaupthing zum Teil ihre Einlagen schon wieder haben, hoffen auch deutsche Anleger. Eine Hoffnung, die schnell wieder stirbt. Denn die deutsche Rechtslage ist grundsätzlich anders als in der Schweiz. Folge: deutsche Kaupthing-Kunden sind weiter allein, schlecht informiert und immer häufiger verzweifelt. Manche gelangen gar ans Ende ihrer finanziellen Kräfte.

Kunden der Genfer Filiale der verstaatlichten isländischen Kaupthing-Bank haben Einlagen bis 5000 Franken bereits zurückerhalten. Einlagen bis 30.000 Franken werden in den nächsten Wochen ausbezahlt, teilten die Schweizer Behörden mit. Die von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) ernannten Untersuchungsbeauftragten haben die Rückzahlungen entschieden.

Die Beträge sind durch die von den Schweizer Banken und Effektenhändlern geschaffene Einlagensicherung abgesichert. Die Rückzahlung von Kundeneinlagen von mehr als 30.000 Franken hänge von der Entwicklung der Situation in Island und vom Ausgang des Verfahrens in Luxemburg ab, hieß es heute in Schweizer Medien weiter. Nur etwa zehn Prozent der  1700 eidgenössischen Kunden haben bei Kaupthing mehr als 30.000 Franken deponiert.

Für die 30.000 deutschen Kunden, die insgesamt mehr als 300 Millionen Euro bei den Isländern angelegt haben, deutet sich so eine schnelle Lösung nicht an. Das liegt daran, dass die Schweiz anders als Island und Deutschland nicht Mitglied im Europäischen Währungsraum (EWR) ist. Demnach musste sich die eidgenössische Niederlassung der Isländer voll der Schweizer Bankenaufsicht und Einlagensicherung unterwerfen. Anders dürfen Finanzinstitute in der Alpenrepublik nicht tätig werden.

Kunden demonstrierten vor Deutschland-Filiale

Anders in Deutschland. Da die Nordatlantik-Insel ebenso wie die Bundesrepublik dem EWR angehört, reicht es, wenn die Bank von den isländischen Behörden kontrolliert wird. Die Prüfung durch EWR-Mitglied Island ist somit eine Eintrittkarte für isländische Banken in die Geldmärkte aller EWR-Mitgliedsstaaten. Deswegen müssen deutsche Kunden auch sämtliche Ansprüche auf ihre Einlagen an den isländischen Einlagensicherungsfonds stellen.

Von der isländischen Finanzaufsicht gibt es aber weiter keine Auskunft über die Zukunft der Bank. Seit Tagen heißt es aus Rekjavik, die Zentralbank versuche sich noch einen Überblick über die finanzielle Lage der verstaatlichten Bank zu machen. Weiter wird eine Fortführung der Geschäfte nicht ausgeschlossen. Das würde bedeuten, dass alle deutschen Kunden wieder an ihre Konten kämen. Allerdings ist offenbar auch nach wie vor eine Pleite der Bank möglich.

Die deutsche Bundesregierung verhandelt hinter den Kulissen nach Worten eines Sprechers von Bundesfinanzministet Peer Steinbrück (SPD) weiter mit den Isländern über eine Lösung. Offenbar ist die Bundesregierung auch bereit, mit finanziellen Mitteln eine möglicherweise nötige Entschädigung der deutschen Kaupthing-Kunden zu erreichen. Offizielle äußert sich das Bundesfinanzministerium nicht zu seinem Vorgehen. Großbritannien, Niederlande und Schweden hatten in den vergangenen Tagen in bilateralen Vereinbarungen mit Island erreicht, dass ihre Landsleute auf der Kaupthing-Kundenliste in jedem Fall entschädigt werden.

Das fordern die betroffenen Deutschen auch von ihrer Bundesregierung. Sie haben sich mittlerweile zu mehreren Aktionsgruppen zusammengeschlossen und tauschen sich imInternet weiter aus. Demonstrationen sind genauso nicht ausgeschlossen wie eine Petition an den Deutschen Bundestag.

Heute Vormittag versammelten sich neun Kaupthing-Kunden vor der Deutschland-Niederlassung der isländischen Bankrottbank in Frankfurt. Sie klingelten und unterhielten sich kurze Zeit mit einem der dort offenbar noch arbeitenden Kaupthing-Angestellten über die Freisprechanlage. Allerdings ohne konkretes Ergebnis. „Angst macht mir ein wenig das Schild ‚Zur Vermietung’, da ich immer noch insgeheim gehofft habe, dass der Laden noch mal auf macht“, schildert einer der Teilnehmer.

Unterdessen hat das Bundesfinanzministerium für Betroffene eine Erklärung veröffentlicht, die sich allenfalls wie eine Rechtfertigung der Regierungsstelle für das bisher eher zurückhaltende Agieren der Bundesregierung in dem Fall liest. „Das Institut [die Kaupthing Bank; Anm.d.Red.] hat Sparerinnen und Sparern höhere Renditen geboten als andere Institute in Deutschland. Dafür sind die Sparer größere Risiken eingegangen, weil die Bank nicht Teil der deutschen Einlagensicherung ist“, heißt es beim Finanzministerium.

Genau gegen solche Vorwürfe wehren sich die Betroffenen seit Tagen. „Wir haben ganz normale, seriöse Anlageformen gewählt und nicht gezockt“, sagte Jochen Heimberg, Sprecher der Betroffeneninitiative, der WirtschaftsWoche. Tagesgeld sei eine völlig normale Anlageform, wie sie auch deutsche Banken anbieten. „Wir haben ja kein Geld in Übersee angelegt.“

Derweil geht das Finanzchaos auf der Insel der heißen Quellen im Nordatlantik munter weiter. Die Regierung von Premier Geir Haarde bekommt die Querelen offenbar nicht in den Griff. Über einen vier-Milliarden-Kredit der russischen Regierung gibt es weiter keine Einigung. Entgegen erster Ankündigungen wirbt die isländische Regierung offenbar auch nicht so aktiv um internationale Hilfe. Der Internationale Währungsfond jedenfalls teilte heute mit, dass die isländische Regierung noch kein Kreditersuch gestellt habe.

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