Autotechnik Der Diesel gerät ins Stottern

In den vergangenen zehn Jahren hat der Dieselmotor stetig an Marktanteilen hinzugewonnen. Dieser Trend scheint gebrochen. Innovationen bei Benzinmotoren und hohe Umweltauflagen machen dem Selbstzünder zu schaffen.

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Obwohl der Verbrauchsvorteil noch spürbar ist, nimmt der Anteil von Dieselfahrzeugen am deutschen PKW-Markt ab. Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Die Preistafeln der Tankstellen verdeutlichen das Problem des Dieselantriebes auf den ersten Blick: Der Liter Diesel ist nur noch wenige Cent günstiger als Benzin - manchmal nicht einmal das. Dem gegenüber stehen ein deutlich höherer Neupreis für ein Auto mit Dieselmotor und höhere Steuern. "Dieselfahrzeuge kosten die Kunden mehr in der Anschaffung als vergleichbare Benzinmodelle", sagt Frank Schwope von der NordLB. Als der Autoanalyst vor kurzem in England war, stellte er fest, dass dort Diesel sogar teurer ist als Benzin - ein Phänomen, das zeitweise auch schon in Deutschland zu beobachten war und ohne staatliche Subventionierung auch hierzulande längst die Regel wäre. Droht dem Diesel angesichts der gestiegenen Kosten nun ein Ende seiner Karriere, die ihm in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen ist? "Wir haben in Deutschland inzwischen sicher die Sättigungsgrenze erreicht", sagt ein Sprecher von Volkswagen. "Der Dieselanteil wird in Zukunft rückläufig sein", so seine Prognose.

Der Höhepunkt lag im Jahr 2007. Damals erreichte die Dieselquote in Westeuropa im Schnitt mehr als 53 Prozent. In Frankreich und Spanien tanken sogar gut sieben von zehn Neuwagen Diesel. In Deutschland kam der Selbstzünder immerhin auf gut 48 Prozent. Mit anderen Worten: Fast jedes zweite zugelassene Auto war hierzulande im vergangenen Jahr ein Diesel.

Das hat sich inzwischen geändert. In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich der Trend gedreht: Der Diesel verliert und kommt von Januar bis April laut einer Analyse des Car-Instituts der FH Gelsenkirchen nur noch auf 46 Prozent. Und damit nicht genug: Innovationen bei den Ottomotoren bedrängen das Erfolgsaggregat, dessen niedrigerer Verbrauch dafür gesorgt hat, dass sich die höheren Anschaffungskosten bereits ab einer Jahreslaufleistung von gut 12 000 Kilometer rechneten.

"Spätestens in zwei Jahren wird sich der Markt drehen", sagt Car-Chef Ferdinand Dudenhöffer, "um das Jahr 2015 dürfte der Dieselanteil in Europa auf rund 35 Prozent gesunken sein." Einer der Hauptgründe: Entwicklungschefs von Zulieferern wie der Technikvorstand von Continental, Karl-Thomas Neumann, sehen gewaltiges Potenzial darin, Benzinmotoren mit Diesel-Features wie einer Direkteinspritzung auszustatten. Moderne Sieben-Gang-FSI-Getriebe, wie sie Volkswagen immer häufiger quer durch seine Marken- und Modellpalette anbietet, lassen so die Vorteile des Selbstzünders zusätzlich schrumpfen.

Ein anderes Hemmnis für einen weiteren Siegeszug des Diesels sind die gestiegenen Anforderungen des Umweltschutzes. Um die zunehmend strenger werdenden Normen zu erfüllen, müssen dessen Abgase intensiv gefiltert werden. "Der Benziner braucht nicht die aufwändigen Abgasreinigungssysteme des Diesels", sagt Autoexperte Dudenhöffer. Die Reinigung ist teuer. Und die Stickoxide werden nach 2010 in der EU ein wichtiges Thema sein. "So wie Autohersteller heute keinen Diesel mehr ohne Partikelfilter verkaufen können, wird nach 2010 kein Diesel mehr ohne teure Stickoxid-Filterung laufen", prognostiziert der Professor an der FH Gelsenkirchen. Durch den Rußfilter ist der Diesel bereits deutlich teurer geworden und hat gleichzeitig an Effizienz eingebüßt.

Der Diesel habe dennoch immer noch einen Verbrauchsvorteil, hält der VW-Sprecher dagegen. "Selbst gegenüber direkt einspritzenden Ottomotoren sparen wir gut einen Liter Kraftstoff ein. Das wirkt sich auf den CO2-Ausstoß und damit künftig auf die Höhe von Steuern und Versicherungen aus." Diesen Vorteil wird der Diesel künftig aber nur bei großen und schweren Autos ausspielen können, die regelmäßig große Strecken fahren.

Denn der über die Jahre verdrängte Ottomotor wird vor allem technisch in den nächsten Jahren ein Comeback erleben. "Der Benziner wird dem Diesel im Verbrauch sehr nah kommen", sagt Dudenhöffer. Direkteinspritzer der zweiten Generation und Benzin-Selbstzünder, die in fünf Jahren auf dem Markt sein dürften, sorgen für ein optimiertes Kraftstoff-Luft-Gemisch und sollen den Verbrauch noch einmal um etwa ein Drittel senken.

Dazu kommt die von Marktbeobachtern erwartete Hybridwelle, also die Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor. Diese senkt den Benzinverbrauch zusätzlich. "Der Benziner schluckt als Hybrid weniger als der Diesel - bei gleichen oder sogar besseren Kosten", sagt Dudenhöffer.

Das Ende für den Selbstzünder ist damit aber nicht eingeläutet. "Weltweit sehen wir noch großes Potenzial", sagt der VW-Sprecher. Dem stimmt auch Dudenhöffer zu: "Sieht man von Europa ab, ist der Diesel in großen Märkten wie USA, Japan, China im PKW-Bereich bisher fast bedeutungslos." Und bei schweren Brummis ist der Ottomotor ohnehin im Nachteil. "Bei LKWs bleibt der Diesel sicher erste Wahl", sagt NordLB-Autoanalyst Schwope.

Für Tanker und Ozeanriesen gilt das allemal. Aufgrund der begrenz-ten Ölvorräte scheint es derzeit auf dem Wasser keine Alternative zum Dieselantrieb zu geben, der nicht zu verwendendes Schweröl verbrennt. "Auf die Verbrennung von Rückstandskraftstoffen wie Schweröl zu verzichten, wäre nicht sinnvoll. Sie machen fünf Prozent des insgesamt verwendeten Rohöls aus. Würde man diesen ersetzen, würde der Rohölverbrauch weiter steigen und man müsste den energiereichen Rückstand aufwendig entsorgen - welche Verschwendung von Ressourcen", sagt Wolfram Lausch, Chef des Bereiches Viertakt-Schiffsdieselmotoren bei MAN. Für ihn ist im Jubiläumsjahr von Rudolf Diesel, der vor 111 Jahren den nach ihm benannten Motor zum Laufen brachte, die Innovation - zumindest auf dem Wasser - noch längst nicht am Ende.

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